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Lebendige Erde 5/2001:ErnährungKann man auch zukünftig Lebensmittel ohne Gentechnik kaufen?Dr. Robert Hermanowski
Trotzdem ist es um das Thema Grüne Gentechnik in der letzten Zeit relativ ruhig geworden, da BSE und MKS die Medien ziemlich besetzt hatten. Grund genug, sich noch mal die potenziellen Gefahren vor Augen zu führen, die mit dem Einsatz der Gentechnik und Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung verbunden sind. Diese Gefahren werden von seriösen Befürworten der Grünen Gentechnik, wie Prof. Jany von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, auch gar nicht bestritten. Er hält jedoch diese Gefahren für beherrschbar Durch eine umfassende und sorgfältige Sicherheitsbewertung lassen sich Risiken minimieren, aber eine Technik mit dem Null-Risiko gibt es nicht.
Seitens des Ökologischen Landbaus ist die Kritik an der Grünen Gentechnik jedoch nicht nur an den potenziellen Gefahren und dem nicht nachgewiesenen Nutzen festgemacht. Vielmehr sind Gentechnik und Ökologischer Landbau zwei unterschiedlichen Systemansätze, die miteinander unvereinbar sind, wie dies die Übersicht S. 27 zeigt. In Befragungen wird immer wieder deutlich, dass ein Großteil der Verbraucherschaft den Einsatz der Grünen Gentechnik ablehnt und auf diese Weise erzeugte Lebensmittel nicht kaufen will. Für den täglichen Einkauf stellt sich die Frage, ob eine sorgfältige Kennzeichnung sicherstellt, dass derzeit die Verbraucher den Kauf gentechnisch veränderter Lebensmittel vermeiden können, falls sie dies möchten. Diese Frage muss klar verneint werden. |
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Kennzeichnung unzureichend Die sogenannte Novel-Food-Verordnung legt auf EU-Ebene fest, dass der Einsatz der Gentechnik dann gekennzeichnet werden muss, wenn im Endprodukt gentechnisch veränderte Organismen (GVO) nachgewiesen werden. Lebensmittel, die durch einen hohen Verarbeitungsgrad keine GVO mehr enthalten, sind nicht kennzeichnungspflichtig ebenso wenig wie Zusatzstoffe und Enzyme, die zwar durch oder mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden, aber keine GVO enthalten. Beispielsweise ist ein Maisöl, zu 100 % aus gentechnisch verändertem Mais, nicht kennzeichnungspflichtig, wenn das Öl von Eiweißbestandteilen gereinigt wird und deshalb keine GVO mehr enthält. Das gilt auch für Lecithin aus gentechnisch verändertem Soja (als Emulgator in vielen Lebensmitteln enthalten), wenn keine GVO mehr nachweisbar sind. Diese Regelung kommt in der Praxis einer Aufforderung zur Denaturierung von Lebensmitteln gleich, denn erst wenn alle Eiweiße durch intensive Bearbeitung zerstört sind oder durch entsprechende Filtrationsverfahren gereinigt wurden, kann der Hersteller sicher sein, dass eine absatzhemmende Kennzeichnung vermieden werden kann. Wie die Stiftung Warentest im vorigen Jahr nachgewiesen hat, befinden sich aber auch Produkte im Handel, die trotz beträchtlicher Anteile an nachgewiesenen GVO-Bestandteilen keine Kennzeichnung tragen, obwohl dies von der Novel-Food-Verordnung vorgeschrieben ist. Im Juli 2001 hat die EU-Kommission eine neue Regelung vorgeschlagen, die eine Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit bei Lebens- und Futtermitteln vorschreibt und damit dem Verbraucher erheblich mehr Information bietet, ob und wie die Gentechnik bei der Herstellung des Lebensmittels beteiligt war. Jedoch ist nicht vorgesehen, dass Fleisch von Rindern, die gentechnisch verändertes Futter gefressen haben, gekennzeichnet wird, so dass die Regelung als ein Schritt in die richtige Richtung zu werten ist, aber noch umfassender werden muss, um den Verbraucher ausreichend zu informieren (weitere Informationen: www.transgen.de).
