Lebendige Erde 6/2003:

Berichte & Initiativen

Tierschutzpreis an zwei Demeterbetriebe

Bundespräsident Rau fordert eine artgerechte Tierhaltung

Christin und Herrmann Till, Ingrid und Rolf Duensing-Knop
 

"Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe, die wir heute auszeichnen, zum Vorbild werden", so der Wunsch des Bundespräsidenten Johannes Rau in seinem schriftlichen Grußwort an die Preisträger des Pro Tier-Förderpreises. Er wurde am 23. September erstmalig von der Allianz für Tiere (AfT) für eine artgerechte Nutztierhaltung vergeben. Die Preisverleihung fand auf dem Demeterhof des ersten Preisträgers, der Familie Schmid in Aalen-Westhausen statt.

Der Bundespräsident forderte weiter, dass "die 140 Millionen Nutztiere, die es in Deutschland gibt, artgerecht gehalten und gefüttert werden und dass die Landwirte von den Erträgen trotzdem leben können." Außerdem kritisierte er die derzeit herrschende Preispolitik: "Lebensmittel, die krank machen, können noch so billig sein. Sie sind ihren Preis nicht wert. Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für Qualität von Nahrungsmitteln." Am Ende forderte er die traditionellen landwirtschaftlichen Betriebe auf, naturnäher, umwelt- und tiergerechter zu wirtschaften.

Beim Pro Tier-Förderpreis haben sich achtzig Betriebe beworben. 17 davon kamen in die engere Wahl und wurden von Vertretern der AfT besucht. Am Ende wurden vier Preise mit insgesamt 10.000 Euro vergeben. Davon ging der erste Preis (4.000 €) an den Hof Schmid, drei zweite Preise mit jeweils 2.000 Euro an einen weiteren Demeterhof der Familie Till in Schluchsee, eine Bioland-Teichwirtschaft in Grambek (Schleswig-Holstein) und einen konventionellen Neuland-Betrieb in Rodewald (Niedersachsen).
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Vorbildliche Hühnerhaltung und -aufzucht: Demeterhof Schmid
 

Hühner in der Voliere
Bei seiner Begrüßung unterstrich Demeter Landwirt Manfred Schmid, dass er sich entschieden hat, die Landwirtschaft nicht nach der Schullehre zu betreiben: "Bei uns ist die Spezialisierung eine Vielfalt mit Geflügel, Kühen und Schweinen. "Die rund 3.000 Legehennen führen auf dem 100 Hektar großen Betrieb ein glückliches Hühnerleben. Sie dürfen scharren, in Kuhlen baden und ihren Stall verlassen, wann immer sie Lust dazu haben. Vor drei Jahren wurde dazu ein aufwändiger tiergerechter Öko-Volierenstall gemeinsam mit einem schweizer Konstrukteur gebaut. In der Mitte ist ein isolierter Kern mit Voliere und Legenestern. Im Süden und Norden ist je ein Wintergarten mit Auslauf angebaut. Er wird mit Hackschnitzeln eingestreut. Gemistet wird einmal die Woche mit praktischen Laufbändern. Erfolge spielten sich schnell ein: Zum Beispiel legen die Hühner fast zu hundert Prozent ihre Eier in die Nester. Aufwändiges Nachsammeln entfällt. Überhaupt strahlen die Tiere eine außerordentliche Ruhe und Gelassenheit aus. Sie verließen nicht einmal ihre Stangen, als bei einem Hofrundgang Besucher durch die Stalltür blickten. Auf dem Demeterhof leben die Landgockel etwa drei- bis viermal so lang wie zum Beispiel "Batterie"-Hähnchen. Das fördert nach der Erfahrung von Manfred Schmid erheblich den Geschmack und die Fleischqualität. Auch Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, lobte bei seiner Laudatio: "Auf diesem Hof stimmt etwas, das andernorts vielleicht verloren gegangen ist. Es ist eine haltungstechnisch ausgereifte Alternative zur Käfighaltung und funktioniert auch in ökonomischer Hinsicht."

Eigene Kükenaufzucht
Eine weitere Besonderheit ist die Verbindung von Zucht und Mast. Eintagsküken werden auf dem Hof großgezogen und bleiben dort bis zur Schlachtung, die in eigenen Schlachträumen stattfindet. Bei der Kükenaufzucht müssen besonders Hygiene, Wärme, Licht und Raumtemperatur stimmen. Die Tiere dürfen keine Zugluft abbekommen, brauchen jedoch genügend Frischluft. Dass es bei den Küken von Gockeln und Landhühner zu Ausfällen von nur maximal zehn Prozent kommt, ist der langjährigen Erfahrung des Demeterlandwirts zu verdanken. Bei der Putenaufzucht liegen die Ausfälle manchmal etwas höher. Die Küken werden mit einem speziellen biologischen Putenstarter gefüttert. Vermarktet wird über Wochenmärkte, Großküchen und Naturkosthandel. Auf dem Demeterbetrieb leben noch Enten, Gänse, Mutterkühe mit Nachzucht und Schweine. Alle haben Zugang zum Freien. Der Betrieb ist außerdem der erste Kneipp-Gesundheitshof in Baden-Württemberg mit speziellen Kneippanlagen und sieben Ferienwohnungen für Gäste.

