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Lebendige Erde 5/2002:ForschungZum biologisch-dynamischen ForschungsansatzNur philosophisches Beiwerk oder Erkenntnisbedingung einer Wissenschaft vom Leben?Dr. rer. nat. Ingo Hagel
Die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise ist die älteste unter den verschiedenen Methoden des Ökologischen Landbaus. Ihr geistiges Fundament ist eine Reihe von Vorträgen, die Rudolf Steiner (1861-1925) im Jahr 1924 in Koberwitz bei Breslau für Landwirte hielt (STEINER 1924a). Daher können ihre Voraussetzungen und Intentionen und auch ihr Forschungsansatz nicht losgelöst von dem spirituellen Weltbild der Anthroposophie, deren Begründer Rudolf Steiner ist, betrachtet werden. Auf einige Motive und Aspekte dieser Herangehensweise an wissenschaftliche Fragestellungen soll hier kurz eingegangen werden. Ausführlichere Darstellungen können an anderer Stelle aufgesucht werden (z.B. HAGEL 2001 a-c, 2002). Während die klassische Naturwissenschaft bis heute davon ausgeht, dass alle Erscheinungen des Lebens Resultat stofflicher Vorgänge auf atomarer und molekularer Ebene sind, vertritt die biologisch-dynamische Bewegung mit dem Forschungsansatz der Anthroposophie Rudolf Steiners gerade umgekehrt die Auffassung, dass das "Leben" eine Qualität für sich darstellt. Es ist nicht-sinnlicher (geistiger) Natur, den Substanzen der organischen Natur übergeordnet, allerdings gestaltet und bildet es diese (STEINER 1904, 1910, 1925). Darüber hinaus sind Fähigkeiten der seelischen Empfindung und des denkenden Bewusstseins bei Tier und Mensch weder Resultate des Stoffes noch des diesen dirigierenden Lebens. Ganz im Gegenteil muss das Leben durch weitere und ebenfalls übergeordnete Prinzipien zurückgedrängt werden, damit Bewusstsein entstehen kann. Dieser Aspekt ist besonders mit Blick auf die Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel von großer Bedeutung, da er diesbezügliche Anforderungen eben nicht nur an die vitalen, d.h. Leben vermittelnden, sondern auch an die Bewusstsein vermittelnden Eigenschaften der Nahrungsmittel beinhaltet (HAGEL 2001 a).
Jede Substanz und jeder Prozess innerhalb der belebten Natur muss als
Ausdruck dieser übergeordneten, das Leben bedingenden und zurückdrängenden
Kräfte aufgefaßt werden. Dieser anthroposophische Ansatz, welcher geistige
Prinzipien als Bewirkendes z.B. für die Erscheinungen des Lebens und
die Bildung bzw. Umwandlung der Substanzen in lebendigen Organismen
ansieht, muss natürlich im Widerspruch zum zentralen Dogma der Naturwissenschaft
stehen, welches gerade den Stoff in Gestalt der Gene (sowie physische
und chemische Kräfte) für die Grundlagen des Lebens hält. Deshalb wird
in der Begegnung mit Vertretern der konventionellen Naturwissenschaft
der Ideenbildung der biologisch-dynamischen Forschung immer wieder ein
"geistiger Überbau" und eine "Philosophie" vorgeworfen, die, weil sie
ja "nur aus Gedanken besteht" subjektiv und daher unzulässig sei. Diese
offizielle Wissenschaft hält sich für geistig wertfrei und objektiv.
Aber sie vergisst vollständig, dass auch sie eine "Philosophie" bzw.
ein geistiges Programm als Grundlage ihrer Arbeit hat. Und dieses ist
der Materialismus. Sehr klar formuliert dies Prof. Mengel in der Einleitung
zu seinem mittlerweile in der 7. Auflage erschienenen (und von den Sachinformationen
selbstverständlich empfehlenswerten) Standardwerk "Ernährung und Stoffwechsel
der Pflanze" (Mengel 1991). Er meint dort, es werde "immer deutlicher,
dass auch die Vorgänge in der belebten Natur letzten Endes auf chemischen
Prozessen basieren... Die Vorgänge, die sich im Mikrobereich der Moleküle,
Atome und Elektronen abspielen, sind also letzten Endes auch für die
mannigfaltigen Erscheinungen des Lebens verantwortlich." Aus dieser
materialistischen "Philosophie", die den Stoff als die Grundlage der
Lebenserscheinungen ansieht, ist es verständlich, dass die sogenannte
moderne Naturwissenschaft in dem genetischen Code die Grundlage allen
Lebens sieht und enorme Anstrengungen (und natürlich auch staatliche
Fördermittel) in die Erforschung und Nutzung der Gentechnik fließen.
