Lebendige Erde 1/2005:

Feld & Stall

Stall in der Schule - Schule im Stall

Stallbauvorhaben
Stallbauvorhaben
Für seine Demeter-Gärtnerei in Eichstetten bei Freiburg wollte Christian Hiß einen neuen Rinderstall mit angeschlossener Käserei. Sein Wunsch war, dass der dazugehörige Prozess "ein gesellschaftlich kultureller Akt werden" soll. Deswegen beauftragte er die perpetuum novile Schulprojekt gGmbH mit der Durchführung. In deren Gesellschaftsvertrag wird "die Förderung der Erziehung junger Menschen (...), insbesondere in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft" festgelegt. Das beeindruckende Ergebnis: Die Arbeit von 134 SchülerInnen aus sieben Schulen floss in den Stallbau mit ein. Das Projekt startete im März 1999 mit der Vorstudie der 11. Klasse einer Waldorfschule und endete mit dem Einweihungsfest im Juli 2002, das von Schülern der 12. Klasse eines Gymnasium geplant und organisiert wurde. Insgesamt waren es 28 Einzelprojekte und Seminararbeiten, mit denen die Schulen sich beteiligten.

Abgeschlossene Projekte im Rahmen des Stallbauvorhabens:

  • Vorstudie, Technologieunterricht,11. Klasse, Freie Waldorfschule Heidelberg
  • Feldmessen Praktikum, 10. Klasse Freie Waldorfschule Wiehre Freiburg
  • Statik, Jahresarbeit, 11. Klasse Freie Waldorfschule Heidelberg
  • Bepflanzungsplan, Gartenbau 7. Klasse Freie Waldorfschule Wiehre Freiburg - Planung
  • Bepflanzungsplan, Gartenbau 7. Klasse Freie Waldorfschule Wiehre Freiburg - Durchführung
  • Reliefschnitzen, Werkunterricht, 11. Klasse Freie Waldorfschule St. Georgen
  • Brandschutz, Jahresarbeit, 11. Klasse Freie Waldorfschule Wiehre Freiburg
  • Konzipierung einer Überwachungsanlage, Jahresarbeit 11. Klasse Freie Waldorfschule St. Georgen Freiburg
  • Projektdokumentation, 7. Klasse der Adolf-Gänsehirt-Grund- und Hauptschule Eichstetten
  • Zwei Arbeiten im Rahmen eines Seminarkurses, 12. Klasse Merianschule Freiburg
  • 18 Arbeiten im Rahmen eines Seminarkurses, 12. Klasse Friedrich Gymnasium Freiburg
Fächerübergreifend und projektorientiert, so soll Schülern in Seminarkursen neben Fach- auch Methoden- und Sozialkompetenz vermittelt werden. Jeder Schüler muss dazu eine Seminararbeit im Rahmen eines Kolloquiums präsentieren. So beschäftigte sich z. B. die 12. Klasse eines Freiburger Gymnasiums mit dem Thema Käse. Seminararbeiten entstanden unter anderem zu den Themen "Käse und Wein" "Kuhrassen" "Agrarpolitik der EU, Milchwirtschaft", "Marketing, Werbung, Käse" und "Einrichtung einer Käseküche".
 
Alle haben etwas davon

Die Schüler erhielten die Möglichkeit, an einem realen Projekt zu arbeiten und zu lernen. Wichtig war dabei, dass Projektleiter und Auftraggeber keine konkreten Vorgaben hinsichtlich des Ergebnisses (Stall) machten, damit die Schüler aus ihrer Arbeit heraus selbständig Lösungen entwickeln konnten. Projektarbeiten dieser Art lassen sich dort besonders gut durchführen, wo die Rahmenbedingungen schon auf eine intensive Auseinandersetzung an einem bestimmten Thema ausgerichtet sind (wie z. B. in Waldorfschulen oder durch einen Seminarkurs). Für Lehrer bedeutet die Projektarbeit oft eine Herausforderung, da sie sich selbst sehr intensiv mit einem Thema auseinandersetzen und den Unterricht z. T. anders gestalten und vorbereiten müssen. Oft fällt der verstärkte Aufwand aber vor allem am Anfang an, weil später die Schüler selbständig arbeiten.

Der Nutzen für den Landwirt läßt sich schwieriger beschreiben, zumal die Projektevaluation darauf hingeweist, dass kein finanzieller Vorteil entsteht. Motivation und Gewinn ergeben sich für Christian Hiß dennoch, weil er seinen Betrieb nicht nur in einem wirtschaftlichen, sondern auch in einem sozialen Zusammenhang sieht. Durch die Arbeit der Schüler fließt etwas in den Betrieb hinein, aber durch die Beschäftigung mit dem Betrieb fließt auch etwas aus ihm hinaus in die (zukünftige) Gesellschaft: Die Schüler entwickeln Bewusstsein für die landwirtschaftliche Produktion und deren Bedingungen, vor allem aber für den gesamtgesellschaftlichen Kontext, in dem sie stehen.

Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet, mittels Interviews, Gesprächen und schriftlichen Befragungen mit Lehrern, Schülern, Fachleuten dem Projektträger und dem Projektleiter. Eine Projektdokumentation und -evaluation kann bei perpetuum novile bestellt werden. (60 Seiten, 10 € zzgl. Versand, www.perpetuum-novile.de)
 

Reale Aufgabenstellungen bergen zahlreiche pädagogische Möglichkeiten. Sie fordern auf zur selbständigen Lösungssuche, lassen den Fehler als Lehrmittel zu, ermutigen zu eigenen Lösungswegen und fordern diese heraus. Die Entscheidungen basieren auf dem Erarbeiten aus eigener Erfahrung, wobei vor allem die Sache selbst kontrollierende Aufgaben übernimmt und nicht eine fremde Person. "Realaufgaben erfordern eine eigene Arbeitsplanung, lassen jedoch auch individuelle Lernstile zu, was meist dazu führt, dass sich mehrere alternative Lösungen finden lassen."