Die Formel der Zusammenarbeit - eine Skizze
Der Regionalitätsgedanke verwirklicht sich interessanter Weise nur,
wenn zusammengearbeitet wird. Wie aber kann man im Wirtschaftlichen
zusammenarbeiten? Es heißt bekanntlich, beim Geld höre die Freundschaft
auf. Und das ist gut so. Denn beim Wirtschaften taugen die Freund- und
Feindbegriffe nicht. Es geht nicht um Sympathie oder Antipathie, sondern
um ein gemeinsames Interesse, das "sachlicher" Natur ist, z.B. die regionale
Wirtschaft stärken. Der andere ist in diesem Zusammenhang mehr Kollege
als Freund. Am Anfang des Zusammenarbeitens steht ein Vor-Vertrauen,
das ich dem Gegenüber entgegenbringen muss. Man geht damit ein gewisses
Risiko ein. Wird es zuerst enttäuscht, was sehr wahrscheinlich ist,
muss man sogar eine zweite Chance geben und gleichzeitig die Regeln
ändern. Vertrauen entsteht nur in der Sphäre des Wissens, das heißt,
man muss gegenseitig Bescheid wissen. Dafür muss Transparenz geschaffen
werden, wenn möglich bis in die Zahlen des betreffenden Unternehmens
hinein. Das ist eine Sphäre, die gerne unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit
gehalten wird.
Aber in der regionalen Lebensmittelwirtschaft kann es gar nicht darum
gehen, wie viel Gewinn der einzelne macht. Richtig reich kann man mit
diesem Geschäft ohnehin nicht werden, das sollte man sich eingestehen,
dann geht vieles leichter. Dazu weiß man ohnehin in etwa, was der Berufskollege
verdient. Die Weizen- und Milchpreise sind bekannt, dazu die Flächenausstattung
des Betriebes. Auch über die zwei Mietshäuser am Dorfrand, die über
die Ehefrau mit in den Hof gekommen sind, weiß meist jeder Bescheid.
Insofern könnte man die Karten getrost auf den Tisch legen. Entsteht
so eine Sphäre des Vertrauens, wird dem einen meist die Wohnung auf
Teneriffa, oder das Aktienfondspaket für die Altersversorgung still
gegönnt. In einer solchen Sphäre entsteht gemeinsamer Unternehmerwille
und gegenseitige Hilfsbereitschaft. Es können dann Subventionsanträge
gemeinsam gestellt, Tipps über Direktkredite ausgetauscht und vielleicht
sogar gemeinsam ein Koordinator angestellt werden. Der eine kann seinen
Mähdrescher, der andere seinen Lieferwagen und dritte seinen Marktwagen
besser auslasten, wenn die Warenströme besser gebündelt werden. Vielleicht
findet man sogar einen Bäcker, der das Getreide von allen Beteiligten
verbäckt, und so weiter. Gemeinsame Liquiditätskonten können dabei Zinsen
sparen helfen.
Die Zukunft des Wirtschaftens liegt in solchen Formen der Zusammenarbeit.
Die Feinde dieser Zusammenarbeit heißen Bequemlichkeit, innerer "Schweinehund",
Neid, Hass, Eifersucht, und so weiter. Einfache Regeln und Verträge,
bewusst eingerichtete Schutzräume für die Privatsphäre und gebremster
Idealismus sind hilfreich für die Zusammenarbeit. Dazu bedarf es aber
auch einer gewissen spirituellen Intelligenz. Der Nährboden dafür sind
künstlerische Beschäftigung, ein maßvoller Umgang mit Hobbies, sinnvolle
Zeit mit Freunden und Familie und geistige Beschäftigung mit Literatur,
Meditation oder Anthroposophie.
Oft ist es heute der Stress, der an der Zusammenarbeit hindert. Das
Zuordnen von Kompetenzen, die Untergliederung von Sitzungen in Information
- Beratung - Entscheidung, die Belebung des Delegationsprinzips, aber
auch das gelegentliche Mittragen von suboptimalen Entscheidungen: all
dies können Instrumente sein, um der gestiegenen Organisationsfülle
wirksam zu begegnen. Es müssen jedoch Räume bzw. Orte geschaffen werden,
in denen man den anderen wahrnehmen kann. Ideale klingen immer schön,
aber ohne Ideale geht es nicht. Sie müssen nur - und das scheint widersprüchlich
zu sein - nur hoch genug aufgehängt sein. Wenn man regionale Wirtschaft
verwirklichen will, weil das am ehesten den Zielen entspricht, die man
sich vorgenommen hat, z.B. etwas für die Entwicklung der Erde zu tun,
dann stören kleinere Belanglosigkeiten am wenigsten.
Zum
Schluss: Regionalität möglich machen
Die Regionalität ist ein Grundprinzip der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung.
Als solches gilt es aber nicht absolut. Das Leben ist in seiner Wirklichkeit
oft komplex. So kann es energetisch sinnvoller sein, Frühgemüse aus
Sizilien zu importieren, als es in Norddeutschland im Gewächshaus zu
ziehen. Daneben hat sich herausgestellt, dass biologischer Landbau in
den Ländern des Südens oft erst durch Export nach Europa groß geworden
ist, bevor er einen inländischen Markt aufbauen konnte. Auch die Verhandlungen
der WTO wie zuletzt in Cancun in Mexiko sind in diesem Lichte zu sehen.
Vor diesem Hintergrund gilt lediglich, aber bestimmt: Regional ist Erste
Wahl!
Trotz vieler Erfolgsmeldungen zu Regionalinitiativen (5) ist Regionalität
allerdings vieler Orten gar nicht mehr ohne weiteres machbar. Wie eine
Studie der Agrarsozialen Gesellschaft in Deutschland herausfand (Agrarsoziale
Gesellschaft 2003), gibt es vermehrt hemmende Faktoren für die Einrichtung
einer regionalen Lebensmittelerzeugung. So sind infrastrukturelle Voraussetzungen
für Regionalität wie selbstständige Supermärkte und nahe gelegene Schlachthöfe,
häufig nicht mehr gegeben und es fehlt an entsprechendem Qualifikationen
der Beteiligten. Von daher ist Eile geboten. Noch gibt es öffentliche
Gelder zum Stopfen dieser Lücken in Programmen wie "Regionen aktiv".
Diese sollten wo möglich genutzt werden. Der entscheidende Impuls muss
aber "von unten" kommen, damit die Initiativen echt und nachhaltig werden.
Die öffentlichen Mittel können in diesem Zusammenhang wie ein mehr oder
weniger großes Zubrot verstanden werden.
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