Lebendige Erde 2/2002:

Berichte & Initiativen

Demeter und Anthroposophie im Gespräch
Nachlese zur Internationalen Grünen Woche in Berlin

Falk Zientz

"Auf der Grünen Woche in Berlin ist ein Klima entstanden, dass man öffentlich über Anthroposophie sprechen konnte", berichtete Nikolai Fuchs von der Landwirtschaftlichen Abteilung der Hochschule für Geisteswissenschaften (Goetheanum). Anläßlich mehrerer Preisverleihungen durch die Bundesministerin Renate Künast wurde von offizieller Seite mehrfach die Anthroposophie thematisiert. "Demeter spielte dabei gar nicht so eine Rolle ", so Fuchs, "sondern der anthroposophische Hintergrund der Preisträger. Es wird offensichtlich honoriert, wenn wir mit Mut dazu stehen. Wir sollten nicht versuchen, die Anthroposophie zu verstecken." Dabei geht es um Atmosphärisches, nicht um spektakuläre Aktionen. Der ökologische Landbau insgesamt konnte sich so gut präsentieren wie noch nie. Die Plattform hierzu war die vom Landwirtschaftsministerium für den Ökolandbau zur Verfügung gestellte Messehalle, zu deren Konzeption Cornelia Roeckl von der "Zukunftsstiftung Landwirtschaft" Frau Künast beglückwünschte.

Preise, Gesang und neue Ideen
Die Bundesministerin verlieh den seit letztem Jahr existierenden Förderpreis Ökologischer Landbau an drei Höfe, darunter zwei Demeterbetriebe: Den ersten Preis erhielt der Dottenfelderhof bei Frankfurt/Main, von dem wesentliche Impulse für die biologisch-dynamische Arbeit ausgingen: So fand hier 1954 die Gründung des Demeter-Bundes statt; auch die Ideen zur Vermarktung der eigenen Produkte und die Einrichtung einer Landbauschule prägten die Bewegung. Den Preis erhielt der "Dotti" für beispielhafte Leistungen zur Erhaltung genetischer Ressourcen, für die dort stark entwickelte Saatguterhaltung und biologisch-dynamische Züchtung. Mit einem zweiten Preis wurde der Bauckhof in der Lüneburger Heide für seine umfassenden ökologischen und sozialen Leistungen prämiiert. Eine besondere Note erhielt die Preisverleihung dadurch, dass die Ministerin zuvor eine außerordentliche Sitzung wegen des aktuellen Schrimps- Skandals hatte und deswegen eine Verspätung entstand. Joachim Bauck stimmte in der Zwischenzeit mit seinen Mitstreitern einen Kanon an. Der Moderator reagierte darauf zunächst etwas unsicher, bald sangen die versammelten Gäste jedoch mit, so dass Künast mit einem Ständchen empfangen wurde. Diese war darüber sichtbar gerührt und erinnerte sich daran, diesen Kanon ("Dona nobis pacem") bereits bei ihrem Besuch auf dem Bauckhof gehört zu haben. Insgesamt war diese Veranstaltung von einer besonderen Stimmung getragen, berichten die Teilnehmenden.
 

Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft stockte die Preisgelder auf und betonte die enge Verbindung der Bochumer Gemeinschaftsbankeinrichtungen mit den beiden Höfen seit den 60er Jahren. Albert Fink von der Bochumer GTS, einer der Initiatoren der Stiftung sagte, die seinerzeit getätigten riskanten Investitionen erwieen sich heute als eine wahre Investition für die Zukunft. Es handele sich hier um die ersten Ansätze einer neuen Ökonomie auf dem Lande.