Eine nationale Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit ermöglicht Herstellern, ihre Produkte mit dem Logo Ohne Gentechnik auszuloben, falls der Nachweis erbracht werden kann, dass keine GVO eingesetzt wurden. Obwohl laut Befragungen eine Mehrzahl der Verbraucher Produkte mit einer solchen Kennzeichnung im Vergleich zur Positivkennzeichnung bevorzugen würden, trifft man sie in der Praxis nicht an: Hersteller befürchten kritische Fragen, wenn nur ein Teil des Sortiments gekennzeichnet wird. Außerdem beinhaltet die Verordnung Unklarheiten, die eine Umsetzung zusätzlich behindern. |
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Nur Ökoprodukte sind sicher ohne Verwendung von Gentechnik Im Ergebnis bieten dem Verbraucher derzeit allein Öko-Produkte die Sicherheit, dass GVO nicht eingesetzt wurden. Die EU-Ökoverordnung schreibt detailliert vor, dass Gentechnik bei der Erzeugung und Verarbeitung nicht eingesetzt werden darf. Wie bei allen Regelungen der Verordnung ist die Einhaltung durch die Einbindung in das Kontrollsystem gewährleistet. Die Interpretation der Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne Gentechnik und der Konferenz der Kontrollstellen (siehe www.infoXgen.com/recht) stellt sicher, dass das Verbot der Gentechnik bei Öko-Lebensmitteln in der Praxis einheitlich umgesetzt wird. Dabei kann der Öko-Landbau jedoch nicht garantieren, dass Öko-Produkte absolut gentechnikfrei sind, denn er ist kein vollständig geschlossenes System. Belastungen von Öko-Produkten mit GVO können auf folgenden Wegen erfolgen:
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Die Biobranche versucht, die Wahlfreiheit der Verbraucher zu sichern Um diese Belastungen möglichst klein zu halten, hat die Bio-Branche neben vielen unternehmerischen Initiativen übergeordnet die Datenbank www.infoXgen.com gestartet. Damit wurde ein Internet-Marktplatz für Lebensmittelherstellung ohne Gentechnik aufgebaut. So kann ein Landwirt zum Beispiel erfahren, welcher Hersteller Futtermittel ohne gentechnisch veränderte Zusatzstoffe anbietet. Ein Safthersteller wird darüber informiert, welches Unternehmen Enzyme anbietet und zusichert, diese ohne den Einsatz von Gentechnik hergestellt zu haben. Bäcker nutzen die Datenbank, um ein Backmittel ohne Gentechnik einzukaufen. Der Hersteller eines Backmittels erfährt aus der Datenbank infoX gen.com, wo er für die Herstellung seines Produktes Zutaten und Zusatzstoffe ohne Gentechnik einkaufen kann. Die Datenbank wurde durch die Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (ALOG) aufgebaut, ein internationaler Zusammenschluss von Organisationen, die sich als Ziel gesetzt haben, die Wahlfreiheit für die Verbraucher zu sichern: Jeder soll selbst entscheiden können zwischen Lebensmitteln, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden, und solchen ohne gentechnische Veränderung. |
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Ökologische Pflanzenzüchtung ist nötig Es muss befürchtet werden, dass durch den Einzug der Gentechnik in die Pflanzenzüchtung die Verfügbarkeit von Saatgut, bei dessen Züchtung und Erzeugung die Gentechnik keine Rolle gespielt hat, in einigen Jahren deutlich abnimmt. Darüber hinaus hat der Ökologische Landbau eigene, z. T. deutlich von der konventionellen Landwirtschaft abweichende Anforderungen an Saat- und Pflanzgut und dessen züchterische Erstellung. Auf längere Sicht muss es deshalb eine eigenständige Ökologische Pflanzenzüchtung geben. Wichtig ist vor allem, die Transparenz über am Markt vorhandene, ökologisch vermehrte bzw. gezüchtete Sorten und deren