Bei Tills überleben Hinterwälder
Der Demeterhof der Familie Till erhielt einen der zweiten Preise. Er liegt auf 1.000 Meter Höhe im Südschwarzwald. Auf dem rund 60 Hektar großen Grünlandbetrieb wird besonderer Wert auf den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Hinterwälder Rinderrasse gelegt. Davon gibt es in Deutschland nur noch rund 2.000 Tiere. 25 Kühe mit Nachzucht und einem Stier leben auf dem Hof der Familie Till. Außerdem wurde ein dem Gelände angepasster besonders tiergerechter Boxen-Tiefstreulaufstall aus Rundholz gebaut. Die Familie setzte sich dabei mit allen Kräften ein. Heute leben in dem 20 x 30 Meter großen vorbildlichen Stall Kühe, Milchziegen, Schweine und Pferde in Tiefboxen mit Festmistmatratzen und Stroheinstreu zusammen. Die Liegeboxenabtrennungen sind aus Holz und beweglich. Aus Gründen des Ttierschutzes und weil die Kühe Hörner tragen, sind die Gänge breiter als vom Gesetz verlangt. Die Tiere haben auf einem Balkon und auf der Weide Auslauf. Prof. Gottwald lobte besonders "die Rarität", dass nur einmal am Tag gemolken wird, und der Hof trotzdem wirtschaftlich arbeiten kann. Die Kälber können so bis zu vier Monate an ihren Müttern trinken. Die Milch wird zu Käse verarbeitet und mit dem Fleisch direkt auf dem Hof und in einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft vermarktet.
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Einsatz zum Erhalt alter Rassen - des Hinterwälder Rindes: Demeterhof Till
 

Artgerechte Haltung: Verbraucher
honoriert es nur begrenzt Karl Ludwig Schweisfurth, Initiator der AfT, überreichte die Urkunden. Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, freute sich besonders darüber, dass es das sonst in der Käfighaltung übliche Kürzen der Schnäbel beim Hof Schmid nicht gäbe. Außerdem verwendeten alle Preisträger nur Futter ohne Leistungsbeschleuniger und ersparen den Tieren quälende Tiertransporte. Er rief die Verbraucher zur Mithilfe auf, die höheren Preise dafür zu akzeptieren. Dr. Angelika Zahrnt, Vorstandsvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kritisierte den Preisverfall der Erzeugerpreise besonders durch Lebensmittelketten und Discounter. Da aber Verbraucher diese Produkte kaufen, würden immer noch Ställe für zehntausende von Legehennen, Enten oder Mastschweinen gebaut. Dr. Zahrnt beglückwünschte alle Preisträger und ihre Kunden: "Denn nur gemeinsam praktizieren sie den Einstieg in den Ausstieg der industriellen Tierproduktion".

Am Ende der Veranstltung forderte Jutta Jaksche, Verbraucherzentrale Bundesverband, Verbraucher wie Politiker zum Handeln auf: "Eine große Mehrheit der Verbraucher will, dass Tiere artgerecht gehalten werden. Dennoch steigt die Nachfrage nach billigen Lebensmitteln aus dem Supermarkt." Sie forderte eine transparente Erzeugung, regionale Vermarktung und verbindliche Kennzeichung der Produkte.

Iris Mühlberger
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Betriebsspiegel Schmid

Familie Schmid, Hofweg 4, 73463 Westhausen, Tel. 07363/4986, Fax 7349

  • Demeter seit 1984
  • 100 ha, davon 52,5 Acker, 32 Grünland, 15 Wald, 0,5 Hofanlage
  • Boden: sandiger Lehm, Bodenpunkte 30-60
  • Futter: 80% eigenes Demeterfutter (Getreide, Erbsen), dazu 20% Öko-Geflügelergänzer (Ölsaatexpeller, Grünmehl, Maiskleber, Kartoffeleiweiß)
  • 3.000 Legehennen (Rasse Lohmann Silver, langsam wachsend) im Mehrklimazonenstall, 2,4 ha Weide, 1.000 Junghennen in Bodenhaltung mit Auslauf, 250 Mastputen und mehrere Gruppen Landgockel mit je 400 Tieren im Mobilstall mit Weidegang, saisonal 600 Mastenten und 600 Mastgänse in Weidehaltung mit Pferchen aus Stroh-Quaderballen
  • 30 Mutterkühe (Fleckvieh) im Tiefstreu-Laufstall mit Weidegang im Sommer, ein Angus-Zuchtbulle
  • 50 Mastschweine im eingestreuten Mehrraum-Laufstall mit Schweinedusche
  • Geflügel wird im eigenem Schlachtraum am Hof geschlachtet., alle anderen Tiere beim örtlichen Metzger
  • Vermarktung: selbst, über Wochenmärkte, Großküchen und im Naturkosthandel.
  • 7 Ferienwohnungen, Sauna, Dampfbad, Kneipp-Anlage

Betriebsspiegel Till

Familie Till, Äule 9, 79859 Schluchsee, Tel. 07656/1792, Fax 9102

  • Demeter seit 1988
  • 62 ha, 58 Grünland, 1 Acker, 2,5 Ödland, 0,5 Hofanlage
  • Boden: Hof auf 1.000m Höhe, lehmiger Sand, Bodenpunkte 18-28
  • Futter: Grundfutter Heu eigen, rund 1-2% Getreidezukauf (Demeter, Bioland)
  • 25 Hinterwälder Kühe mit ebensoviel Nachzucht im Rundholz-Boxenlaufstall mit Auslauf und Weidegang, eigener Stier, 15 Milchziegen (Sommer-/ teilw. Winterweide), 20 Mastschweine (Kreuzungen robuster Rassen) mit Weide, 2 Pferde, wenig Hühner
  • Vermarktung: über Hofladen und Demeter-Assoziation Freiburg (Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft), hofeigene Käserei
  • Schlachtung in nahe gelegener Metzgerei und Privatschlachthof