Lebendige Erde 2/2003:

Ernährung

Öko-Starterkulturen für Öko-Lebensmittel

besondere Technologien in der ökologischen Lebensmittelherstellung

Lebensmittel mit Hilfe von Mikroorganismen herzustellen, ist so alt wie die Lebensmittelverarbeitung selbst. Sie werden hauptsächlich eingesetzt zur Verbesserung der Haltbarkeit und des Geschmacks. Ursprünglich entwickelten sich bestimmte Bakterien nur in solchen Lebensmitteln, die ihnen als Lebensgrundlage dienten. Sie waren durchdrungen vom Lebendigen des Lebensmittels und durchdrangen ihrerseits das Lebensmittel. Eine Vorprägung war ihnen mitgegeben. In der modernen Lebensmittelverarbeitung ist der Einsatz von Starterkulturen üblich, vielseitig und für den Verarbeiter meist einfach und bequem.

In der Bio-Verarbeitung entstehen damit aber nicht unwesentliche Konflikte. So werden konventionelle Kulturen auf optimierten Substraten gezogen, die von ihrer Art und Zusammensetzung her nichts mit Produkten des Öko-Landbaus zu tun haben. Die Substanzen für solche Nährmedien sind weder aus ökologischem Anbau noch sind die meist zugesetzten Mikronährstoffe in Anhang VI der EU VO 2092/91 für ökologische Lebensmittel zugelassen. Dies führt dazu, dass eine Reihe von nicht zugelassenen Stoffen indirekt und ohne nähere Regulierung über die Direktstarter zugesetzt werden können. Darüber hinaus werden konventionelle Kulturen mit "Zusatznutzen" ausgerüstet, die sie durch ihre Verstoffwechselung in das Lebensmittel einbringen, ohne dass dies deklariert werden muss. Auch werden sie z. T. in so großen Mengen zugesetzt, dass dann bei diesen Lebensmitteln eigentlich nicht mehr von Bio-Lebensmittel gesprochen werden kann. Diese Tatsachen bringen ökologische Lebensmittelhersteller in eine schwierige Situation und werfen die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Bio-Produkten auf.

Aus diesem Grund haben sich verschiedene Unternehmen zur Aufgabe gesetzt, Öko-Starterkulturen für Öko-Lebensmittel zu entwickeln. Bio-Kulturen werden vom Ausgangsorganismus ausgehend auf Substraten vermehrt, die aus Rohstoffen des ökologischen Landbaus stammen. Die Herstellung erfolgt auf der Grundlage der Vorgaben der EU-Bio-VO. Die AGÖL-Rahmenrichtlinien Verarbeitung hatte eine Regelung für Hefe und Hefeerzeugnisse erarbeitet, die als vorbildlich gelten darf: "dass als ...Rohstoffquellen ausschließlich physikalisch oder biologisch aufgearbeitete Kohlenstoffquellen aus ökologischer Erzeugung sowie ausschließlich organische Stickstoffquellen aus ökologischer Erzeugung zulässig" sind.

Als erlaubte Zusatzstoffe wurden Lecithin, Zitronensäure (pH-Einstellung) und Calciumcarbonat (pH-Einstellung) sowie als Hilfsstoffe Filterhilfsmittel aus ökologischer Erzeugung, stationäre Filter, Spei- sesalz und Entschäumungsmittel aus ökologischer Erzeugung (z.B. Pflanzenöle) definiert. Auf dem Markt finden sich inzwischen Öko-Hefe, Öko-Starterkulturen für Sauerteige und Milchprodukte.
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Beispiel Backwaren:
Seit einigen Jahren bietet die Firma Agrano Bioreal (r) Bio Hefe an. Diese erfüllt die Richtlinienanforderungen verschiedener Verbände. Die Agrano Bio Hefe basiert auf Getreide als Rohstoff und hat für die technische Hefeherstellung einen neuen Weg eingeschlagen. Andere Hefeprodukte, die den Öko-Anforderungen genügen, sind bisher nicht auf dem Markt, obwohl auch andere Herstellungsvarianten bereits in der Literatur beschrieben sind bzw. Agrano bereit wäre, entsprechende Herstellerlizenzen zu vergeben. Die Firma Uniferm verfolgt in einer Patentschrift für die Herstellung einer Biohefe auf Melassebasis einen anderen Ansatz. Der Austausch gegen Bio-Melasse wirft das Problem der Stickstoffversorgung auf, die über Ammoniumcarbonat gelöst wird.

Bio-Sauerteigstarter werden heute in einer gut sortierten Palette von verschiedenen Firmen wie Böcker (www. ernstboec ker.de), Dr. Suwelack (www. suwelack. de), AGRANO (www.agrano.de) oder Isernhäger (www.isern hae ger.de) angeboten. Grundlage für die Herstellung dieser Starterkulturen sind ausschließlich ökologisch erzeugte Rohstoffe und Mikroorganismen, aus der natürlichen Mikroflora der verwendeten Getreiderohstoffe. Diese Starter sind frei von gentechnischer Veränderung.

Milchwirtschaft:
Die Bio Suisse hatte in der Schweiz die Eidgenössischen Forschungsanstalt für Milchwirtschaft (FAM) in Liebefeld (CH) gebeten, biologische Bakterienkulturen zu entwickeln und herzustellen. Seit Anfang des Jahres 2001 werden Joghurt-, Sauermilch- und Käsekulturen hergestellt, entwickelt aus Milchsäurebakterien auf der Basis von Bio-Magermilch unter Verzicht auf Hilfsstoffe und Zutaten. Die Kulturen werden in flüssiger Form an die verarbeitenden Betriebe abgegeben und müssen von den Anwendern selbst als Betriebskulturen weiterentwickelt werden. Zur Zeit wird an der Möglichkeit gearbeitet, direkt einsatzfähige Kulturen herzustellen. Dazu muss noch ein Mittel in ökologischer Qualität gegen das Schäumen der Magermilch gefunden werden. Die Herstellungskosten der Bio-Kulturen sind nicht höher als die konventioneller Kulturen: den verarbeitenden Betrieben entstehen keine höheren Kosten. Die Bio-Kulturen sind für Joghurt, Sauermilch-Produkte, sowie Hart- und Halbhartkäse im Handel.

Informationen über die einzelnen Kulturen unter www.fam-liebefeld.ch

Renate Dylla