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Lebendige Erde 6/2000:ExtraBiologisch-dynamische Gemüsezüchtung - eine Standortbestimmung
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Ausgangs- bzw. Hintergrund für eine biologisch-dynamische Züchtung Eine Frage, die sich neben ethischen Aspekten und Folgeabschätzungen menschlicher Eingriffe in die Naturzusammenhänge stellt lautet: Ist der Mensch nur Nutznießer oder hat er zusätzlich zu seiner Verantwortung auch eine Aufgabe der Natur gegenüber?
(...) "Erde, ist es nicht dies, was Du willst: Unsichtbar in uns erstehen? Die Pflanze wurzelt fest im Erdboden und wächst gegen die Schwerkraft dem Licht entgegen. Sie ist so gleichermaßen mit Erde und Kosmos verbunden. In ihrer Aufrichtekraft, der Vertikalen zeigt sie ihre kosmische Verbundenheit, in der horizontalen Ausdehnung ihre irdische. Spiralförmige Anordnung der Blätter und Blütenblätter sind Spiegel der Planetenbewegungen. In der Samenbildung, nach maximaler Zusammenziehung (in den Staubblättern) und maximaler Ausdehnung (Pollenstaub), findet die Erneuerung und Regeneration der Pflanze statt. Die eigentliche Befruchtung geschieht, indem der Same, als männliches Prinzip, sich mit der Erde, als weiblichem Prinzip, verbindet und die Pflanze sich wiederum mit ihrem Wachstum zwischen beide hineinstellt.
In der Fähigkeit zur Nahrungs-Fruchtbildung unterscheidet sich die Kultur- von der Wildpflanze. In der Fruchtbildung fügt die Pflanze der letzten Zusammenziehung eine weitere Ausdehnung hinzu. Sie bleibt dadurch noch länger "jung", schiebt den Alterungsprozess hinaus, ist auch weniger spezialisiert als ihre wilden Verwandten. Fähigkeit zur Fruchtbildung im weitesten Sinne, heißt Annährung der Fähigkeiten der Pflanzen an den Menschen. Dieser ist der "Junggebliebene", dadurch Entwicklungsfähige, unter seinen Brüdern, den Tieren. Er bedarf des Jungen, Unspezialisierten als Nahrung, das sich aber durch Reifung wie von selbst ablöst von dem nur Vitalen des Pflanzenreiches. Fruchtbildung ist als ein allgemeiner Strom zu verstehen, der als Geschenk von der Natur zum Menschen geht, die Kulturpflanze ist anzusehen als ein über die reine Natur hinausgeführtes Wesen, das die Früchte für den Menschen unter dessen Pflege hervorbringen kann. Das heißt, ein würdiges Verhältnis herstellen zu können zwischen der Natur und dem Menschen. Das Pflegen dieses Verhältnisses und das Erarbeiten der irdischen und kosmischen Bildungsgesetzmäßigkeiten ist Grundlage für eine biologisch-dynamische Züchtung. |
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Ziele einer biologisch-dynamischen Züchtung Ziel der Landwirtschaft ist, neben nachhaltig kulturschaffender Tätigkeit, die Lebensmittelerzeugung. Im Ab- und Umbau der aufgenommenen Lebens-mittel verinnerlicht der Mensch in intimer Weise Bilder der Außenwelt und entwickelt Kräfte für seine seelisch-geistige Entwicklung.
