Die
Wende von der Wissenschaft zu einer neuen Landbaukunst
Wie entwickle ich Aufmerksamkeit für das, was
in den Lebenserscheinungen sich äussert? Diese Frage, mit allem
Ernst gestellt, würde eine Wende in der Wissenschaft einleiten.
Nur die Belebung des Denkens kann Lebendiges erkennen: Gleiches erkennt
Gleiches! Wahrer Goetheanismus in der Forschung zielt nicht geradewegs
auf das Ergebnis, sondern auf die Einübung einer Denkbefähigung,
die den Blick offen hält für jedes neu hinzukommende Phänomen
und die den Begriff als ein Gedankenbild im Zusammenhang mit den beobachteten
Tatsachen zu halten vermag. Das Innere erkraftet so und das Erleben
in der Verarbeitung der Aussenwelt vertieft sich. In diesem Erleben
begegnet das Offenbare, der Sinnenschein dem Unoffenbaren, dem Geistig-Wesenhaften.
Der biologisch-dynamische Landbau gründet sich
auf eine wissenschaftliche Haltung, ein lebendiges Denken, das der Landwirt
sich als Fähigkeit erarbeiten muss, will er in ein bewusstes Verhältnis
zum Einzelnen und zum Ganzen seines Betriebes treten. Was aus der bloßen
Sinneswissenschaft zur Technik gerinnt, das wird in der Befruchtung
mit den Ideen der anthroposophischen Geisteswissenschaft freie Tat.
Durchdringen sich beide, Sinnes- und Geisteswissenschaft, z.B. in der
Gestaltung und Praxis eines biologisch-dynamischen Hofes, entsteht die
neue Landbaukunst. Die Arbeit mit Lebendigem, die neue Landbaukunst
Das Lebendige, das den bildsamen Stoff zu einer neuen Kunst des Landbaus
abgibt, muss auf folgenden vier Ebenen gesucht werden.
- Wesen des Pflanzen- und Tierreiches:
Dieses Lebendige ist vorgegeben in dem, was die Geisteswissenschaft
den nur übersinnlich fassbaren "Ätherleib" nennt. Die Bildekräfte
des Lebendigen, der Wärme-, Licht-, Ton- und Lebensäther,
die aus dem Kosmos im Irdischen wirksam werden, konfigurieren sich
jeweils zu diesem bestimmten ätherischen Leib, der die Kräfte
des Physischen in den Elementen Erde, Wasser, Luft, Wärme zum
"physischen Leib" formt und diesen belebt. Der biologisch-dynamische
Pflanzen- und Tierzüchter geht zuallererst von der Form aus.
Indem er versucht, diese in denkender Tätigkeit im Gedankenbild
nachzuschaffen, ruft er geistig in sich selber die Kräfte auf,
die aus dem Wesenhaften heraus die Form dieser bestimmten Pflanzen-
oder Tierart gebildet haben. Das aber ist ein künstlerischer
Prozess.
- Landwirtschaftliche Individualität
und ihr Organismus: Die Betriebsgestaltung im biologisch-dynamischen
Landbau richtet sich auf das Prinzip: "der Mensch wird zur Grundlage
gemacht". Der Mensch aber trägt das Ewige als sein Ich in sich.
Wird er sich als Landwirt dessen bewusst, schafft er aus dem Zentrum
seines eigenen Wesens wahrlich ein Kunstwerk, das sich unter seinen
Händen, jetzt die des Künstlers, gestaltet und sich zusammen
mit ihm entwickelt.
- Düngung, wie sie die Natur hervorbringt:
Fasst man den Begriff der notwendigen Geschlossenheit des Hoforganismus
und denjenigen seiner Gliederung in Lebensorgane, dann wird erst richtig
versändlich, welches die Aufgabe und die Bedeutung der Düngung
ist. Die Dünger entstehen aus der Ganzheit des Hofes und sie
wirken auf diese Ganzheit zurück. Daraus entsteht die wahre Kunst
des Landwirts, das Lebendige dieser Dünger zu erhalten, zu pflegen
oder gar zu steigern.
- Düngung mit den Präparaten: Die
Düngung mit den biologisch-dynamischen Präparaten macht
die neue Landbaukunst erst vollständig. Der tätige Umgang
mit den Präparaten verleiht die Macht, die Kluft zwischen Mensch
und Natur zu überwinden. Hierbei können wir der Technik
etwas entgegensetzen, wodurch wir vollmenschlich mit unserem Denken,
Fühlen und Wollen wieder an das Wesenhafte in der Welt anschließen
können.
Von der Landbaukunst zu einer wahren Kommunion
des Menschen im Geiste
"Das Gewahrwerden der
Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen"
(Rudolf Steiner). Im biologisch-dynamischen Landbau gehen wir mit Ideen
um, die der anthroposophischen Geisteswissenschaft entstammen. Werden
diese Ideen ernsthaft Gegenstand der Erkenntnis, so fallen sie in der
praktischen Umsetzung nicht aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang
heraus und gerinnen nicht zu einer bloßen Methode, einer toten
Technologie, sondern umgekehrt, sie beleben sich zu einer wahren Landbaukunst.
In dieser liegt der Keim zum geistesgegenwärtigen Tun, zu einer
"Religio", in der die Gesinnung sich wieder im Einklang mit dem Gewissen
findet.
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