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Lebendige Erde 2/2002:Feld & StallEigene Tierzucht für den Ökolandbau
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Abb.: Besamung
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Die Fortführung der bisherigen Agrarforschung begünstigt insbesondere die weitere Spezialisierung der Tierhaltung, z.B. die Beschränkung auf alleinige Ferkel- oder Kälberaufzucht, oder nur Endmast.... Sie ist der wesentliche Grund für die zunehmenden Tiertransporte. Darüber hinaus erhöht das allgemein steigende Transportaufkommen in der Landwirtschaft wesentlich die Krisenanfälligkeit. Beispielsweise schafft die weitere Forschung an Fortpflanzungstechniken wie Künstliche Besamung, Embryotransfer und, aktuell die Geschlechtswahl bei Spermien und Embryonen sowie das Klonen, Voraussetzungen für eine dramatische Zunahme der Spezialisierung von Betrieben.(1)
Auch wenn weiterhin erheblicher Bedarf für eine Negativ-Kritik
dieser Verhältnisse besteht, liegt die aktuelle Chance darin, Schwerpunkte
der Forschung zum Positiven auszurichten. Die Agrarwende wird auch
am Erfolg ihrer Lösungsansätze gemessen werden. Heute müssen die Fragen
für die Antworten von morgen gestellt und daraus Forschungsprojekte
formuliert werden. Das gilt u.a für die Tierzüchtung.
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Für Ökobetriebe: Züchtungsziele auf
den Kopf stellen?! Während es bei der Umstellung auf biologischen Landbau inzwischen möglich ist, von einer zur anderen Vegetationsperiode anderes, biologisches, Saatgut zu verwenden, stehen derweil immer noch - mehr oder weniger - dieselben Kühe im Stall. Das ist einerseits gut so. Aber wenn die Kühe dann nicht so richtig zum Standort passen, der nun unter biologischen Bedingungen bewirtschaftetet wird, führt das zu gesundheitlichen Problemen. Bisher stammen die Tiere auf Bio-Betrieben hauptsächlich aus der konventionellen Tierzucht, die durch extreme Inzucht einseitig auf Hochleistung selektiert. Die Folge liegt neben Krankheitsanfälligkeit durch allgemeinen Vitalitätsverlust vor allem in der zunehmenden Gefahr durch Erbkrankheiten. Eine besondere Gefahr geht von den sogenannten rezessiven Erbkrankheiten aus: Sie kommen erst zum Ausbruch, wenn die krankhaften Anlagen von beiden Elternteilen, den sogenannten Anlageträgern, auf ein Kalb vererbt werden. Da Besamungsbullen nicht selten über 100 000 und in Einzelfällen sogar über 1 Million Nachkommen haben, erhöht sich das Risiko enorm, dass äußerlich gesunde Anlageträger miteinander gekreuzt werden. Auch ein in Zukunft steigendes Angebot an Gentests für Anlageträger wäre nur ein schwacher Trost, solange die Ursache - die einseitige und extreme Selektion - nicht beseitigt wird. (siehe Kasten) |
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Einseitige Züchtung - gehäufte Missbildungen
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Somit gibt uns die derzeitige Zuchtwertschätzung nicht die geringste Auskunft darüber, wie denn die Bullen einzustufen wären, wenn nur die Prüfdaten von Kühen berücksichtigt würden, die ihre Milchleistung maximal aus dem Grundfutter erbringen und nicht im ernährungsphysiologischen Sinne "zur Sau" gemacht werden. Experten und Expertinnen des VIT vermuten, dass dann die TOP-Ten-Liste ihrer Spitzenbullen auf dem Kopf stehen würde. Das VIT (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) in Verden unterhält den weltweit größten Datenpool zu Milchvieh. Kurzfristig wäre schon einiges erreicht, wenn die Computerprogramme für die Zuchtwertschätzung zukünftig Bio-Betriebe gesondert ausweisen könnten. Da sich die Fütterungspraxis auf den Bio-Betrieben teilweise gravierend unterscheidet, kann dadurch die Eignung des betreffenden Bullen für den eigenen Betrieb allerdings nur in Grenzen besser eingeschätzt werden. Problematisch bleibt aber, dass sich bisher die Auswahlmöglichkeit auf (Besamungs)-Bullen beschränkt, die alle von Kraftfutter-Müttern abstammen: Sie sind aufgrund der übermäßigen Gewichtung der Erstlaktation, bis hin zum Kriterium "100-Tage-Leistung" selektiert worden. Diese Herangehensweise wird durch den Glaubenssatz gerechtfertigt, Leistung sei Ausdruck von Gesundheit. Das kann zwar, muss aber nicht sein. Für die einseitig auf Hochleistung selektierten Kühe gilt, dass sie trotz der Bedingungen hohe Leistungen erbringen und nicht wegen dieser! Hinsichtlich der für den biologischen Landbau wichtigen Parameter gilt es zu klären:
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Das kann der beste Bulle nicht verhindern...
