Lebendige Erde 2/2004:

Editorial

Der Markt sind wir!

Ökonomie wird oft als Ohnmacht buchstabiert. Doch statt am als anonym erlebten Markt zu leiden, hilft vielleicht eine andere Sicht: So lassen sich die Worte von Ex-US-Präsident Clinton – „It´s the economy, stupid”, Auf die Ökonomie kommt´s an - auch andersherum auffassen: Der Markt sind wir! Wir, als ganze Menschen, in der Rolle als Verbraucher, Hersteller Händler oder Landwirt bestimmen nicht nur, was mit unserem Geld geschieht, sondern setzen auch Prioritäten, welche Lebensqualität wir mit unserem Wirtschaften fördern wollen: ökologische, regionale, faire Erwerbsgrundlagen, geistig- seelische Entwicklung, und vieles andere. Letztendlich entscheiden sowohl meine Nachfrage als auch mein Angebot, wen ich anspreche, mit wem ich an einem Strang ziehe.

Dazu gehört aber eine Art gegenseitige Vereinbarung: Transparenz, nicht nur des Endproduktes ist als Grundlage erforderlich. Wieweit die geht, ob als Extra-Cent für die Saatgutzüchtung wie bei Erdmannhauser, Alnatura oder beim Obergrashof, als Pluspunktesystem für besondere Erzeugungsmerkmale (Eosta), ob als gut präsentierter Hofladen mit Schnuppern im Stall etc. oder ob sie bis zur Offenlegung des Bedarfs in einer Landwirtschaftgemeinschaft (CSA) reicht: für was brauche ich Geld und für was möchtest Du es ausgeben - das muss irgendwie besprochen werden. Generell gilt für Preise und Mengen: hier gibt es kein Naturgesetz – hier kommt es darauf an, was ich dem anderen vermitteln kann.

Zum Beispiel zu Qualität. Im Hofladen eigentlich kein Problem, aber auch hier kann mehr Flagge gezeigt werden, z.B. mit erkennbar Mitteln darauf hinweisen, dass man zu Demeter steht. Und wie sieht es im Handel aus? Kunden lassen sich kaum erziehen oder aufklären, jedenfalls nicht durch Papier und Kampagnen. Aber man kann ihnen etwas bieten: Durchblick beim Einkauf, Kompetenz, Empfehlungen, Erlebnisse, Stimmung, Geschmack, Gespräch...

Alles Eigenschaften, die nicht im oder am Endprodukt haften, ein Kontrollstempel reicht hierfür nicht. Man könnte auch sagen: nichts verkauft sich von selbst. Erinnern Sie sich noch an die „alte” Lebendige Erde? Die war auch interessant, doch ich wette, Sie lesen sie in der jetzigen Form lieber. Warum? Weil wir Mühe und Gedanken darauf verwenden – wie wir Ihnen etwas „rüber” bringen! Letztendlich steckt also in der Qualität ein kultureller Faktor. Bei Biologisch-Dynamischer Wirtschaftsweise sowieso, denn darin liegt ihr Ziel, und beim Verkauf von Demeter- Lebensmitteln gehört dieser Faktor entsprechend und an-sprechend dazu! „Demeter- Aktiv Partner” werden sich demnächst darum bemühen.

Es reicht nicht, Feld und Stall in Schwung zu halten. Ob als Erzeuger, Verarbeiter oder Händler: ich muss mich fragen, für wen mache ich das? Und vielleicht erkenne ich, dass ich neue Prioritäten oder Verstärkung brauche, oder Arbeitsteilung bzw. Zusammenarbeit, um mehr von denen zu verstehen, um die es mir geht, um die zu erreichen, die meine Arbeit mittragen. Vielleicht auch weniger (r-)ackern, mehr Lebensqualität anstreben. All das geht nur, wenn man seine Tätigkeiten in ihrem kulturellen Zusammenhang begreift und so gestaltet.

Mit der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise ist vieles angelegt, um genau diese Brücke zu schlagen: Gewähren Sie Einblick in die praktische Arbeit wie Züchtung, Hofverarbeitung, oder in Ihr Verständnis von Natur (das sicher anders ist als das von Gen-Ingenieuren), in Ihre Vorstellung vom Wirtschaften. Holen Sie die Kunden Sonntags zum Präparaterühren auf den Hof! Oder, als Naturkostgeschäft, laden Sie einen Demeter-Bauern/ eine Bäurin ein, die mit Kuh oder Ziege oder Rührbottich Demeter- Qualität anfassbar macht. Es geht nicht nur um Produkte, es geht um die Beziehung.

Es gibt viele gute Argumente für Demeter-Qualität. Einiges hierzu lesen Sie hier im Heft; doch ist, um andere anzusprechen, ein selbstverständliches Bewusstsein der eigenen Kultur gefragt: Ob mit Städtern, Abnehmern oder Finanziers... Reden wir mal über Qualität, ganzheitlich.

Ihr
Michael Olbrich-Majer