Portrait

Keine Zeit für Schäferromantik

Demeter-Schäfer Markus Schenk balanciert Ökonomie und Landschaftsidyll

Von Michael Olbrich-Majer

 

Ein Schäfer muss rasch zählen können. Seine Tiere sehen sich einander sehr ähnlich, drängen sich zu einer fließenden Herde dicht aneinander und bewegen sich auch mal schnell – anders als Kühe. Die Schäfchen zusammen halten ist das traditionelle Handwerk, doch wer heute Schäfer ist, muss auch genau rechnen können. Vor allem, wenn man, wie Markus Schenk, mehr als eintausenddreihundert davon hat. Der Demeter-Schäfer in der Oberpfalz weiß, dass es auf jedes Lamm ankommt. Die müssen nicht nur gesund bleiben, sondern auch gut fressen und entsprechend geweidet werden. Schenk vermarktet das Fleisch, für die Wolle gibt es fast nichts.

 

Gut, dass Schafe die Landschaft pflegen. Die Zuschüsse dafür machen die Schäferei letztlich rentabel. Kein Nutztier ist so eng auf die umgebende Natur geprägt wie das Schaf. Markus Schenk führt als Beispiel das Texelschaf an: "Die stehen fast auf den Deichen. Aber Merinoschafe, die Rasse, die wir haben, müssen laufen". Schafe sind klassische Dreinutzungstiere, geben Milch wie Fleisch, und die Merinos waren einst für ihre Wollqualität geschätzt: Noch nach dem Krieg waren sie hier im Landstrich verbreitet, es gab eine einheimische Wollverarbeitung. Das ist längst passé, für's Kilo Wolle bekommt der Schäfer nicht einmal einen Euro, egal ob Bio oder nicht. Ein Schaf hat 3,5 bis 4 Kilo, die Schur kostet 2 Euro. Früher wurde allein von der Schwanzschur der Schäfer entlohnt. Heute gehen Wolle und Felle an einen Händler. Folglich kreuzt Schenk zur Verbesserung der Fleischleistung auch Böcke des Schwarzköpfigen Fleischschafes ein.

Hüten, teilen, kooperieren

Insgesamt 1300 Mutterschafe – Merino-Landschaf – mit Nachwuchs grasen für Markus Schenk, verteilt auf 450 Hektar Land im Umkreis von 45 Kilometern. Die Landschaft am Juratrauf, wo Kalk und Sandstein ineinander übergehen, hat viele kleine Tälchen mit Mager- oder Trockenrasen an den Hängen, die sich zu einer Weideroute verbinden lassen. Schenk arbeitet mit zwei Schäfern zusammen, da er seine Herde in Leistungsgruppen teilt: drei Herden plus eine Koppel. Das hängt unter anderem mit der Lammung zusammen: Zwillinge und Ihre Mütter bekommen die besseren Flächen, auf die extensiven Flächen gehen die Jährlinge und Einlinge samt Mutterschafen. Die eine Herde übernimmt Thomas Inzelsperger, mit dem Schenk eine gemeinsame Herde hat, Schwerpunkt Landschaftspflege. Der andere Kooperationsbetrieb ist der von Karina Viehbacher, die magere Flächen, u. a. steile Wacholderhänge im Jura hütet. Auch hier gehen vor allem die leeren und niedertragenden Schafe mit und kräftigere Einlinge. Im Winter sind dann alle beisammen, seit 2004 können sie auch in einen Stall.

 

Das Herdenmanagement muss zum Einen den Auftrag zur Landschaftspflege erfüllen: gründlich und zum richtigen Zeitpunkt beweiden. Zum anderen muss es auch eine erfolgreiche Lämmeraufzucht ermöglichen. Die ist mit der Milchleistung der Muttertiere verknüpft. Je höher die ist, desto besser wachsen die Lämmer, desto gesünder und robuster sind sie. Mit Kraftfutter und ganzjährig im Stall – kein Problem. Aber umherziehen mit ständig wechselnder Futtergrundlage – Schafe fressen gerne kurzes Gras – das macht es knifflig. Und schnell unrentabel, wenn was schief läuft.

Jedes Lamm zählt

Empfindlich sind die Zwillingslämmer. Nur fünf Kilo wiegt eines im Durchschitt, Einlinge sind mit sechs bis acht Kilo schon robuster. Zwillinge hat Schenk viele, durchschnittlich 1,7 Lämmer werfen seine Schafe im Jahr. Mittels Ultraschall, den der Tierarzt durchführt, kann der Schäfer die tragenden Tiere schon vor dem Ablammen sortieren: Die Zwillingsmütter kommen drei bis vier Wochen früher in den Stall, um sie gezielt zu füttern. Die Lämmerquote kann der Schäfer auch dadurch beeinflussen, wann er den Bock zu den Schafen lässt. Die intensive Variante hieße dreimal lammen in zwei Jahren. Schenk strebt eher einmal im Jahr an, dafür tendenziell mehr Zwillinge. Im Herbst gedeckt sind die Schafe fruchtbarer, im Frühjahr gedeckt, gibt es weniger Zwillinge. Eine Pause senkt den Befruchtungserfolg bei Schafen nicht.

