Lebendige Erde 1/2002:
Berichte & Initiativen
Landwirtschaft mit menschlichem Gesicht
Ost-West Dialog des Forschungsring zeigt Zukunftsmodelle für die
Landwirtschaft
Michael Olbrich-Majer
Blühende Landschaften - mit ökolandbau sind sie möglich:
ökologisch wirtschaftende Betriebe beleben Regionen und erbringen
Leistungen für Landschaft und Landbevölkerung. Das wurde deutlich
auf einer Tagung des Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise
in Weimar, auf der sich über 100 Landwirte, Agrarfachleute und
Verbraucher aus Ost und West erstmals mit der Frage einer weiter gehenden
Agrarwende befassten.
Mit
einem regionalen und ökologischen Ansatz wird die Landwirtschaft
wieder "Mutter des Dorflebens". Diese Formulierung aus der Einführung
von Dr. Günter Breitbart, Landwirtschaftsministerium Thüringen,
tauchte mehrfach wieder auf. Nur als Lebenswirt und Energiewirt kann
der Beruf des Landwirts wieder an Ansehen und Zukunft gewinnen, stellte
der Journalist und Autor Franz Alt ("Agrarwende jetzt") in seinem Plädoyer
für eine konsequent ökologische Landwirtschaft dar. Er forderte
eine klare Vision für die Landwirtschaft - 100% ökologisch
- statt halbherziger Politikvorgaben von 20%. Doch auch das Bundesministerium
für Verbraucherschutz und Landwirtschaft setzt auf z.T. ökologische
und regionale Erzeugung als Alternative zur Globalisierung, wie Theo
Augustin vom BMVEL zuvor darstellte.
Herbert Vogel, Landwirt aus Franken wies darauf hin, dass der Westen
den Strukturwandel des Ostens nachahmt: Setzt man so allein auf Produktion,
fallen Kultur und Landschaft raus mit Konsequenzen für Arbeitslast
und Schicksal bäuerlicher Familien: mehr Kooperation, von den sozialen
Qualitäten der DDR Landwirtschaft lernen und Landwirtschaft attraktiv
für junge Menschen machen sieht er als Auswege. Dazu passt die
Aussage von Franz Alt: Die Landwirtschaft bracht Visionen - sonst sterben
die Bauern aus.
Vielfältige, multifunktionale Landwirtschaft mit sozialem Auftrag
aufzubauen ist möglich, das zeigten Beispiele von Betrieben, die
auf der Tagung vorgestellt wurden: Was engagierte Landwirte, Betriebsgemeinschaften,
Dörfer und Vereine, ja sogar Rentner in den neuen Ländern
auf Land an Leben aufgestellt haben durch ökologischen Landbau,
ist vorbildlich. Nicht nur, dass dadurch sich Böden und Landschaft
entwickeln, Kühe wieder grasen und es gesunde Lebensmittel gibt:
Durch den Versuch, die Wertschöpfung in die Region zu holen gelingt
es, Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten, sowie Landschaft
und Landleben wieder attraktiv zu machen. Überzeugende Beispiele
regen hierzu an. Die ehemalige LPG im kleinen Ort Brodowin wurde mit
Demeter-Landwirtschaft und eigener Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung
zu einer Marke - Ökodorf Brodowin, die in Berlin bekannt ist. Die
Bioland Ranch Zempow ist Mittelpunkt eines örtlichen Unternehmensnetzwerks,
das u.a. Holzverwertung, Urlaubsangebote und Umweltbildung mit Landschaftsbezug
umfasst. "Keiner hat soviel Werbefläche wie der Landwirt", darauf
wies Helmut Deckert vom Verein Thüringer Ökoherz angesichts
mancher Vermarktungsprobleme bei Öko-Betrieben hin. Vor allem Verarbeiter
werden im Osten noch gesucht, große Einheiten herrschen auch hier
vor, und für die sind ein paar Prozent Öko nicht rentabel.
Mehr Lebensqualität, der Hofladen als Dorftreffpunkt, eine Mistbörse
für die Gärtner im Ort, Kulturlandschaft als Schule des Erlebens
sind kleine Nebeneffekte, wenn sich die Landwirtschaft über die
reine Produktion hinaus sozial weiter entwickelt. Doch gehört auch
der Mut dazu, die Ökonomie neu zu gestalten, wie Nikolai Fuchs,
Geschäftsführer des Forschungsring, eingangs betonte.
Wenn es gelingt, die Wahrnehmung von Lebensmitteln und Landschaft zu
verstärken und das Bewusstsein für ihren Zusammenhang zu schaffen,
ist der Ökolandbau der Gewinner, das zeigte u. a. der Beitrag von
Henning Holst von der Uni Greifswald. Denn Kulturlandschaft ist Ausdruck
des Wirtschaftens und kann durch Initiative, Förderung und ein
entsprechendes regionales Leitbild entwickelt werden. Dann
können auch andere dem Vorbild der drei Demeter-Betriebe folgen,
die Jörg Matthes, Philipp Steul und Peter Mock vorstellten. Sie
haben erfolgreich in die landwirtschaftliche Existenz investiert. Betriebe
fast von null aufgebaut und präsentierten ihre unterschiedlichen
Betriebsmodelle, Familienbetrieb, Gemeinschaftsunternehmung, Kooperation,
Verein. Denn auf den Öko-Betrieben werden fähige Menschen
gesucht, wie Peter Krenz, Geschäftsführer des Demeter-Betriebs
Ökodorf Brodowin betonte.
Die Tagung in Weimar wurde unterstützt von: Agrarbündnis,
Demeter-Bund, Gäa Sachsen-Anhalt, Gäa-Thüringen, Bauernverband
Thüringen, Thüringer Öko-Herz und Zukunftsstiftung Landwirtschaft.
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