Lebendige Erde 4/2003:

Demeter-aktuell

Demeter-International: Fischler-Vorschlag zur Koexistenz von Gentechnik bedroht Öko-Landwirtschaft

(rh) "Würde der Vorschlag der EU-Kommission zur Koexistenz von Gentechnik umgesetzt, geriete die Bio-Landwirtschaft an den Abgrund," warnt Nikolai Fuchs, EU-Koordinator bei Demeter International. Die Organisation, die weltweit für die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise steht, hat gerade ihr Brüsseler Büro eröffnet. EU-weit repräsentiert sie 2750 landwirtschaftliche Betriebe und knapp 500 Verarbeiter für Bio-Lebensmittel. Im Vorfeld eines Runden Tisches der Kommission zum Thema Koexistenz am 24. April kritisiert Fuchs, dass in dem Vorschlag Wahlfreiheit als Anspruchs- und nicht als Abwehrrecht interpretiert wird.

Fischler gehe offenbar davon aus, dass er beispielsweise auch Gentechnik-Felder vor Öko-Pollenflug schützen müsse. "Nichtraucher muss man vor Rauch schützen, Raucher vor sauberer Luft hingegen nicht," findet der Demeter-Sprecher einen plastischen Vergleich. In der Frage der Koexistenz sei die Wahlfreiheit als Abwehrrecht und nicht als Anspruchsrecht zu definieren. Nach dem Vorschlag der Kommission solle jeder Wirtschaftstreibende, der sich einen Vorteil von der von ihm gewählten Wirtschaftsweise verspreche, egal ob Gentechnik oder Öko-Landbau, für den Schutz seiner Felder selbst aufkommen. So solle er zum Beispiel Pufferzonen auf den Flächen selber einrichten. "Das stellt das Verursacher-Prinzip auf den Kopf," kritisiert Fuchs. Außerdem benachteilige es Öko-Bauern, die bekanntlich kleiner strukturierte Felder haben und somit prozentual mehr Fläche für Pufferzonen aufbringen müssten, und untergrabe so indirekt die Wahlfreiheit. Auch die geplante Verlagerung der Gesetzgebung in die Mitgliedsstaaten mache das Verfahren eher schwerer als leichter, da der Willkür vor Ort Tür und Tor geöffnet werde. "Es braucht eine eindeutige Regelung auf EU-Ebene," forderte Fuchs. Fischler dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen und die Frage, ob Gentechnik oder nicht den wissenschaftlichen Committees überlassen. "Er muss dafür sorgen, dass Bürger nicht gegen ihren Willen - und sei er ethisch begründet - Gentechnik auf den Tisch bekommen," nimmt Fuchs den EU-Kommissar in die Pflicht.

 

 

Gentechnik: Koexistenz heißt Verdrängung

Koexistenz geht zu Lasten der Bio-Landwirtschaft

Natur und Agrarwissenschaftler der Hochschule für Geisteswissenschaften Goetheanum in Dornach richteten im Juni ein Memorandum an Politiker in Deutschland und der EU. Tenor: Pflanzen sind Lebewesen und Kulturgut - und keine Handelsware. Vor der dem Hintergrund der anstehenden WTO Verhandlungen und des Drucks der US Regierung war zunächst EU- Kommissar Fischler eingeknickt und hatte das de facto Moratorium für GVO ohne Nachfolgeregelung preisgegeben. Ökobauern sollen sich zukünftig selbst vor Verunreinigungen durch genmanipulierte Pflanzen schützen. Im folgenden die Kerngedanken des Memorandums. (ausführlich im Extra der aktuellen Ausgabe Lebendige Erde - 4-2003. vorliegende Fassung aus: Goetheanum 25/2003)

1. Durch Akzeptanz einer gewissen Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) wird das Recht der Wahlfreiheit sowohl direkt für die Konsumenten als auch indirekt für die freie Berufswahl von Landwirten, die GVO frei produzieren möchten, in Frage gestellt.

2. Die europäische Landwirtschaft erzeugt bereits heute Überschüsse, die mit staatlichen Subventionen, meist in die dritte Welt, abgebaut werden. Anreize für eine weitere Steigerung der Produktivität oder für eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft sind aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswert.

3. Die ökonomische und rechtliche Abhängigkeit der Produzenten, die GVOs anbauen wollen, wird größer und schränkt die Landwirte in ihrer betrieblichen Autonomie noch stärker als bisher ein.

4. Landwirtschaft in ihrer ursprünglichen Bedeutung erzeugt nicht nur Kartoffeln, Getreide und Milch, sondern auch Landschaften, das heißt ästhetische Kultur- und Lebenswerte. Gentechnik-Landwirtschaft führt systemimmanent zu Einförmigkeit und Großflächigkeit. Unsere europäischen Kulturlandschaften können nur erhalten werden, wenn ihre Qualitäten mit umfassenden Kriterien, die neben Ertrag auch Umweltschutz, Erhaltung der biologischen Vielfalt und Erholungswert mit einschließen, gewürdigt werden.

5. GVOs und eine intensive Landwirtschaft nach europäischem Zuschnitt erfüllen auch in den Ländern der dritten Welt nicht die Hoffnung auf eine ausreichende NahrungsmitteIversorgung. Im Gegenteil, der biologische Landbau mit seinen umwelt- und ressourcenschonenden Bewirtschaftungsmethoden erzielt gerade in diesen Ländern größere Erträge und schneidet ökonomisch besser ab als die konventionelle Produktionsweise.

Quelle: Memorandum zur Koexistenz von Gentechnik-Landwirtschaft, konventionellen und ökologischen Betriebsweisen.
Bezug, auch zum Unterschreiben: Landwirtschaftliche Abteilung, Goetheanum, Sekretariat: Therese Jung, Hügelweg 59, CH?4143 Dornach,
Tel. +41 (0)61 706 42 12, Fax 061 706 42 15
landw.abteilung@goetheanum.ch