Lebendige Erde 2/2005:

Editorial

Michael Obrich-Majer

Eine Mark für's Ei?

Hühner runden den biologisch-dynamischen Betriebsorganismus ab, so ist noch vielerorts das Bild: neben Ackerbau und (Groß-) Viehzucht als Betriebszweigen gibt es auch noch ein paar Schweine, das ein oder andere Pferd und eben ein, zwei Dutzend Hühner. Das reicht für den Eigenbedarf eines Hofes. Wenn Kundennachfrage entsteht, lässt sich der ein oder andere Betrieb vielleicht dazu hinreißen schonmal 100 oder 300 Legehennen zu halten. Meist kümmert sich ein Praktikant oder Alternteiler dann drum, neben anderem. So bleiben die Hühner, von Mastgeflügel noch nicht zu sprechen, eher eine Nebensache, die mal mehr, mal weniger gelingt, selten aber wirtschaftlich ist.

Erst im letzten Jahrzehnt, als der Ökolandbau lernte, sich stärker am Markt auszurichten, entwickelten Ökoland­wirte auch die Hühnerhaltung zum Betriebszweig, nicht ohne intensive Diskussionen um die Prinzipien des Öko­landbaus wie eigene Futtergrundlage, Größe der Bestände etc. Der Ökolandbau ist da wie unsere Gesellschaft überhaupt zerrissen zwischen Romantik und Ökonomie. Hühner sind ein gutes Beipiel: Einerseits gibt es die Handvoll Hühner im Hinterhof oder die bunte Vielfalt und den Wert des Details bei Rassegeflügel, andererseits wirtschaftliche Konzentration, knallharte Ausbeutung der Kreatur (Käfige, Kükentötung) und extrem einseitige Züchtung: elf Linien bei Legehennen, drei Zuchtkonzerne weltweit. Der größte Ökobetrieb hält bereits mehrere zehntausend Legehennen.

So steht das Geflügel heute zwischen Liebhaberei und hochspezialisierter Produktion. Andere Wege sind schwer zu gehen und fordern vereinte Kräfte bei Fachwissen, Forschung, Futtermitteln, Züchtung und am Markt. Hennen, Hähnchen, Puten sind äußerst empfindliche Tiere, hier gibt es noch viele Schwierigkeiten zu meistern. Das macht auch einen eigenen Öko-Geflügelsektor so schwer. Bereits bei der Züchtung beginnt das: Eigentlich brauchte man ein Zweinutzungshuhn, und Naturbrut. Aktuell aber hat es gerade der erste Betrieb, in der Schweiz, geschafft, Öko-Küken für den Markt auszubrüten (vgl. LE 6-04: S. 42: Öko-Hühner).

Deutlich wird, wie schwierig der Kompromiss zwischen tiergerechter Haltung und Erzeugung für heutige Menschen und Märkte ist. Denn: Was darf ein Ei kosten - das ist die entscheidende Frage. Mit den dreißig Cent für gehobene Ökoware ist mehr Tiergerechtheit nicht drin. Mit mehr bewegen wir uns über der 50 Cent Marke. Wer ist bereit, soviel zu zahlen? Dennoch, auch ohne die weiteren Schritte gibt es überraschend gelungene Hühnerhaltung, wo auch der Bauer sich freut. Wer allerdings seine Hühner viel nach draußen lässt, hat seit neuestem ein Problem: den neuen Grenzwert für Dioxin. Der ist knapp bemessen und, je nach Exposition sind auch Ökobetriebe nicht gegen Umweltverschmutzung gefeit.

Ihr
Michael Olbrich-Majer