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Lebendige Erde 3/2005:Feld & StallRinderzucht mit Stieren für den Natursprung
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Natursprung statt künstlicher Besamung
Doch bei der KB handelt es sich nicht um einen natürlichen Vorgang. Der Samen wird unphysiologisch in den Uterus statt in die Scheide übertragen, und es werden keine physiologischen Reaktionen ausgelöst, welche die Befruchtung begünstigen, wie das beim Deckakt der Fall ist. Auch die Samenabnahme beim Stier ist "unphysiologisch und oft mit Schmerzen und Angst verbunden". Die biotechnische Manipulation des Samens ist "für die Lebenskräfte als äußerst bedenklich zu bewerten", so der Tierarzt Dr. Spranger (1996), der davon überzeugt ist, dass der Einsatz von KB für die abnehmenden Besamungserfolge und "das Hauptproblem in der Rinderhaltung, die Stillbrünstigkeit" mitverantwortlich ist. Für Bio-Betriebe kommt erschwerend hinzu, dass bei der KB immer mehr Stiere zum Einsatz kommen, die aus dem widernatürlichen Embryotransfer stammen. Demgegenüber erfahren beim Natursprung, der natur- und wesensgemäßen Form der Fortpflanzung, die im Samen enthaltenen Lebenskräfte keine Beeinträchtigung. Der Stier erkennt stillbrünstige Kühe besser als der Viehhalter, und die Fruchtbarkeit der Kühe ist durch den Natursprung wesentlich sicherer. Landwirte, die sowohl mit der KB als auch mit der Zuchtbullenhaltung Erfahrung haben, berichten, dass die aus dem Natursprung hervorgegangenen Kälber vitaler sind als diejenigen aus künstlicher Besamung. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass nur die zuerst ankommende, vitalste Samenzelle die Befruchtung herbeiführt . Da diese bei natürlicher Anpaarung eine längere Strecke bis zur befruchtungsfähigen Eizelle zurücklegen muss als bei der KB, findet hier eine Art Vorselektion statt. Insbesondere in größeren Herden und bei der Mutterkuhhaltung bringt ein in der Herde mitlaufender Deckbulle eine arbeitswirtschaftliche Erleichterung. Hinzu kommt, dass die Kühe ruhiger sind. Die Anwesenheit des zur Herde passenden männlichen Tieres ist naturgemäß und stellt eine Bedingung dar, die sich positiv auf die Zucht auswirkt.
Um eine Rinderzucht in bäuerlicher Hand weiterhin möglich zu machen, arbeitet die "Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung (ARGE)" seit über 20 Jahren mit Natursprungbullen und gibt ihre Erfahrungen an interessierte Züchter weiter. Seit 2003 befassen sich auch verschiedene bäuerliche Arbeitskreise mit Fragen der Stierhaltung, -aufzucht und -auswahl. Mit einem seit Januar laufenden Projekt wird versucht, die Zuchtstierhaltung zu fördern (siehe Kasten). |
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In der Regel mit selbst gezüchteten Bullen Bei der Auswahl des Stieres müssen scharfe Selektionskriterien angewandt werden. Nur ein Stier, der hundertprozentig gefällt, wird zur Belegung der ganzen Herde eingesetzt. Ein Zuchtstierkalb sollte lediglich am Anfang der Zuchtarbeit oder zur Blutauffrischung zugekauft werden. Wenn man die Rinderzucht auf die Höfe holen will, sollte mit selbst gezüchteten Bullen gearbeitet werden. Werden Stiere aus dem eigenen Stall zur Linienzucht mit Kuhfamilien herangezogen, kann schneller Reinerbigkeit erreicht und können Zuchtziele wie hohe Grundfutter- und Dauerleistung schneller verwirklicht werden, als wenn immer wieder mit Fremdblut gezüchtet wird. Denn bei diesem System sind alle zuchtrelevanten Leistungs-, Konstitutions- und Verhaltensmerkmale der beiden Elterntiere einschließlich ihrer Fütterungs- und Haltungsbedingungen auf dem Herkunftsbetrieb bekannt und können bei der Zuchtauswahl Berücksichtigung finden.
Auf diese Weise kann ein hofeigener Viehschlag aufgebaut werden, der in optimaler Weise an die Erfordernisse des Betriebsstandortes angepasst ist. Seit Jahrzehnten mit diesem Zuchtsystem arbeitende Züchter, wie Dirk Endendijk in Holland und Karl Knoll, ARGE*, haben überzeugende Erfolge vorzuweisen (Postler et al., 2004). Schließlich gehört, so Knoll, "zu einer artgemäßen Haltung nicht nur das 'Hotel' für Kühe und Jungrinder, sondern als Familienbund die Herde, (was) die Haltung von Bullen" einschließt. Und wenn wie bei Endendijk mehrere selbst gezüchtete und junge Deckbullen eingesetzt werden, die jedes Jahr ausgetauscht werden, lässt sich das Sicherheitsrisiko reduzieren. Außerdem führt dieses Verfahren zu einer größeren Variationsbreite, das züchterische Risiko eines schlechten Vererbers wird minimiert, und es kommt durch die Reinzucht zu einer Homogenisierung der Herde. (Baars, 1990; Baars et al., 2005). |
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Stieraufzucht am besten in der Gruppe
Dazu könnten Betriebe mit freien Kapazitäten Gruppen von Stieren aufziehen. Oder es könnten sich Bauern in einer Art Vertragsaufzucht interessante Stierkälber aus der eigenen Herde aussuchen, zur Aufzucht an einen erfahrenen Stieraufzüchter abgeben und im deckfähigen Alter wieder zurücknehmen. Die Aufzucht eines Stieres zusammen mit weiblichem Jungvieh muss abgeschlossen sein, bevor die Rinder geschlechtsreif sind. Wird ein Jungstier vom größeren Jungvieh unterdrückt, kann sich das auf den späteren Charakter negativ auswirken. Ist eine Gruppenaufzucht nicht möglich, sollte der Jungstier viel herumgeführt werden, damit er seinen Spiel- und Bewegungstrieb ausleben kann. |
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Anbindehaltung oder Laufbox?