Demeter-Geschäftsführer Dr. Peter Schaumberger hob noch einen weiteren Aspekt hervor: die Frage nach dem Eigentum an landwirtschaftlichem Grund und Boden: "Für viele landwirtschaftlichen Betriebe ist das die Gretchenfrage", betonte Schaumberger. "Dies hat der Bauckhof erfolgreich gelöst: Weil Privateigentum in gemeinnütziges Eigentum überführt wurde, ist für die Zukunft gesichert, dass immer biologisch-dynamisch gearbeitet wird. Diese Höfe können nicht mehr vererbt oder gar verkauft werden und öffnen sich für Menschen, die Verantwortung mitübernehmen oder einfach nur spenden wollen."

Demeter: Spannende Zeiten
"Man kann den Trend zu Öko überall spüren", stellte Immo Lünzer vom Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise fest, "aber auch einen stärkeren Gegenwind". Die Ministerin Künast berichtete, dass man an jedem Stand, den sie bei ihrem Rundgang besuchte, bestrebt war zu zeigen: Wir haben auch etwas Ökologisches. Gleichzeitig formiert sich aber auch deutlich die Gegenbewegung und im Hinblick auf den anstehenden Wahlkampf werden sich die Fronten wohl eher verhärten. "Wir haben spannende Monate vor uns", so Lünzer.
 


Gemeinsam einen Zopf backen:
Franz Fischler (EU-Kommisar für Landwirtschaft), Ministerin Renate Künast, Nikolai Fuchs (Goetheanum), Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Vorsitzender des Agrarausschusses des Europaparlamentes). Photo: NABU/Nikolai Kraneis
Zukunftsstiftung Landwirtschaft:
Raus aus der Nische "Das Besondere an der Grünen Woche war auf der einen Seite, daß die Ministerin sich mit einem großen Auftritt zum ökologischen Landbau bekannt hat. Insbesondere aber war auffällig, dass auf der Arbeitsebene eine Vielzahl von Kooperationen vereinbart wurde, auch zwischen Initiativen des ökologischen Landbaus und Akteuren aus dem konventionellen Bereich", so Cornelia Roeckl von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft in Bochum. Beispielsweise hatte die ökologisch orientierte Gesamthochschule Witzenhausen einen Stand unmittelbar neben der Bundesanstalt für Getreide- , Kartoffel- und Fettforschung. Aus den nachbarschaftlichen Gesprächen ergab sich ein Forschungsprojekt zur Eignung von Kartoffeln für die Herstellung von Bio-Pommes. Ähnlich kam ein gemeinsames Vorhaben des Kultursaat e. V. mit der

Bundesanstalt für Züchtungsforschung zur Züchtung von Gemüse auf Geschmack zustande. Die Stiftung selbst führte einen Wettbewerb in Kooperation mit den bislang federführenden Organisationen im Saatgutbereich durch.

Bereits am 11. Januar hatte die Stiftung zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, bei der unter anderem Prinz Michael Salm zu Salm (Grundbesitzerverbände), Hans- Theo Jachmann (Syngenta Agro GmbH), Ulrike Ostendorff (Bäuerin, AbL), Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Europäisches Parlament) und Helmut Born (Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes) im Gespräch waren. Thema: Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung fasste den Impuls so zusammen: "Menschen zusammenbringen, über Visionen sprechen und, wenn wir es wirklich wollen, diese zu Wirklichkeiten werden zu lassen, egal ob sie Wende, Erhalt oder Revolution heißen". Roeckl: "Insgesamt war die Stimmung auf dieser Veranstaltung so, dass man trotz aller Sorgen und Alltagsnöte Lust hatte, über Visionen zu sprechen".

Während der Grünen Woche wurde der Internetauftritt der Zukunftsstiftung Landwirtschaft freigeschaltet (www.zs-l.de). Auffällig an den übersichtlich gestalteten Seiten ist, dass die Treuhandstelle und die GLS-Bank, die wesentliche Voraussetzungen für die Stiftungsarbeit schufen, nicht als solche in Erscheinung treten. Die Stoßrichtung ist offenbar: Raus aus der Nische, rein in breite Kooperationszusammenhänge!