Lebendige Erde 5/2002:

Editorial

Wiesen, Weiden, Wahlen

Gleich vorneweg: der Schwerpunkt unseres Heftes "Grün-land" muss nicht als Wahlempfehlung gedeutet werden. Dennoch entscheiden diese Wahlen auch, ob die Agrarwende weiter geht, oder ob eine überkommene Art der Landwirtschaft nun noch mit Gentechnik verteidigt wird, gegen die Interessen von Verbrauchern und Landwirten, die zu mehr als 70% die grüne Gentechnik ablehnen.

Das besondere der Wiese ist das Licht - dem Wanderer, der aus dem Walde tritt, ist das der erste Eindruck. Waren Lichtungen in der Vegetation Mitteleuropas ursprünglich auf Auen, Moore und Hochflächen beschränkt, hat der Mensch mit der Zeit eine vielfältige Kulturlandschaft durch Rodung, also Ausdehnen der Lichtung entwickelt. In den Mittelgebirgen ist das Miteinander von Wald und Wiese noch erlebbar. Und ich habe sogar noch Kühe im Wald weiden gesehen, früher gab es auch die Eichelmast der Schweine, heute Laubheu für manche Demeter-Kuh. Wiesen und Weiden ermöglichen eine größere Vielfalt als Äcker, sie sind eben oft auf Standorten, wo Ackern nicht geht. Die Weidenutzung ermöglicht dem Menschen auch hier die Erzeugung von Nahrung. Die feuchten, nassen oder trockenen und halbtrockenen Stellen bergen Lebensraum für zahlreiche Arten - Grünland ist für den Naturschutz in der Regel interessanter als die Feldflur.

Doch ist auch auf den Wiesen nicht mehr alles im grünen Bereich. Als ich neulich nachts mit der Bahn durch Niederbayern fuhr, kam ich mir vor wie im Magen einer Kuh - obwohl die Fenster geschlossen waren. Intensive Weidewirtschaft macht aus den wechselvollen Wiesen und Weiden Grasäcker, für Erholung, Naturschutz und Landschaft uninteressant, im Extrem nicht einmal tiergerecht. Gleichzeitig sinken die Milchpreise und Futter vom Acker, Mais, wird höher prämiert als die Nutzung von Gras, Klee und Kräutern. Da, wo die Menschen nicht mehr vom Grünland leben können, breitet sich Gebüsch aus, fasst der Wald Fuß.

Diese Trends machen auch vor den Wiesen und Weiden im Ökolandbau nicht halt. Noch schneiden diese hinsichtlich der Nachhaltigkkeit deutlich besser ab als konventionelles Grünland (siehe Haas in LE 1-2002). Doch sinkende Preise, zunehmend konventionelle Fütterungstechniken und überzüchtete Kühe erzeugen auch hier Druck auf die Höfe.

Im Grünland stecken allerdings Reserven für den Ökobetrieb, die oft - vor lauter Ackerbau und Feldgemüse - vernachlässigt werden. Darauf will dieses Heft aufmerksam machen. Konsequente Fütterung, eigene Züchtung und gründliche Grünlandwirtschaft können den Betriebserfolg verbessern, wenn die Vermarktung stimmt.

Aber der Markt für tierische Ökolebensmittel, besonders Fleisch etc. muss weitgehend noch auf- und ausgebaut werden, zuviel muss noch konventionell vermarktet werden - schade drum. Und man muss den Preisvorteil für konventionelle Futterpflanzen abbauen, z.B. mit einer entsprechenden Grünlandprämie.
Womit wir doch bei der Politik gelandet sind. Das Aktionsbündnis Ökolandbau befragte am 31. August in Hannover die Parteien zum Ökolandbau. Ein Resumee der schriftlichen Antworten vorab lesen Sie auf S. 5.

Ihr
Michael Olbrich-Majer