 

Mit der Einkreuzung von Suffolk und Schwarzköpfigem Fleischschaf werden die Lämmer frohwüchsiger, haben eine bessere tägliche Zunahme. Konventionell sind das im Stall 300 g. Das ist auf der Weide nicht zu erreichen. 180 g bei den leichten und 230 g bei den schwereren sind es bei Schenk, nur Einlingsböcke wachsen rascher. Merino-Landschafe können das ganze Jahr hindurch gedeckt werden. Schenks Tiere lammen vor allem im Frühjahr und Winter. Es ginge auch gleichzeitig, aber dann würde die Vermarktung schwierig, die Nachfrage ist übers Jahr verteilt. Lieferkontinuität ist wichtig, aber auch einheitliche Größe. Das Gruppieren nach Lammzeitpunkt und nach Leistung ist also ein wesentliches Mittel des Schäfers: zusammenströmen lassen und neu teilen.

Lämmer mästen

Im Winter werden nach ungefähr 8 bis 10 Wochen die Zwillinge mit ca. 20 Kilo Gewicht abgesetzt, 80 bis 90 kg wiegt ein ausgewachsenes Schaf. Den ganz späten Zwillingslämmern füttert Schenk im Stall noch zu. Denn "verhocken", also kümmern, soll keines. Frühjahrslämmer kommen gleich auf die Weide. Unerwünscht in der Herde sind auch "Stehler", Lämmer die woanders saufen. Bereits nach ein bis zwei Wochen beginnen die Lämmer mit der Raufutteraufnahme. Im Stall füttert Schenk Silage und Getreide zu und bevorzugt Pellets, da sie besser eingespeichelt werden und der pH-Wert des Pansens so im verträglichen Bereich bleibt. Auch für Schäfer ist der aktuelle Anstieg der Getreidepreise also ein Problem. Nach sechs Monaten auf der Weide sind die Tiere schlachtreif, Stallmast dauert im Schnitt 4,5 Monate.

 

Mit 45 bis 50 Kilo Lebendgewicht kommen die Weidelämmer zum Schlachter, optimal sind 47 % Ausschlachtung. Auf den konventionellen Preis von 2 € je Kilo Lebendgewicht gibt es bei entsprechender Vermarktung einen Bio-Aufschlag. Auch länger weiden ist möglich: ein bis zwei Monate, da werden sie bis 55 kg schwer, ohne zu verfetten – was mit Intensivmast im Stall oder Kreuzungslämmern eher passiert. Bei Letzteren ist schon bei 45 kg Schluss, auch Hammel nehmen rascher zu. Die im Frühjahr geborenen Bocklämmer werden "geglubt", das heißt unblutig kastriert, denn sonst machen sie in der "Pubertät" die Herde wild.

 

Für die Demeter-Anerkennung dürfen fremde Flächen bis zu einem Anteil von maximal 20 % Futter gehütet werden, es darf aber keine chemische Ampferbekämpfung stattgefunden haben. Präparate bekommen die meisten Flächen bis auf die Steillagen – da kommt man nur zu Fuß hin. Außerdem ist der Schäfer unsicher, ob es auf Naturschutzflächen sinnvoll ist. Für das Spritzen von Hornmist und Hornkiesel nutzt Markus Schenk die Dienstleistung von Harald Wolber. Dieses Jahr haben sie per Hand gerührt. Im Stall kommt Sammelpräparat zum Einsatz, auch Kalk, zur Desinfektion. In der regionalen biodynamischen Arbeitsgemeinschaft ist der 37jährige der Jüngste. Und macht sich Gedanken um die Zukunft, wenn so wenig junge Landwirte dazu kommen.