Die Manipulierbarkeit des Lebendigen durch die Gentechnik soll nicht
bestritten werden, jedoch dass die Gene die letzte Ursache für die "mannigfaltigen
Erscheinungen des Lebens" sein sollen. Es werden nämlich verschiedene
Fakten nicht beachtet: |
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Schon diese grundlegenden Erkenntnisprobleme der Bio-Logie (also der Lehre vom Leben) machen klar, dass der Forschungsansatz der Anthroposophie keine abgehobene Laune weltferner Okkultisten darstellt, sondern sich zwangsläufig aus dem an Grenzen anstoßenden Erkenntnisstreben der Naturwissenschaft selber ergeben muss, wenn diese ihre Ergebnisse nur konsequent zu Ende denken (spiritualisieren) würde, anstatt sie geist-los (d.h. ohne Herausarbeiten ihres ideelen Gehaltes) und mit den entsprechenden sozialen und kulturellen Folgen (Kernkraft, Gentechnik) zur naturwissenschaftlichen Technik zu degradieren. Auch die Forschungsergebnisse über die biologisch-dynamischen Kompost- und Spritzpräparate stellen durch die signifikanten Effekte der angewandten sehr geringen Mengen (z.B. 4 g/ha präpariertes und in Wasser dynamisiertes Quarzmehl) dieser unscheinbaren Substanzen eine stoffliche Kausalität in Frage. Es konnten sogar die von STEINER (1924 b) angegebenen strahlenden, d.h. nicht stofflichen Kräfte der biologisch-dynamischen Kompostpräparate durch das Experiment bestätigt werden (HAGEL 1999, 2002). Auch dieses Beispiel aus dem landwirtschaftlichen Bereich zeigt, wie der Weg der klassischen Naturwissenschaft gerade durch die von ihr erarbeiteten Ergebnisse und Begriffe an Erkenntnisgrenzen ankommt, die sie auf diesem Wege nicht wird lösen können. Die Forderung nach einer Erweiterung der Erkenntnis, wie sie von der Anthroposophie allgemein sowie als Grundlage des biologisch-dynamischen Landbaus angestrebt wird, ist somit in der Sache der Naturwissenschaft selber begründet. Das Lebendige als Grundlage aller sicht- und messbaren Prozesse und Gestaltungen ist selber nicht sinnlich sichtbar. Es ist über-sinnlicher Natur und kann nur durch entsprechende Erweiterung der Erkenntnisfähigkeiten wahrgenommen werden (STEINER 1904, 1904/5, 1910). Unabhängig von diesem Schulungsweg, der zu dieser Art des Wahrnehmens gehört wie z.B. der Schulungsweg des Chemikers über die Analyse, verliert die naturwissenschaftliche Arbeitsweise der experimentellen Beobachtung nichts von ihrer Bedeutung. Ihre Deutung erfährt allerdings mit Bezug auf die belebte Natur eine Erweiterung. Denn das bewirkende Geistige in der Welt (z.B. das den Erscheinungen der Physiologie zugrunde liegende Leben) steht nicht beziehungslos, sondern in konkreten und begrifflich erfassbaren Verhältnissen zur Sinneswelt. Die mit naturwissenschaftlichen Methoden erfahrbare Sinneswelt ist also als Bild der sie schaffenden geistigen Kräfte zu verstehen. Die einzelnen Details wurden von Steiner dargelegt. Diese sind ohne den o.a. Schulungsweg verständlich. Sie erfordern allerdings eine intensivere gedankliche Bearbeitung, als man dies üblicherweise vom Lesen wissenschaftlicher Publikationen kennt. Damit bleiben die naturwissenschaftlichen Beobachtungen auch für den biologisch-dynamischen Forschungsansatz aktuell, da sie als Bild geistiger Wirksamkeiten zu diesen ein Verbindungs- und Prüfglied darstellen, wenn man sie entsprechend liest. So konnten z.B. die festen Kleber der modernen E- und A-Weizen als ein Bild für eine entvitalisierte Pflanzenkonstitution mit entsprechend fragwürdigen Konsequenzen für die Nahrungsqualität erkannt werden.
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Literatur
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