Anbau- und Züchtungsverfahren beeinflussen, inwieweit das Nahrungsmittel den Menschen im obigen Sinne wirklich nähren kann. Biologisch-dynamische Züchtung will Pflanzen so züchten, bzw. solche Pflanzen züchten, die dieser Aufgabe gerecht werden können. Das bedeutet für die Zuchtziele: |
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1. Samenfeste Sorten Die Einzelpflanzen und auch die Sorten sollen fruchtbar und beständig sein, damit sie sich an Landschafts-, Umwelt- und Anbaubedingungen anpassen und mit ihnen weiterentwickeln können. Die Kulturpflanze ist Begleiter des Menschen und sollte auch weiterhin jedem als Kulturgut zur Verfügung stehen. Es geht also nicht darum, das Sortenkarussell so schnell wie möglich zu drehen, sondern vielmehr bewährte Sorten erhaltungszüchterisch so zu betreuen, dass sie sich mitentwickeln und weiter verbessern können. |
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2. Harmonie in Wachstum und Gestalt Dem Pflanzenwachstum liegen Bildungsgesetzmäßigkeiten zugrunde, die an einem geordneten Verlauf der verschiedenen Wachstumsphasen und der Blattmetamorphose sichtbar werden. Das ist Vorraussetzung zur Ausbildung der Reifefähigkeit und damit verbundenen Nahrungsqualität. (Dazu s. z.B. JOCHEN BOCKEMÜHL 1972 in Elemente der Naturwissenschaft Heft 1/72) |
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3. Reifefähigkeit: Mit "reif" ist der Zustand einer Nahrungsfrucht gemeint, in der sie
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4. Geschmack Im Geschmack kommt das Gesamtbild, die "Komposition" der Frucht zum Ausdruck. Sie ist auch Ausdruck der Ausgewogenheit und Harmonie des Wachstums. Das wird zum Einen deutlich daran, dass Unregelmäßigkeiten im Wachstum - Stockungen, zu trocken, zu nass, Krankheiten - in Geschmacksabweichungen zum Ausdruck kommen. Zum Anderen zeigt sich in der züchterischen Arbeit, dass eine Selektion auf Geschmack eine Vielzahl von Veränderungen auch in anderen Bereichen mit sich trägt wie:
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5. Widerstandsfähigkeit Für die züchterische Perspektive ist es nachhaltiger, auf allgemeine Widerstandsfähigkeit/ Feldresistenz als auf, meist monogen bedingte Resistenzen zu setzten, da
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6. Zur Frage des Ertrages Inwieweit Höchstertrag und Qualität vereinbar sind, und ab welchem Niveau sie sich ausschließen, muss für die einzelnen Kulturen herausgearbeitet werden. Bei Weizen zeigt sich, dass Ertrag und Eiweißgehalt negativ korreliert sind. Bei Geschmackstomaten wird ein erheblich geringerer Ertrag in Kauf genommen, der durch höhere Verkaufspreise ausgeglichen wird. Von der Wachstumsdynamik der Pflanze gesehen, sind vegetative Entfaltung in der Jugendphase und Zusammenziehung zur Reife Polaritäten im Pflanzenbildungsprozess, so wie Stickstoff und Kalium zueinander Antagonisten sind. Eine zu einseitige Ausrichtung auf Massenbildung, die Betonung vegetativer Prozesse, steht der Fähigkeit des Reifens entgegen. Wo ist da die ertragsmäßige, qualitative Grenze für die verschiedenen Kulturen? Kann trotzdem, vielleicht gerade unter Beachtung der gesetzmäßigen Polaritäten in der Pflanzenentwicklung, auch eine Steigerung erreicht werden? |
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7. Zur Frage der Homogenität Sortenschutzgesetz und Marktanforderungen verlangen eine hohe Homogenität der Bestände. Aus der phytomedizinischen Forschung und Erfahrung ist bekannt, dass Sorten-, besser noch Artenmischungen bei Getreide eine viel bessere Gesundheit aufweisen als reine Linien. Hybriden sind in dieser Hinsicht ein "Kunst"griff: Weitgehende Homogenität bei maximaler Heterozygotie. Inwieweit stehen sich hier die Forderung nach Homogenität/Uniformität auf der einen; Widerstandsfähigkeit/Stabilität auf der anderen Seite gegenüber? Was bedeutet das qualitativ? Im Gemüsebau werden auch bei Fremdbefruchtern homogene Bestände verlangt. Am Beispiel von Kopfkohl und Blumenkohl zeigt sich, dass auch samenfeste Sorten, unter Beibehaltung genügender genetischer Variabilität, befriedigende Einheitlichkeit in Größe und Erntezeitpunkt erreichen können. |
