Lebendige Erde 1/2003:

Berichte & Initiativen

Wie finde ich einen Hof?

Tagung in Altenkirchen greift brennendes Thema auf von Götz Schmidt

von Götz Schmidt

Für den Einstieg in die Landwirtschaft gibt es Bedarf. Die Tagung in der Evangelischen Landjugendakademie Altenkirchen Mitte November platzte vor Andrang aus den Nähten. Viele waren gekommen, die einen Hof suchen. Auch Bauern und eine Bäuerin waren gekommen, die den Hof abgeben, oder mit anderen gemeinsam bewirtschaften wollen. Ein pralles Programm informierte über Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Suche, der Finanzierung, den Rechtsformen. Organisiert wurde die Tagung von der Evangelischen Landjugendakademie, dem AK Morgenland der abl und der AG Ländliche Entwicklung, Uni Kassel.

Die Teilnehmer kamen von Meisterschulen (z.B. Cleve, Landshut), Universitäten (Witzenhausen, Bonn), andere arbeiten schon seit Jahren in der Landwirtschaft als Angestellte. Was sie verbindet: Sie wollen selbstständig werden. Trotz aller Klagen über die ökonomische Situation in der Landwirtschaft gibt es offensichtlich viele Leute, die in die Landwirtschaft einsteigen wollen. Sie sind fasziniert von der landwirtschaftlichen Arbeit. Romantische Vorstellungen haben sie dabei nur selten. Dazu kennen sie die Landwirtschaft zu genau.

Hofnachfolge: oft ungeklärt
Die Probleme sind dringlich. Die Hofnachfolge ist heute nur bei einem Drittel der Betriebe mit über 45 jährigen Betriebsleitern geklärt. Da kommt auf die Landwirtschaft ein Problem zu, das nicht mehr durch den heute üblichen Weg gelöst werden kann. Die Regel ist, dass die Flächen an den Meistbietenden verpachtet werden. Ein Betrieb im eigenen oder nächsten Dorf pachtet auf und wächst. Da die Altersrente in der Landwirtschaft meist zu gering ist, sind die aufgebenden Familien auch dringend auf einen guten Pachtpreis angewiesen. Höfe ohne Nachfolger werden deshalb auch dann aufgelöst, wenn sie mit neuen Leuten durchaus lebensfähig wären. Auch dann, wenn die aufgebenden Bauernfamilien traurig sind über den Untergang ihres Lebenswerkes. Die Aufgabe von Höfen ist Kapitalvernichtung in großem Stil: Wirtschaftsgebäude stehen leer, durchgezüchtete Herden werden aufgelöst, teure Maschinen verramscht, Erfahrungen im Umgang mit den Böden gehen unter. In der Landwirtschaft werden deshalb neue Menschen gebraucht. Ihre Initiative, ihre aus anderen Bereichen stammenden Qualifikationen können der zukünftigen Landwirtschaft nur nützen. Mit der Verteidigung allein ist eine bäuerliche Landwirtschaft nicht zu retten.

Referenten aus Ministerien und Banken informierten über Finanzierungsformen, Rechtsprobleme der Hofübergabe und Fördermöglichkeiten. Von Bauern und Initiativen wurden unterschiedliche Formen der Übergabe vorgestellt: Übernahme eines Hofes und Fortführung als Einzelbetrieb. Schrittweiser Aufbau aus kleinsten Anfängen heraus. Betriebsgemeinschaften, Höfe in gemeinnütziger Trägerschaft. Ebenso vielfältig waren die Formen der Finanzierung: von Pacht, mit Erwerb von Eigentum durch eine Leibrente, Stiftungen usw.

Probleme im Sozialen und beim Bodenkauf
Damit beide Seiten zueinander kommen, sind Hofbörsen von zentraler Bedeutung. Herr Heckmann von der hessischen Hofbörse stellte dar, dass dabei der Begriff "Börse" weit untertrieben ist. Es geht bei der Hofbörse nicht nur um das Makeln, sondern um eine aufwendige Beratung, die von der Finanzierung bis zur Klärung der sozialen Probleme reicht. Damit war ein Thema angeschlagen, das im Lauf der Tagung in vielen Beiträgen der Vortragenden und Teilnehmer immer mehr in den Vordergrund rückte. Soziale Probleme gibt es auf beiden Seiten. Bei den Einsteigern ist offen welchen Hof sie wollen, welche Mühen des Anfangs sie auf sich nehmen können. Unklar kann sein, ob sie warten, bis ihnen der Traumhof angeboten wird, oder ob sie wissen (wie es ein Einsteiger formulierte), dass sie "ihren Koffer irgendwann einmal über den Zaun werfen, dann hinterher klettern und sich ihren Traum erarbeiten müssen".