Vermarktung

Ungefähr 250 Lämmer behält der Betrieb zur Remonte – ein Schaf wird 6 bis 12 Jahre alt. Die anderen gehen zum Metzger, am liebsten mit Demeter- Label. Deswegen ist Schenk vor einem Jahr weg von Chiemgauer Naturfleisch – da war nur die Öko-Auslobung und ein entsprechender Preis möglich und dann noch 450 km Hin- und Rückfahrt. Jetzt vermarktet er mit Hilfe der Erzeugergemeinschaft Demeter-Landbauerzeugnisse über Friedrich von Homeyer u. a. an Thönes Naturkost – Edelteile für die Bio-Fleischtheken und an den Demeter-Babykost-Hersteller Sunval: fast 700 Lämmer im vergangenen Jahr, dazu 100 über die Nürnberger Demeter-Metzgerei ebl-Naturkost, der Rest konventionell. Geschlachtet wird in Ingolstadt. Direkt vermarkten will Schenk bisher nicht, das wäre für ihn ein anderer Betriebsschwerpunkt. Kulturlandschaftsprogramm, Landschaftspflegezuschuss, Ausgleichszulage, ein Schäfer muss sich mit dem Antragswesen für Flächenbeihilfen auskennen. Ungefähr 120.000 Euro kommen da zusammen, dazu noch einmal der Umsatz von 150 bis 200.000 € mit den Tieren.

Schäferleben

"Als Schäfer musst du Durchhaltevermögen und Idealismus mitbringen, das ist nichts für Labile" so die Erfahrung von Markus Schenk. Besonders die Wanderschäferei ist hart. Als Schäfer ist man den Umständen und Jahreszeiten, Maul-und Klauenseuche oder Winterweide mehr ausgeliefert als ein Landwirt. Auch wenn die Arbeit ein Hauch romantischer Einsamkeit umgibt, muss man mehr Kontaktfreude mitbringen: Der gute Ruf des Schäfers macht es einem aber leicht. Anders als Landwirte sind sie in der Öffentlichkeit präsenter und haben Rückhalt in der Bevölkerung.

Markus Schenk zog es schon während seiner Schulzeit zum Schafehüten. Hatte er keinen Unterricht, konnte man ihn bei der Herde eines alten Schäfers finden. Schnell war klar, dass das sein Weg wird. Schäferleben, Vagabundendasein, mit 17 ging er mit einem Wanderschäfer mit. 1995 machte er sich selbstständig, zog mit 400 Schafen in der Gegend um Giengen auf der Schwäbischen Alb umher, die Abende im Schäferwagen. Es folgte die Meisterschule im fränkischen Triesdorf. Als er hier Flächen angeboten bekam, wurde die Hütestrecke länger: Im Winter war er am Bodensee, zwischendrin auch mal mit Herde bei den Altusrieder Freilichtspielen auf der Bühne. Beim Wandern lernte er auch seine Frau Sandra kennen. Neben Haushalt und den drei Kindern kümmert sie sich heute um die Buchhaltung.

Zum Futter ziehen

 

Man kann Lämmermast wie einen üblichen, konventionellen Betriebszweig führen – Tiere im Stall, Futter vom Acker. Aber das ist nichts für Schenk und nichts für seine Schafe: Landwirtschaft ist hier anders zu denken, zumal Bio, Schafe sind Bewegung in der Landschaft. Übrigens, der Schäfer läuft immer voraus. Jeder Schäfereibetrieb ist anders, kombiniert Koppel, Stall und Hutung je nach regionalen Möglichkeiten und Vermarktung, kann und muss flexibel sein. Ist z. B. die Futtergrundlage nicht gesichert, lässt man so decken, dass die Schafe erst im Sommer lammen. Doch das Tempo in der Landwirtschaft drückt auch auf die Schäfer: Vorbei die Zeit als er der Pferch bezahlt wurde, der Schafdung begehrt war. Heute wird Auswuchs gleich untergrubbert, Zwischenfrüchte oft totgespritzt, Winterbegrünung mit Prämie kann nicht beweidet werden – das Stoppeln fällt als Futter aus. Wanderschäferei wird schwierig. Und waren traditionell die Lämmer erst im Herbst fett, folgt das heute dem eiligen Markt.

 

Um die Schafe im Winter zu versorgen, ist Markus Schenk auch als Ackerbauer tätig: 100 t Getreide pro Jahr braucht er, dazu baut er auf 37 ha Gerste, Hafer, Weizen und Kleegras an. Saatbettbereitung und Aussaat macht er mit dem eigenen Schlepper, die Ernte erfolgt im Lohn. Auch den Kompost bringt er meist selbst aus, möglichst fein verteilt, damit es später beim Schnitt für Heu oder Silage keine Verunreinigungen gibt. Das Mähgut wird mit einem Zetter gleich auf Schwad gelegt, um die Verluste gering zuhalten, das Einbringen ins Heulager oder ins Silo erfolgt im Lohn.