Wenn eine Kuh rindert, wird sie zum Stier in die Bucht gebracht, wo sie bis zum Deckakt bleibt. Danach wird der Stier z.B. mit Getreideschrot ans Fressgitter gelockt, damit die Kuh wieder hinausgeführt werden kann. Eine Kratzbürste in der Box wird vom Stier gerne genutzt. Die Boxengröße sollte ungefähr 5 mal 3,5 Meter betragen. (Der von der EU-Öko-Verordnung ab 2010 geforderte Mindestauslauf von 30 Quadratmetern für Stiere, die nicht auf die Weide kommen, ist für das Wohlbefinden der Stiere nicht unabdingbar und für die meisten Betriebe nicht realisierbar. Hier sollte die EU-VO korrigiert werden.)
Für die Gesundheit und Fruchtbarkeit des Stieres ist es förderlich, wenn ein Auslauf angeboten werden kann. Gute Erfahrungen haben auch Betriebe gemacht, die den Deckstier mit einer Jungherde im Laufstall oder im Sommer auf der Weide mitlaufen lassen. Der Deckstier sollte auf beste Zucht und nicht auf Mast gefüttert werden. Damit insbesondere das ältere Tier nicht verfettet, Samenqualität und Decklust erhalten bleiben, sollte kein zu energiereiches Futter verabreicht werden. Getreideschrot zum Beispiel erhält der Stier bei Ackermann nur nach dem Decken. |
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Wachsamer und verständnisvoller Umgang mit dem Stier
Ganz entscheidend ist die Pflege eines guten Kontaktes zwischen Mensch und Stier, wobei die Grundlage für eine gute Beziehung in der ersten Lebensphase gelegt wird. Gleich nach der Geburt sollte Kontakt zum Kalb aufgenommen werden. Die Beziehungsbildung kann unterstützt werden, indem die Kälber zum Säugen am Strick zur Mutter geführt werden. Wälle führt sogar den erwachsenen Stier täglich selbst zur Tränke. Der Bulle lernt den Menschen zu schätzen, da dieser ihn zum Wasser bringt. Vertrauensbildend sind auch regelmäßiges Striegeln und Streicheln des erwachsenen (angebundenen) Stiers, bevorzugt an Stellen, die der Stier selbst schwer erreichen kann und wodurch er ein zusätzliches Wohlbefinden erfährt: zum Beispiel über den Hörnern, hinter den Ohren, unter den Kinnladen oder zwischen den Vorderbeinen am Bug. Auch das Sprechen mit dem Vieh ist wichtig. Während Kühe eher verträumt sind, sind Bullen hellwach und registrieren alles, was im Stall passiert. Der Umgang mit diesen starken Tieren, die den Mittelpunkt der Herde bilden und diese auch im natürlichen Verband beschützen und verteidigen, erfordert stets Wachsamkeit. Bei Ackermann lässt der zentral gelegene Anbindeplatz des Stieres im Stall einen ständigen Blickkontakt zur Herde zu. Beim Ablauf der Stallarbeiten kommt er häufig bei ihm vorbei und hat so immer wieder Kontakt mit dem Stier. Der erste Gang im Stall geht zum Stier, dieser erhält als Erster Futter und niemals Futterreste der Kühe. Essentiell ist für Ackermann ein sicheres, angstfreies Auftreten dem Stier gegenüber. Bullen seien sehr sensibel und dürften nie ungerecht behandelt oder geschlagen werden. Zurechtweisungen sollten prompt und nur verbal erfolgen, wobei nicht die Lautstärke, sondern die Einstellung und Intensität, mit der man dem Stier begegnet, entscheidend sei. "Wenn man Bullen naturgemäß, verständnisvoll und ohne Launen behandelt", so ein erfahrener Stierhalter, "sind sie zahm und treu wie Jagdhunde" (Weisshuhn, 1979).
Ohne Zuchtstiere auf den Höfen ist eine zukunftsfähige Rinderhaltung und -zucht nicht möglich. Wäre es da nicht angebracht, wenn die öffentliche Hand die Haltung von Deckbullen mit einer Prämie unterstützen würde? |
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Stiere zurück auf die Bauernhöfe Obwohl nur die Haltung von Zuchtstieren in Rinderherden die artgemäße Form der Fortpflanzung erlaubt, wird sie kaum mehr praktiziert. Deshalb will Demeter Bayern eine Vorreiterrolle übernehmen und die Zuchtstierhaltung auf den Höfen fördern. Hierzu wurde mit finanzieller Unterstützung der Software AG-Stiftung und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft ein Projekt eingerichtet (Laufzeit Januar 2005 bis März 2007), das mit dem Ziel der Entwicklung einer Rinderzucht auf den Höfen...
Christoph Metz Demeter-Erzeugerring für biologisch-dynamischen Landbau e.V. Gopprechts 4 D-87448 Waltenhofen E-Mail: christoph.metz@demeter-bayern.de |
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Quellen
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