Lebendige Erde 3/2001:

Editorial

Lebensmittel für die Region statt für den Weltmarkt

BSE zwingt zur Agrarwende, Maul- und Klauenseuche erfordert regionale Begrenzung in der Agrarwirtschaft.

Anonyme Einheitslandwirtschaft mit Spekulieren auf den Weltmarkt hat, so scheint es, als Konzept ausgedient. Doch was ist das, eine Region? Ist Wieder-Regionalisierung wirklich sinnvoll? Und, passt das noch zum Ökologischen Landbau, dessen Warenverkehr schon längst Grenzen und Kontinente überschreitet, wenn im Supermarkt Öko-Äpfel aus Argentinien angeboten werden und im Bioladen Mangos aus Indien.

Region ist ein unscharfer Begriff, sieht man von politischen Grenzen ab: wo fängt z.B. eine Landschaft an, wo hört sie auf? Region ist ein relativer Begriff, der subjektive Umkreis wandelt sich von Ort zu Ort. Dennoch, Region ist, wo man sich kennt, Lebens- und Wirtschaftszusammenhänge annähernd überblickt, etwas bewegen kann. Regionen unterscheiden sich, sie haben verschiedene Qualitäten, naturräumlich wie kulturell. Biologisch-dynamisch betrachtet wirken die verschiedenen ätherischen Kräfte je nach Gegend in einer anderen "Mischung". Auch im allgemeinen Landbau findet das seinen Ausdruck, man denke an regional bevorzugte Feld- oder Dauerkulturen, Pflanzensorten oder Tierrassen. Hat das Bedeutung für die Ernährung, sich mit Lebensmitteln regionaler Herkunft zu ernähren? In kultureller Hinsicht sind regionale Spezialitäten meist verwässert. Wer glaubt noch, dass im Frankfurter Würstchen vor allem Fleisch aus Südhessen drin ist?

Doch so klar die kulturelle Identität für eine stärkere Regionalisierung spricht - global sind die Märkte, heißt es überall. Gilt das auch für die Landwirtschaft? Die Monokultur des EU- und Weltmarktes wird in Zukunft einer multifunktionalen Landwirtschaft weichen, so verhandelt es sogar die europäische Politik gegen die USA. Schon lange gibt es Förderprogramme für Regionen, um die Menschen auf dem Land zu halten - im Sinne eines Stadt-Land-Ausgleichs. Auch die mittelständische Wirtschaft entdeckt die Region: der Wirtschaftsstandort könnte insgesamt durch mehr Verknüpfung gestärkt werden.

Doch schwingt nicht auch ein neuer, ökologisch motivierter Provinzialismus mit, Regionalisierung als Rezept gegen Globalisierung? Die Gefahr besteht durchaus, doch hat der Focus auf die Region auch eine gewisse Berechtigung: Wer mehr von der Welt kennt, wie viele Menschen in den reichen Ländern, lernt wieder seine Wurzeln schätzen, und wer seine Wurzeln kennt, kann anderen etwas geben. Das gilt für geistig - kulturellen Austausch wie für Lebensmittel. Tee und Kaffee möchte keiner missen, ebensowenig vielleicht wie andere Coca Cola. Oft ist der Export Anreiz für ökologischen Landbau, gerade bei den ehemaligen "Kolonialwaren", doch gehen sowohl in fernen Regionen als auch hier von einer gesundend wirkenden Landwirtschaft Impulse aus, die zur lokalen Entwicklung beitragen: ökonomisch, sozial, kulturell.

Das geht nicht von selbst, auch in der Öko-Branche wirken die klassischen Marktvorstellungen des "Wachse oder Weiche". Es kommt also darauf an, wieviel uns, ob Landwirt, Händler oder Konsument, die konkrete Beziehung wert ist.

Ihr
Michael Olbrich-Majer