Gesunde Schafe – gute Schafe

Hauptproblem für Schäfer sind Würmer und die Moderhinke, eine Klauenkrankheit. Selbst bei extensiv genutzten Flächen ist der Infektionsdruck hoch, so dass die regelmäßige Untersuchung von Kotproben auf Verwurmung und ggf. Medikation dazu gehört. Nie mit dem Tau fressen lassen, ist eine vorbeugende Schäferregel. Die Wurmkuren sind neben dem Futter ein wesentlicher Kostenfaktor. Schärfer selektieren, darin sieht der Schäfer eine Chance und wenn gepfercht wird, umgrubbern. In seinem Lehrbetrieb wurde die Herde immer durchgeimpft, aber nach seiner Erfahrung schwächt das die Tiere. Moderhinke – da ist häufige und gründliche Tierkontrolle unumgänglich, um frühzeitig auszuschneiden. Und ein Desinfektionsbad der Klauen. Dann hat man die Krankheit weitgehend unter Kontrolle, denn wenn die Herde wandert, liegt die Infektion am Wegesrand.

Trocken aber teuer: der Stall

Für die Winter hat Markus Schenk 2003 einen großen Stall gebaut. Trockene Schafe bleiben gesünder. Auch das bessere Zusammenspiel zwischen Hutung und Beifütterung, damit der Anteil an Demeter-Futter stimmt, spielte eine Rolle. Endmast und Aufzucht sind so erfolgreicher, die Tierbeobachtung intensiver. Stroh zur Einstreu muss Schenk teilweise zukaufen. Gut 1500 Schafe samt Nachwuchs finden hier Platz und Schutz, die Halle ist hoch, hell und gut belüftet, z. T. nur mit Windschutznetzen verkleidet, der Boden bewusst aus Lehm. Auf dem Dach produzieren 230 qm Solarzellen Strom.

 

Der 3500 qm große Stall ist teurer geworden als geplant: ca. 900.000 Euro, trotz Eigenleistungen. Planung, Gutachten, Erschließung, Erdbewegungen, Silo, Jauchegrube, Löschteich, Stalltechnik inklusive Ladekran – das hat sich summiert. Zwar sind die Kosten pro Stallplatz im Rahmen, auch bleibt das Heu trocken. Aber für Einen, der kein Kapital hat außer seinen Schafen, ist das eine enorme Investition. Eine Last, die Schenk treibt. 400.000 Euro gab die GLS-Bank, weitere 300.000 konnte er über Kleindarlehen und Bürgschaften von mehr als 30 Freunden, Bekannten und Dorfbewohnern zusammentragen. Um das abzutragen, muss man mit jedem Lamm rechnen. Irgendwann wollen Schenks aus ihrer Mietwohnung zum zwei Kilometer entfernten Stall ziehen, sich ein Haus bauen.

Immer für die Herde da

Das Bild vom Schäfer, der bei seiner Herde vor sich hin träumt, und seine Hunde – Schenk hat schwarze Altdeutsche Hütehunde – die Arbeit machen lässt, ist falsch. Und ausruhen im Winter? Fehlanzeige. "Als Schäfer hast du eine hohe Arbeitsbelastung das ganze Jahr hindurch", korrigiert mich Markus Schenk. Arbeitsspitzen sind die Lammzeiten, und der Sommer mit Stroh bergen und herbeifahren. Für Urlaub keine Zeit. Vielleicht wird das anders, wenn sein Bruder einsteigt. Der ist zwar Kaufmann, hat aber seine Schäferausbildung gemacht und ist technisch wie auch am PC versiert. Dazu müsste der Betrieb noch um 500 bis 600 Schafe aufstocken.

 

Im Vergleich zur Wanderschäferzeit fehlt Markus Schenk heute die Muße: zur Arbeit mit den Tieren kommen noch Ämterbesuche, die stete Finanzierungsfrage, Ärger mit dem Hersteller des Krans, der statisch falsch ausgelegt ist. So ist die Ruhe des Hütens oft genug vom Nachdenken über Probleme und vom Handy unterbrochen. Das Verhältnis zu den Tieren empfindet er nicht ganz so innig wie als Wanderschäfer, fühlt sich mehr als Demeter-Schafmanager. Auch gut. Aber mit 50 möchte er dann nur noch Schafe hüten.

Betreibsspiegel

  • 1 Azubi, 1 Saison-AK, Bruder am Wochenende

  • 198 ha, davon 37 für eigenen Ackerbau (Futter)

  • 1300 Mutterschafe (162,5 GV) in zeitweilig drei Herden

  • Kooperation mit zwei weiteren Schäfern

  • Winterstall für 1500 Tieren

  • Vermarktung: Schlachttiere/Lämmer Demeter und konventionell

Schäferei Schenk, Schlossstr. 8, 92364 Deining, Tel: 09184-801 272