Schwierigkeiten auch bei den Abgebenden. Sie wollen ihr Lebenswerk fortgesetzt sehen. Das Loslassen ist schwer. Niemand kann wollen, dass die Abgebenden einfach zur Seite gedrängt werden. Doch die Einsteiger wollen etwas Neues beginnen. Das zeigten die Erfahrungen der Hofbörse. Die übernommenen Betriebe wurden immer umstrukturiert. Deshalb wird es viele Versuche geben müssen, wie Erfahrungen weitergegeben werden können und die neue Generation dennoch ihre Fehler selber machen kann. Da offenbarte sich noch viel Bedarf an Selbstklärung. Das Übernahme/Abgabe Modell aus dem Katalog wird es wohl nie geben.

Bei den vorgestellten Neugründungen wurde eins besonders deutlich: in den seltensten Fällen konnte der Hof durch die Erlöse aus der landwirtschaftlichen Arbeit gekauft werden. Bei den heutigen Preisen für den Boden ist meist Geld aus anderen Quellen nötig, um einen Hof zu erwerben. Oft sind es Gelder, die aus zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten oder aus Erbschaften, Stiftungen usw. stammen. Solange der Boden Kapitaleigenschaften hat, solange eine Bodenreform nur für wenige denkbar erscheint - solange werden die unterschiedlichsten Formen des Transfers städtischen Geldes notwendig bleiben.
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Was kann der Staat dabei tun?
Angesichts der beim Hofkauf notwendigen erheblichen Vermögenswerte kann der Staat nicht den Gönner spielen und Interessierten einen Hof finanzieren. Deshalb braucht es vielfältige gesellschaftliche Initiativen: Vereine, Sponsoren, Stiftungen, die Neugründungen wieder möglich machen. Dennoch wird man den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen können. Hat er doch den bisherigen Wachstumspfad massiv unterstützt. Und viele Regelungen behindern unkonventionelle Formen des Neueinstiegs in die Landwirtschaft.

Folgende Vorschläge wurden gemacht:

  • Ausfallbürgschaft des Staates für die Pachtzahlung bei der "Leibrente". Dieser Vorschlag von Staatssekretär Griese aus dem NRW Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass Höfe auch aus Sorge um die Sicherheit der Altersversorgung nicht weitergegeben werden. Eine Bürgschaft des Staates könnte hier helfen das Risiko zu verringern und die Übergabe ganzer Höfe zu erleichtern.
  • Hofbörsen sollten gefördert und vernetzt werden. Engagierte Beamte auf den Ämtern, Kammern brauchen dazu mehr Arbeitszeit und Kompetenzen.
  • Schrittweise Gründungen von Höfen und "Quereinstieg" müssen möglich sein und nicht durch Einschränkung der Fördermöglichkeiten (Ausbildungsvoraussetzungen, schnelle Erreichung einer wettbewerbsfähigen Zielgröße) behindert werden.
  • Das Programm der landwirtschaftlichen Schulen muss über die reine Produktionstechnik hinaus ausgedehnt werden. Statt Neueinsteiger mit der Propaganda des "Wachsens oder Weichens" zu entmutigen, sollten sie hier lernen können, wie Höfe mit vielfältigen Einkommensmöglichkeiten bewirtschaftet werden können
  • Flächen der "öffentlichen Hand" (BVVG) sollten bevorzugt Neugründern zur Verfügung gestellt werden. Dabei kann der Staat ruhig einmal die privilegieren, die mit der Neugründung von Höfen eine Pionierarbeit leisten.
  • Nicht zuletzt ist eine in den Ämtern und Kammern weitverbreitete Haltung zu reformieren. Denn hier gilt jeder Einsteiger nur als lästiger Konkurrent um die Flächen, die doch der wachsende Betrieb so dringend nötig hat.

Die Tagung war ein guter Anfang. Doch nun beginnen die Mühen des Alltags. Die finanziellen, rechtlichen, aber auch sozialen Probleme müssen genauer bearbeitet werden. Es gibt eine Vielzahl von bisher gefunden Formen der Hofgründung, die untersucht und dargestellt werden müssen. Außerdem: Es braucht ein neues gesellschaftliches Klima, das Neugründungen und Fortführung von Höfen erstrebenswert macht. Das von Künast angekündigte "Aktionsprogramm Bäuerliche Landwirtschaft" könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten - wenn es von der Regierung ernst genommen und entsprechend ausgestattet würde. Öffentlicher Druck und Lobby Arbeit sind nötig.

Deshalb haben sich am Ende der Tagung Arbeitsgruppen gegründet, die dringend Unterstützung suchen.

 

 

Kontakt und weitere Informationen:
homepage: www.hoffinder.de
Dr. Götz Schmidt, Uni Kassel, FB 13, Nordbahnhofstr. 1a, 37213 Witzenhausen
EMail : goetz.schmidt@uni-kassel.de
Veranstaltungshinweis: Rahmenbedingungen für den Neueinstieg in Ostdeutschland
vom 03.-05.03.2003 in Kohren-Sahlis bei Leipzig.
Weitere Infos: Ute Rönnebeck, Evangelische Landjugendakademie, Dieperzbergweg 13-17, 57610 Altenkirchen, Tel: 02681-951622 Email: roennebeck@lja.de