Lebendige Erde 1/2004:

Editorial

Wahre Kosten = faire Preise

Die Krise der Landwirtschaft hat auch den Ökolandbau erreicht. Der Schub aus der Agrarwende trifft auf die üblichen Marktstrukturen: big scale - die großen Mengen werden zum Maßstab, mit Folgen für die Erzeugerpreise: sie sinken. Biolandwirte werden auch 2003 zum zweiten Mal in Folge ca. 15% weniger als im Vorjahr verdienen, diese Schätzung war noch vor der Dürre. Ökonomisch betrachtet schneiden Ökolandwirte im Durchschnitt inzwischen schlechter ab als konventionelle. Sogar die Demeter-Landwirte bleiben nicht verschont. Aus der Sicht der Biobauern ist oft der Verbraucher verantwortlich, der Lebensmittel zu wenig wertschätzt und lieber dreimal Urlaub macht, und natürlich die abnehmende Hand, die Verarbeiter, der Großhandel... Aus Verbrauchersicht verprasst die Landwirtschaft Subventionen, blockiert EU und WTO und schafft dennoch kein Vertrauen in ihre Erzeugnisse. Auch die Ausweitung des Biomarktes reicht bei weitem nicht an die Erwartungen der Agrarwende heran: Bioprodukte sind im Schnitt deutlich teurer als normale, zumal wenn man sie mit "no name"- Produkten, nicht mit Markenartikeln, vergleicht. Aber mit diesem Preisbewusstsein wirtschaften viele Verbraucher.

Maßstab ist für die meisten Menschen nach wie vor eine Landwirtschaft, die immer industrieller wird und trotz aller Ökoauflagen immer weniger nachhaltig. Die Konsumenten beurteilen Ökolebensmittel nach dem Aufpreis auf die Produkte aus industrieller Landwirtschaft und messen daran den Mehrwert. Doch ist dabei den Wenigsten klar, dass sie nicht nur bei den Lebensmitteln für die Landwirtschaft zahlen, sondern auch über ihre Steuern deren Subventionen mittragen. Allerdings kommt von den Subventionen beim Bauern am wenigsten an: es profitieren einzelne Bereiche der "Agrarwirtschaft" - und es werden die Verbraucherpreise niedrig gehalten. Für Umweltfolgen wird dann gesondert zur Kasse gebeten, z.B. für Wasseraufbereitung und Landschaftspflegeprogramme, Giftkontrollen. Für verschwundene Vogelarten, Klimabelastung und andere schwer monetarisierbare Effekte bekommt bisher niemand eine Rechnung. Wer Ökolebensmittel kauft, bezahlt aus eigener Tasche, was Landwirtschaft eigentlich allgemein leisten sollte. Demnächst finanzieren Biokunden auch noch die Folgekosten der Grünen Gentechnik; die bisherigen Modelle der "Koexistenz" bürden die Reinhaltung den Ökobauern auf, nicht den Verursachern.

Dabei macht es der Ökolandbau vor, wie Landwirtschaft die Gesellschaft weniger kostet: er ist auf allen Ebenen nachhaltiger als konventionelle Landwirtschaft: bei Bodenfruchtbarkeit, Natur- und Ressourcenschutz, Energieeffizienz, schafft Arbeitsplätze, macht Exportsubventionen überflüssig - nur halt noch zu "klein". Im Wachstum jetzt mit den Strukturen konfrontiert, die die Misere der Landwirtschaft mitverursacht haben und nach wie vor die Agrarwirtschaft bestimmen, bleiben den Ökobauern zwei Maßnahmen, um sich aus der Klemme zwischen Qualitätsanspruch und Industrialisierungsdruck zu winden: Sie müssen neue Formen der Zusammenarbeit am Markt erproben, regional. Und, die Lebensmittelpreise müssen die tatsächlichen Kosten abbilden, auch die auf die Allgemeinheit ausgelagerten. Nur, wenn direkt mit dem Kauf konventionell erzeugter Nahrungsmittel auch die externen Folgekosten ihrer Erzeugung bezahlt werden, sind die Preise für Ökolebensmittel und konventionelle überhaupt vergleichbar. Das kann u.a. über eine Stickstoffsteuer, wie sie Nachbar Frankreich erwägt und eine Steuer auf Pestizide geschehen. Sonst bleibt es weiterhin Wettbewerbsverzerrung. Und auch eine echte Ökosteuer hilft hier - denn der regionale Maßstab zählt nur deshalb wenig, weil die Transportenergie so billig ist.

Also, Demeter- und Ökobauern: werbt für das Verursacherprinzip!

Ihr
Michael Olbrich-Majer