Die Aufzucht des Jungviehs ließ schon immer zu wünschen übrig, zumal seine Haltung auf den entlegeneren Weiden betriebsplanerisch naheliegend ist. Leider werden Rinder aber nicht selten so knapp gehalten, dass diese Versäumnisse in der Kälber- und Jungviehaufzucht häufig später nicht wieder aufholbar sind. Auch der beste Bulle kann nicht verhindern, dass zu mager gehaltene Färsen besonders geringe Einstandsleistungen aufweisen. Es gilt, für jede Herde auf dem jeweiligen Standort, dazu zählen neben
Boden und Klima nicht zuletzt auch die Tiere und die dort Arbeitenden,
das Optimum hinsichtlich der Milchleistung herauszufinden. Zu oft wird
die Kuh aber wegen der ökonomischen Zwänge vom Schwanz her aufgezäumt:
Dann wird das Ausnutzen bzw. Erreichen der Quote zum ersten Gebot. Die
meisten Betriebe bieten aber unter ökologischen Ansprüchen, das heisst
ohne Kraftfuttergaben, gar keine realistische Grundlage für eine weitere
Steigerung der Leistung, sodass die Wahrnehmung auf andere wichtige
Zuchtziele orientiert werden kann: So sollen gute Raufutterqualitäten
die Basis für eine züchterische Selektion auf optimale Raufutterverwertung
bieten. Die Milchviehzucht soll gesunde und vitale Tiere mit nach und
nach längeren Nutzungsdauern hervorbringen. Gespart wird dann an tiermedizinischen
Aufwendungen ebenso wie an der Milch, die zuvor zu häufig wegen Euterentzündungen
weggeschüttet werden musste. |
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Gesucht: sympathische Vatertiere Aber da fehlt noch etwas: der Mensch - als nicht minder wichtiger
Standortfaktor. Vielleicht passen Schweine hervorragend zu meiner
Gemüseproduktion, aber passe ich auch zu ihnen, mag ich sie riechen?
Keine Frage, dass mein Grünlandstandort ohne Rinder verwaisen und veröden
würde, aber habe ich eigentlich wirklich Lust zum Melken? Wer eine Herde
mit Tieren aus verschiedenen Rassen hält, entwickelt bekanntlich Vorlieben
- je nach dem eigenen Wesen und Temperament. Bei der Auswahl von Rassen
und Tieren für den eigenen Betrieb müssen wir zudem die jeweilige Familie
bzw. Gemeinschaft im Blick haben. Wir wünschen uns Umgänglichkeit von
Kühen und Bullen dem Menschen gegenüber und können die Chance nutzen,
nicht nur auf der persönlichen sondern auch auf der zuchtpolitischen
Ebene, auf diese Kriterien hin zu selektieren. Kurzfristig sollte entschieden
werden, wer diesem Weg dienlicher ist: die herkömmlichen Zuchtverbände
oder ein ökologischer Zuchtverband. |
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Heu, Gras und Wasser... "Gras, Heu und Wasser" lautet das Rezept von Renate Künast für die Ernährung der Rinder, deren Wahn sie zur Ministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft machte. Eigentlich hat sie recht. So recht wie die einstigen Vorfahren des Bauernverbandspräsidenten, die sich von der Sonne leiten ließen. Eine weitere schöne Anleitung fand ich auf einer Hauswand in Weimar während der Forschungsring-Tagung im November 2001: "Die Theorie ist nicht die Wurzel, sondern die Blüte der Praxis", - packen wir's an. Dr. Anita Idel, Tierärztin, Forschungs- und Projektkoordination,
Ganzheitliche Tiergesundheit, Anita.Idel@FiBL.de
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In einem Beitrag zur gleichen Frage weist Demeter- Berater Christoph Metz auf zwei rasch machbare Schritte hin: kleine regionale Arbeitskreise von biodynamischen Züchtern und Ausdehnung der Stierhaltung. ("Brauchen wir eine ökologische Rinderzucht", im Rundbrief Februar 2002, Demeter- Bayern, erhältlich bei der Redaktion) |