Lebendige Erde 6/2002:

Berichte & Initiativen

Kanadische Ökobauern verklagen Gentech-Konzerne

Stellvertretend für die Öko-Bauern aus dem kanadischen Bundesstaat Saskatchewan klagen die Öko-Bauern Marc Loiselle und Larry Hoffman gegen die Unternehmen Monsanto und Aventis. Die Konzerne sollen für die Schäden aufkommen, die den Öko-Bauern durch die Auskreuzung von Gen-Raps auf ihre Felder entstehen. Zudem wollen die kanadischen Bauern verhindern, dass sie auch noch durch die Ausbreitung von Gen-Weizen geschädigt werden. Gen-Raps wird in Kanada großflächig angebaut, eine ungewollte Auskreuzung lässt sich kaum verhindern. Was können wir in Europa von ihren Erfahrungen lernen?
Michael Olbrich-Majer fragte Marc Loiselle (Foto), einen der beiden Kläger:

In Europa werden gerade Grenzwerte für "gentechnikfrei" diskutiert, die zwischen 1% und 0,1%, der momentanen Nachweisgrenze liegen - was würden Sie empfehlen?
Ich bin der Meinung, es ist lächerlich, Grenzwerte für gentechnisch verunreinigtes Saatgut einzuführen - gentechnisch verschmutztes Saatgut muss eine Null-Toleranz haben. Es wäre deshalb wichtig, Saatgut durch Labortests überprüfen zu lassen, um sicherzustellen, dass das von Bauern gekaufte und angepflanzte Saatgut frei von Verunreinigungen ist. Wenn schon das Saatgut zu einem Prozent verunreinigt ist, dann sind die Grenzwerte für Lebensmittel, die zum Beispiel bei Ihnen in Deutschland auch bei einem Prozent liegen, gar nicht mehr einhaltbar. Denn durch Auskreuzung, fehlende oder unsaubere Trennung beim Transport steigt der Anteil der Verschmutzung bis zum fertigen Lebensmittel immer weiter an. Dann müssten die Grenzwerte für Lebensmittel wieder angehoben werden. Das Beispiel zeigt: Legt man sich auf Grenzwerte fest, besteht die Gefahr, dass sich jeder Grenzwert mit der Zeit automatisch erhöht, weil die Verschmutzung von den Firmen ständig vorangetrieben wird. Auf solch einen Deal wollen wir uns gar nicht erst einlassen.

In Kanada gibt es ca. 50% GVO-Raps - wurde Einkreuzung auf den Betrieben nachgewiesen? - Von wie viel Prozent Gentransfer muss man ausgehen?
Auf vielen Bauernhöfen wurde eine gentechnische Verunreinigung bis zu 7,2 Prozent festgestellt. Diese Verseuchung kam durch Auskreuzung von benachbarten Farmen sowie von verunreinigtem Saatgut.

Wie lange sind die Flächen nicht nutzbar, gesperrt für Ökoproduktion?
Wir halten uns an den Standard der Organic Crop Improvement Association Inc. (O.C.I.A., www.oica.org), des weltweit größten Öko-Zertifizierers. Die sehen vor, dass Flächen so lange nicht für den Anbau von Raps oder verwandter Pflanzen wie z.B. Senf nutzbar sind, wie die fruchtbaren Samen noch in der Erde sind - plus ein Jahr. Dies kann eine Zeitspanne von sieben bis acht Jahre bedeuten.

.
Wer sperrt die Produkte?

Produkte, die wir nach ökologischen oder bio-dynamischen Standards anbauen, würden im Falle einer gentechnischen Verschmutzung durch ein beglaubigtes Labor gesperrt werden. Der Bauer reicht repräsentative Proben für die Tests beim Labor ein. So wird verhindert, dass ein Käufer gentechnisch verunreinigte Ware erhält. Dennoch, auch Käufer und die Lebensmittelbehörden machen ihre eigenen Tests. Im diesem speziellen Fall haben ich und viele andere Öko-Bauern selbst beschlossen, auf den Anbau von Raps zu verzichten. Wie hoch sind die konkreten Schadenersatzforderungen ? Die Summe des entstandenen Schadens haben wir noch nicht genau beziffert. Es geht jedoch um Schäden bis zu hundert Millionen Dollar. Im Oktober 2002 haben wir eine Anhörung vor Gericht, wo die Schadenssumme genau festgelegt wird. Da wir beim Raps keine gentechnikfreie Ware mehr anbauen können, sind uns wichtige Märkte weg gebrochen.

Auf welcher rechtlichen Basis wird geklagt? In Deutschland hat das bisher auf Grundlage des Nachbarschaftsrechts nicht funktioniert, man muss Gentransfer und Schaden detailliert nachweisen. Wie ist das in Kanada?
Unsere Klage basiert auf dem Hauptargument, dass die Firmen Bayer/Aventis und Monsanto ihren Gen-Raps und Gen-Weizen nicht den notwendigen umweltrechtlichen Bestimmungen von Kanada oder Saskatchewan unterzogen haben. Wir haben Beweise, dass ökologisch angebauter Raps durch Auskreuzung und verunreinigtes Saatgut gentechnisch verunreinigt wurde. Die Gen-Konzerne haben hier ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt. Ihre Gen-Pflanzen sind Schadstoffe, die sich nun unkontrolliert ausgebreitet haben.

Welche gesetzlichen oder privatrechtlichen Regelungen liegen dem zugrunde?
Unsere Klage nimmt Bezug auf zwei Umweltbestimmungen des kanadischen Bundesstaates Saskatchewan und auf eine der kanadischen Regierung. Wir als Kläger stellen fest, dass es sich bei den genetischen Modifikationen um "Schadstoffe" im Sinne des Gesetzes zur Pflege und Schutz der Umwelt (Environmental Management Protection Act) handelt. Die haben den Ökolandwirten aufgrund ihrer Freisetzung Schäden zugefügt, dafür sind die Unternehmen unserer Ansicht nach haftbar. Außerdem halten wir Tests und uneingeschränkte Freisetzung genmanipulierter Canola in die Umwelt für eine "Entwicklung" im Sinne des Umweltverträglichkeitsgesetzes (Environmental Assessment Act) von Saskatchewan. Monsanto und Aventis hätten demnach vorher eine Umweltverträglichkeitsstudie durchführen und den Behörden zur Genehmigung vorlegen müssen. Das haben sie unterlassen und müssen für den Schaden haften, das gilt auch für die eingeschränkte Freisetzung von Weizen. Zudem setzen wir auf Beweislastumkehr, d.h. die Unternehmen müssen beweisen, dass ihre Entwicklung den Schaden nicht verursacht hat.

Was sagen eigentlich die kanadischen Verbraucher?
Eine öffentliche Meinungsumfrage im März 2002 bestätigte, dass 72 % der Kanadier keinen genmanipulierten Weizen wollen. Die Mehrheit der kanadischen Verbraucher möchte zudem kein Gen-Food und spricht sich dafür aus, dass genmanipulierte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen.