Lebendige Erde 4/2003:

Berichte & Initiativen

Schrittweise weg von Hybriden

Eine Aktion bringt Naturlosthändlern Samenfeste Sorten nahe

Hybrid oder nicht Hybrid? Die Münchner Demeter- Verbaucherinitiative informierte über den Unterschied.
 

"Gelbe Rüben, Karotten und Möhren sind im Sprachgebrauch praktisch gleich. Was aber, wem Ihr Kunde fragt: "Samenfest oder Hybride?" Mit diesem Satz im Mitteilungsblatt von Naturkost Südbayern lud der Förderkreis für Umweltgesundung für BiologischDynamische Wirtschaftsweise in Münchens IntercityHotel. Ziel: Urteils und Tatkraft dafür hervorrufen, dass pflanzengemäß gezüchtete und dadurch ernährungskundlich wertvollere Möhren die richtige Wahl sind gegenüber Hybridmöhren. Abends nach Geschäftsschluss finden sich erfreulich viele Ladnerlnnen ein; dazu Gäste aus Erzeugung, Großhandel und Verbrauch.

Als Referent ist Dorian Schmid, Hauteroda, gekommen. Er beschränkt sich auf das Schildern allgemein verfügbarer Fakten über Hybriden. Das kommt eindringlich rüber, weil mitschwingt, dass da einer wenig sagt, dem mehr zugänglich ist. Die Darstellung der Manipulation von Erbanlagen wird als Tortur für die Pflanze erkennbar, läßt diese als etwas Lebendiges verstehen. Die wirtschaftlich-sozialen Aspekte, hier oligopolistische Konzerne, dort überwiegend kleinere, z.T. spendenfinanzierte Initiativen, finden im Kreis der Zuhörer positive Resonanz, sind ihnen doch Probleme mit "Großen" im Handel nicht neu. Es kommt zu einem spontanen Ko-Referat: Robert Dex, prominenter Chef eines Großhandelsringes findet begeisternde Worte dafür, dass uns Lebensmittel wirkliche Nährkraft geben sollen. Dazu brauchten wir Pflanzen, die von Grund auf biologisch gewachsen sind, und nicht schon im Keim durch bloße Agrotechnik verkommen.

Dann die erste Probe aufs Exempel: Die Gärtnerei Obergrashof, Dachau, hat Möhren zum Verkosten bereitgestellt. Alles Demeter, doch das wird lieber nicht eigens betont. Es beginnt mit samenfesten. Sie zeigen unterschiedliche Formen und Größen, die Verkoster lauter freudige Augen und Mundwinkel. Es schmeckt bis zum Schmatzen. Die anschließend dargebotenen Hybriden sind alle gleichförmig, schön nach handelsklassenästhetischen Gesichtspunkten. Beim andächtigen Kauen und Schmecken ringsum lustlose Gesichter. Kommentare: "geschmacklos," "wäßrig," ,"da braucht man ja gar nichts zum Trinken dazu".

In der lebhaften Qualitätsdiskussion keine wolkigen Worte von innerem Wert, die Glauben einfordern, weil konkrete Erklärungen fehlen. Durch Analysenwerte werden Geschmacksurteile wie "harmonisch süß" an samenfesten Möhren erhellt, wonach diese sich gegenüber Hybriden durch höherwertigeren Zucker auszeichnen. Auch Untersuchungen mit bildschaffenden Methoden werden erläutert: dass Hybride einerseits triebiger sind, andererseits schneller altern, als Ausdruck mangelnder Reife und damit minderer Vitalqualität.

Dann der Preis: Samenfeste Möhren erbringen um 20% geringeren Ernteertrag, müssten deshalb entsprechend mehr kosten. Zu hinterfragen, ob die Kalkulation für ein Qualitätsprodukt sich zwangsweise nach dem untersten Preis richten müsse, erscheint nicht angebracht; denn noch ist unklar, ob sein spontaner Zuspruch den Handel zum Handeln veranlassen wird. Die zweite Probe aufs Exempel liefert eine anfangs eher skeptische Einkäuferin vom Chiemgauer Naturkosthandel. Am nächsten Morgen ordert sie mehrere hundert Kilo "samenfest". Der Ökoring folgt prompt. Binnen weniger Wochen sind um die sieben Tonnen probeweise angebaute samenfeste Demetermöhren abverkauft. Ein Beweis, dass Qualität, deutlich gemacht, bei Handel und Verbrauch ankommt.

 

 
Wortfinderlohn für „natürlich fruchtbare beständige Sorte“
 

"Samenfest" ist zu wenig aussagekräftig für qualifizierte Kaufentscheidungen für Verbraucherinnen. Der Förderkreis stiftete deshalb einen "WortFinderlohn'. Dem Gewinner wird für "Natürlich fruchtbare beständige Sorte" an seiner Arbeitsstelle im BioMarkt ein Naturkostbeutel gefüllt mit 50 Münzen à einem Euro überreicht.
Die Entscheidung, Hybridmöhren ja oder nein, ist in den Demeter-Richtlinien so freilassend, dass sie in der Praxis als Zulassung wirkt. Als bestimmend zu betrachten sind dabei als Zwänge hingenommene wirtschaftliche Gesichtspunkte. Freilich nur solche, wie sie für "no name"-Massenware typisch sind, nicht aber für qualitätsbetont angebotene Premiumprodukte. Die Folge sind Produzenten mit gemindertem Qualitätsstreben und Verbraucher mit mangelhafter Qualitätsorientierung. Und eine abzusehende Spirale hin zum billigsten, namenlosen Auchnoch-Bioprodukt, zu dessen Preis weder biologisch-dynamisch gearbeitet, noch ein Verbandsbeitrag erwirtschaftet werden kann.

Die Antwort zu der zwar geistigen, aber wirtschaftlich beeinflussten Frage, ob sich Hybridmöhren mit biologisch-dynamischen Grundsätzen vereinbaren lassen, kann eine geistig-qualitativ orientierte wirtschaftliche Lösung sein: Verbraucherinnen das Mehr biologisch-dynamischer Qualitätsleistung unmittelbar zum Produkt kommunizieren, auch mit Mut zum Alleinstellungsanspruch! Als gemeinsame Arbeit mit dem Handel, vor allem für Erzeuger, die allein außer Stand sind, ihre Demeterqualität als Wert im Markt umzusetzen. Qualitätsanforderungen großer Verarbeiter wird erforderlichenfalls ohne Demeter-Deklaration zu entsprechen sein. Mittlerweile verlangt ein Antrag des Förderkreises, die Zulassung von Hybridmöhren in den Demeter-Richtlinien bis 2010 zu befristen, konsequentes Handeln. Einer der leitenden Gärtnermeister vom Obergrashof warnt aus Kenntnis der Realität: Es müssen rechtzeitig zielgerichtete Schritte erfolgen, Informationsarbeit direkt an der Basis. Sonst komme es bei Auslaufen der Zulassung zu einem bösen Erwachen. Beim Wort genommen, soll er nun punktuell auf regionalen Treffen mit AnbauerKollegen, Handel und Verbrauch dahin arbeiten, Möhren in ehrlicher Demeterqualität den ihnen gebührenden Platz zu sichern.

P.S Die Folgen eines Feuers auf dem Obergrashof setzen jetzt unvorhergesehene Prioritäten. Dennoch müssen sich Menschen finden, die von dort eingeleitete Erdwicklung fortzuführen.

Horst Habisreitinger