Lebendige Erde 5/2003:

Berichte & Initiativen

PETRARCA

Eine Europäische Akademie für Landschaftskultur

Eine vielfältige Kulturlandschaft entsteht heute nicht mehr „nebenbei“, auch nicht bei Umstellung auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, sondern nur noch, wenn sie gewollt ist und bewusst an ihrer Entwicklung gearbeitet wird. Diese Überlegung war einer der Ausgangspunkte für Petrarca, die Europäischen Akademie für Landschaftskultur, die in Anknüpfung an die Internationale Tagung „Die Kultur der europäischen Landschaft als Aufgabe“ in Dornach/Schweiz im Oktober 2000 gegründet wurde. Die Akademie ist eine unabhängige, nicht-staatliche Organisation, die als dezentral arbeitende internationale Stiftung mit Sitz am Louis Bolk Institut, Driebergen/NL registriert ist (www. petrarca.info). Eine Institutionalisierung in Deutschland ist soeben als „e.V.“ erfolgt; der Vorstand besteht aus Sonja Schürger, Laurens Bockemühl und Thomas van Elsen.

Methoden entwickeln
Bisher konzentrierte sich die zunächst interne Arbeit auf die Vertiefung methodischer Ansätze. Vor der Gründung von Petrarca bildeten die von Jochen Bockemühl begründeten Dornacher „Landschaftswochen“, die u.a. in Berlin, Dresden, Taliandörögd (Ungarn), Malitzsch (Sachsen), Kaluga (Rußland) und in Lom (Norwegen) stattfanden, ein Übungsfeld. Zusammen mit an den jeweiligen Orten tätigen „Landschafts-Initiativen“ wurden methodische Schritte erübt, die zu einer Erweiterung herkömmlicher landschaftsplanerischer Ansätze führen (Bockemühl 1992, Pohlmann 1999). 2002 fand die Landschaftswoche erstmals als Petrarca-Veranstaltung statt – Thema war die Landschaft zweier Demeterhöfe in den Vogesen, die mit ihren Nutztieren aktiv die zuwaldende Gebirgslandschaft gestalten. Im Sommer 2003 ist die Landschaftswoche in Schottland unterwegs.

Biohöfe begleiten
Als ein Arbeitsschwerpunkt von Petrarca entwickelt sich die partizipative Begleitung von Biohöfen, deren Bewirtschafter – über die Produktion gesunder Lebensmittel hinaus – das Anliegen haben, in ihrem Einflussbereich eine vielfältige und ästhetisch intakte Kulturlandschaft zu entwickeln. Mittels Landschaftsseminaren unter Beteiligung möglichst vieler Akteure wird eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ angestrebt, die die Beteiligten in die Lage versetzt, Aspekte für die Gestaltung und Weiterentwicklung „ihrer“ Kulturlandschaft zu erarbeiten. Ziel ist, Hofbeispiele zu schaffen, die eine stärkere Integration von Naturschutzzielen in den Ökologischen Landbau verwirklichen und damit einen hofindividuellen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der europäischen Landschaften leisten. Der Aufbau eines persönlichen Verhältnisses der Menschen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb zu der von ihnen bewirtschafteten und gepflegten Natur ist dabei ein Schlüssel, um Keimzellen für eine nachhaltige Landschaftsentwicklung aufzubauen. Beispiele für eine bereits mehrjährige Landschaftsarbeit sind die von Sonja Schürger mit der Betriebsgemeinschaft der Bioland-Ranch Zempow durchgeführten Kurse zur Landschaftsästhetik sowie Seminare mit Thomas van Elsen u.a. auf dem Adolphshof (Hämelerwald) und dem Hof Medewege (Schwerin), die an konkreten Landschaftsfragen der Hofgemeinschaften anknüpfen (van Elsen et al. 2003).

 

 
 

Namensgeber der Akademie ist der italienische Dichter und Humanist Francesco Petrarca (1304-1374). Seine Schilderungen von Landschaft stellen einen bewusstseinsgeschichtlichen Meilenstein dar, indem die Natur – nicht die in Einzelheiten zerfallende Gegenstandswelt – als Ganzes in Form der Landschaft, also sinnlich sichtbar, umliegend erfasst wurde. Das Ganze einer Landschaft, die Natur einer Sache, ihr Wesen, ihr Charakter waren zuvor als an der Natur gewonnene Anschauung unzugänglich; die Theorie der Ganzheit spielte sich in den Schulen, in der Zelle des Klosters und im Grunde der Seele ab. Mit der Anschauung der ganzen Natur als Landschaft aber eröffnete Petrarca eine neue Form ganzheitlichen Erkennens. Landschaft ist die Natur, die im Anblick für einen fühlenden und empfindenden Betrachter ästhetisch gegenwärtig ist. Landschaft wird erst, wenn sich der Mensch der Natur mit seinen Sinnen ohne praktischen Zweck in „freier“ Anschauung zuwendet (Ritter 1962/78).

 

 

 

 

Literaturhinweise:
Bockemühl, J. (Hrsg.) (1992): Erwachen an der Landschaft. – Verlag am Goetheanum, Dornach, 320 S.
van Elsen, T., Schürger, S., van Mansvelt, J. D. (2003): Landschaftskultur durch Ökologischen Landbau – eine Perspektive von Petrarca, der europäischen Akademie für Landschaftskultur. Beitr. 7. Wiss.-Tagung zum Ökol. Landbau: 161-164, Wien. Download unter: www.wiz. uni-kassel.de/foel/WissTagg_Petr.pdf
Pohlmann, K. (1999): Innerliches Hineingehen. Zum Landschaftsansatz von Jochen Bockemühl. In: Arncken, T., Rapp, D., Zehnter, H.-C. (1999): Eine Rose für Jochen Bockemühl. Sondernummer der Elemente der Naturwissenschaft: 82-85, Dornach.
Ritter, J. (1962/78): Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft. In: Gröning, G., Herlyn, U. (1996): Landschaftswahrnehmung und Landschaftserfahrung. Lit-Verlag, Münster: 28-68