Lebendige Erde 3/2005:

Demeter Aktuell

100% Biofutter - Probleme und Regelungen

von Dr. Jochen Leopold

Ein Grundgedanke des ökologischen Landbaus ist, dass die jeweilige Tierhaltung eines Betriebes an die Futtergrundlage des Standortes gebunden ist. Das heißt, die Tiere werden mit betriebseigenem Futter gefüttert, liefern den Dünger für den Boden, und es werden nicht mehr Tiere gehalten, als der Betrieb ernähren kann. Das ist das Idealbild. Ökobetriebe stehen in der Praxis im Spannungsfeld von Ideal und wirtschaftlichem Überleben, doch was das Ideal anbelangt ,gibt es einen breiten Konsens. Hinsichtlich der Frage, wie dieses zu erreichen ist und mit welchen Strategien, die auch einen wirtschaftlichen Erfolg für die Erzeuger sicherstellen sollen, gibt es jedoch unterschiedliche Ansätze und Prioritätensetzungen.

Abgesehen davon ist das Ideal der Selbstversorgung je nach Futteranspruch der Tierarten unterschiedlich gut erreichbar. Die Wiederkäuer haben den Vorteil, dass sie mit ihrem Verdauungssystem cellulosehaltiges Futter bestens verwerten und mit Hilfe von Bakterien sogar Eiweiß aufbauen können. Allein mit Heu und Grünfutter kann man sie ernähren. Vorausgesetzt, man zwingt sie nicht zu immer höheren Milchleistungen durch die Zufütterung von wenig artgerechtem Futter. 100% Biofutter ist in den Verbänden Bioland, Biokreis und Demeter für die Wiederkäuer vorgeschrieben.

Tiere mit einfachem Magen wie Schweine und Geflügel sind auf konzentrierte energiereiche Nahrung wie Getreide und auf die Fütterung mit eiweißhaltigen Futtermitteln angewiesen. Die Fütterung der Tiere wird zunehmend schwieriger, je weniger leistungsfähig das Verdauungssystem ist. Dies trifft vor allem in der Aufzuchtphase und besonders beim Geflügel zu, das von allen landwirtschaftlich genutzten Tierarten die schlechteste Futterverwertung aufweist. Hier ist es am schwierigsten, die Tiere vom eigenen Betrieb zu ernähren bzw. 100% Bio zu realisieren. Der größte Anbauverband Bioland und der älteste Verband Demeter haben große Anstrengungen unternommen, dieses Ziel zu erreichen. Bei der Schweinefütterung ist die Fütterung mit 100% Biofutter machbar, wobei dies in der Aufzuchtphase mit hohem Eiweißbedarf noch nicht durchgängig gelingt.

In der Geflügelfütterung ist ebenfalls die Aufzuchtphase am schwierigsten, besonders bei Puten. Die Fütterung mit 100% Biofutter ist bei diesen Tierarten nicht vollständig mit betriebseigenem Futter möglich. Die Betriebe sind auf die Ergänzung der Ration mit zugekauften eiweißhaltigen Futtermitteln angewiesen, wie z.B. Kartoffeleiweiß und Maiskleber. In der Geflügelfütterung haben sich bisher viele Betriebe und Hersteller von Futtermischungen auf die Verfügbarkeit von Bio-Maiskleber verlassen. Nachdem dieser nicht mehr hergestellt wird und auf absehbare Zeit nicht verfügbar ist, stehen viele Betriebe vor einem Problem. Die Fütterung mit 100% Biofutter ist deshalb nur auf einem Teil der Betriebe realisiert. Wer auf Bio-Maiskleber gesetzt hatte, kann nach dessen Wegfall die Fütterung nicht von heute auf morgen wieder in 100% Bio-Qualität einrichten. Hier sind zeitlich befristete Zukaufmöglichkeiten wie bei Bioland und Biokreis oder befristete Ausnahmegenehmigungen wie bei Demeter zum Zukauf von konventionellem Maiskleber und Kartoffeleiweiß nötig. Dadurch, dass einzelne Verbände auf die Vorgabe 100% Biofutter konsequent zugehen, wird zukünftig die Versorgung mit Biofutter kontinuierlich weiter verbessert.

Nach EU-Ökoverordnung ist die Verwendung konventioneller Futtermittel bis zum August 2005 zulässig. Nun wird diskutiert, ob und wie viel konventionelles Futter und bei welcher Tierart zukünftig zulässig sein soll. Die Verbände Biokreis, Bioland, Demeter und Gäa haben sich dafür ausgesprochen, dass Wiederkäuer nach dem 24.8.2005 keine konventionellen Futtermittel erhalten sollen, mit Ausnahme der während der Umstellung selbst erzeugten Futtermittel aus dem Nulljahr, die noch nicht öko-anerkannt sind.

Bei Schweinen ist eine Fütterung mit 100% Bio möglich. Schwierig ist die Ferkelaufzucht ohne Bio-Eiweißergänzer (Kartoffeleiweiß), aber bei Verwendung von Milchprodukten prinzipiell möglich. Eine Absenkung des konventionellen Futteranteils von 20% auf 5% bis längstens 2008 wird bei genügender Verfügbarkeit für die EU-Ebene als realistisch erachtet. Bei Geflügel ist zwar eine 100% Bio-Fütterung grundsätzlich möglich, es entstehen aber Engpässe in der Versorgung mit Bio-Maiskleber, so dass eine schrittweise Absenkung des konventionellen Futteranteils als notwendig angesehen wird. Die Liste der zulässigen konventionellen Komponenten sollte auf die derzeit noch erforderlichen Eiweißfuttermittel Maiskleber und Kartoffeleiweiß beschränkt werden.