Anbieter zu erhöhen. Als Instrumente dazu wurden Listen bzw. Datenbanken mit Anbietern von Vermehrungsmaterial für den Öko-Landbau erstellt, gedruckt oder internetbasiert (z.B. die vom FiBL in der Schweiz aufgebaute www.OrganicXseeds.com oder www.agoel.de/aktuell/index.htm). Ein weiterer Schritt ist die Erarbeitung von Kriterien einer Ökologischen Pflanzenzüchtung, die in entsprechende Regelwerke des Öko-Landbaus eingeht. In diesem Feld engagiert sich u. a. das kürzlich gegründete Europäische Konsortium für Ökologische Pflanzenzüchtung, das die Regel- und Rechtssetzungsverfahren in diesem Bereich mit wissenschaftlich fundierten Informationen begleiten will. Weltweit hat die IFOAM sich der Problematik bereits angenommen und lässt durch dass Basisrichtlinienkomitee einen Richtlinienentwurf für die nächsten Generalversammlung 2001 in Kanada erarbeiten. |
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Sicherheitsabstände Im Umweltbundesamt fand im Dezember letzten Jahres ein Fachgespräch zur Thematik Grüne Gentechnik und ökologische Landwirtschaft statt. Es wurden Möglichkeiten zum Schutz des Ökologischen Landbaus bei einem angenommenen gleichzeitigen Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen in der konventionellen Landwirtschaft mit Vertretern des Öko-Landbaus aus Forschung, Industrie und Verwaltung diskutiert. Die Experten waren sich darin einig, dass sich Verunreinigungen durch Auskreuzung von gentechnisch veränderten Pflanzen nur durch entsprechende Sicherheitsabstände zwischen den Anbauflächen des Öko-Landbaus und den Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen minimieren lassen. Als ergänzende Maßnahme sollte die Einrichtung von gentechnikfreien Zonen für Pflanzenzüchtungszwecke in Schutzgebieten angedacht werden. Derzeit erarbeitet das Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin (FiBL) und das Ökoinstitut Freiburg im Rahmen des Vorhabens Grüne Gentechnik und ökologische Landwirtschaft eine Darstellung verschiedener rechtlicher Szenarien zur Etablierung von gesetzlichen Regelungen für Sicherheitsabstände zwischen den Anbauflächen des Öko-Landbaus und den Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen im deutschen und europäischen Rechtssystem. Dabei kann auch auf Ergebnisse einer Arbeit des FiBL Frick mit dem Titel Gentechnikfreie Bioproduktion aufgebaut werden. |
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Resümee: Durch unkontrollierbare Ausbreitung im Anbau und Vermischungen beim Transport sowie Verarbeitung gefährdet die Gentechnik den Ökologischen Landbau, der den Einsatz der Grünen Gentechnik ablehnt. Die drohende Zulassung des kommerziellen Anbaus von Mais würde diese Problematik erheblich verschärfen, weshalb diese Zulassung strikt abzulehnen ist. Kann die Zulassung nicht verhindert werden muss sichergestellt werden, dass Öko-Landwirte nicht durch Kontaminationen mit GVO geschädigt werden, indem technische (Sicherheitsabstände) und haftungsrechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Schon jetzt gilt es, angesichts von Importen gentechnisch veränderter Futtermittel Warenströme von konventionellen und ökologisch erzeugten Futtermitteln bei Transport, Lagerung und Verarbeitung noch besser zu trennen, um Belastungen für Öko-Futtermittel mit GVO so weit wie möglich auszuschließen. |
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Potenzielle Gefahren der Grünen Gentechnik (Jany und Greiner, 1998): Gesundheitliche Risiken
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Quellen/weitere Informationen:
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