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Folgerungen für Züchtungsmethoden Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass sich biotechnische Methoden sowie die Hybridzüchtung (zumindest so wie sie gegenwärtig entwickelt sind und angewendet werden) für eine biologisch - dynamische Züchtung ausschließen, denn:
Folgende Methoden in der biologisch-dynamischen Züchtung kommen bisher zur Anwendung:
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Fragen an eine zukünftige, nachhaltige Züchtung Erkenntnis
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Vorschläge für eine pragmatische Übergangslösung Es kann nicht das Anliegen sein, durch zu frühzeitige Einschränkungen das Sortenangebot für die Gärtner und Bauern zu stark zu begrenzen. Auf der anderen Seite gehen die Entwicklungen in der konventionellen Züchtung so schnell, dass eine eindeutige Standortbestimmung notwendig ist und diese es den konventionellen Zuchtfirmen dann auch möglich macht, sich auf die Haltung des ökologischen Landbaus einzustellen. Und: wenn sich alle ökologischen Anbauverbände einig sind, gibt es auch keine Benachteiligungen und Wettbewerbsverzerrungen. Davon ausgehend, dass die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe weiter zunimmt, wird dieser Markt für die konventionellen Züchter mehr und mehr ein ernstzunehmender Faktor sein, für den es sich lohnt, eigene Sorten zumindest erhaltungs- wenn nicht neuzüchterisch zu bearbeiten. |
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Langfristige Perspektive (z.B. ab 2010):
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Kurzfristige Perspektive (ab 2004)
Der Zeitraum erscheint vielleicht kurz und die Vorschläge zu restriktiv. Doch: Wenn der Zeitraum zu lang gewählt wird, passiert nichts und die konventionelle Züchtung entwickelt sich immer weiter Richtung Gentechnik, bis auch das als "normal" angesehen wird. So gut wie alle konventionellen Saatgutfirmen haben jetzt noch ein großes Sortiment an geeigneten samenfesten Sorten und Linien verfügbar, aus denen sich recht schnell ein geeignetes Sortiment aufbauen ließe. Wenn der Standard für alle gleich ist (EU-Rahmenrichtlinien), gibt es bezüglich der Sortenverfügbarkeit kein Problem am Markt. Auch im Saatgutbereich sollte der ökologische Landbau eine deutliche und mit gutem Gewissen kommunizierbare Haltung vertreten.
Für den "Initiativkreis für Gemüsesaatgut aus biologisch-dynamischem Anbau" und den Verein "Kultursaat": |
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Literatur: | ||
Balzer-Graf, U. 1999: | Vitalqualität von unterschiedlichen Mörensorten (Populations-und Hybridsorten), unveröff. Untersuchungsberichte | |
Balzer-Graf, U. etal. 1993: | Effect of three farming systems on yield and quality of beetroot in a seven year croprotation (Acta Horticulturae 339, 11-31;) | |
Bockemühl, J. 1972: | Elemente der Naturwissenschaft(1/72) | |
Bockemühl J. etal, 1985: | "Pflanzengestalt und Lichtverhältnisse" (in: "Erscheinungsformen des Ätherischen") | |
Gränzdörffer, M., 1999: | Untersuchung der Vitalqualität von Möhrensorten mit Hilfe bildschaffender Methoden; Diplomarbeit GhK Landwirtschaft, Witzenhausen | |
Hagel, I. 1999: | Untersuchungsbericht zu Früh- und Herbstmöhren 1998; Institut für biol.-dyn. Forschung,Darmstadt | |
Holdrage, C.: | "Der vergessene Kontext", Verlag Freies Geistesleben | |
Lammerts v. Bueren, E. et al.: | "sustainable organic plant breeding" Herausg: Louis Bolk Institut, NL | |
Steiner,R. 1924: | "Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft" |