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Lebendige Erde 6/2002:ForschungBiologisch-dynamische Forschung zwischen "wissenschaftlicher Weltsicht" und "Ideologie"Dr. Georg Eysel Vor kurzem wurden Öko-Landbau und biologisch-dynamische Landwirtschaft in der Presse von wissenschaftlicher Seite wieder mal als "okkult", "ideologisch", "irreal" und "esoterisch" einer "wissenschaftlichen und realistischen Weltsicht" gegenüber gestellt. Was steckt hinter diesen Vorwürfen? Sicher kursiert seitens der konventionellen Agrarforschung die Angst vor dem Verlust bisheriger Privilegien bei einer stärkeren Ausdehnung des Öko-Landbaus. Doch ist das alles? Im Hintergrund waltende Weltanschauungen scheinen hier einen Konflikt zu produzieren, der die Lager spaltet. Während der Öko-Landbau eine langfristig zukunftsfähige Landwirtschaft
und Umweltsicherung durch die Gleichberechtigung ökologischer, sozialer
und ökonomischer Ziele anstrebt, ist die konventionelle Landwirtschaft
fast ausschließlich auf kurzfristige Ertragsmaximierung fixiert, der
sich die Agrarökosysteme anzupassen haben, während soziale und ökologische
Aspekte vernachlässigt werden (Höfesterben, Umweltzerstörung). Im Öko-Landbau
setzen die ökosystemaren Gegebenheiten dem Menschen kurzfristig engere
Grenzen.
Auf beiden Seiten versucht die jeweilige Wissenschaft diesen unterschiedlichen Ausgangsbedingungen Rechnung zu tragen: Im Öko-Landbau ein ökosystemarer und von Nachbardisziplinen biologisch-ökologisch gestützter Ansatz, in der konventionellen Landwirtschaft Ton angebend Agrarökonomie, -technik und -chemie, um die Ökosysteme mit meist hohem Kapital- und Energieaufwand zu stabilisieren. Hier also ein "entgrenzt" managender Homo Faber, dort der Grenzen akzeptierende und beachtende "Öko". Diese unterschiedlichen Haltungen auch bei den Forschern führt m. E. zu den anfänglich genannten Vorwürfen: Das Agrarökosystem mit einer "wertfreien und wissenschaftlichen Weltsicht" zu betrachten führt dazu, dass dem derart präparierten Forscher zunächst alles möglich scheint - nichts hat einen Wert, sonst würde man sich ja dem der Gegenseite oft zugeschobenen Ideologie-Vorwurf aussetzen. Tatsächlich ist ein wesentliches Charakteristikum von Wissenschaft ihre sogenannte "Wertfreiheit": Die subjektiven Eindrücke der Forscher müssen objektivierbar, überprüfbar und wiederholbar sein, um zu wissenschaftlich akzeptierter Realität zu werden (methodischer Positivismus). Diese Methode hat den Vorteil, dass sie einen Realitätsausschnitt wiedergibt, der für die Allgemeinheit, zumindest eine gewisse Zeit lang, Plausibilität aufweist. jeder Forscher setzt Werte voraus - aber nicht
alle überprüfen sich Darüber hinaus geht der methodische Positivismus durch den Glauben, die Vorgänge in der Welt allein mit dieser Methode erfassen zu können, oft unbemerkt in einen weltanschaulichen über. Diese Weltanschauung klammert streng genommen alle Phänomene des Lebens, die sich mit ihrer Methode nicht fassen lassen, aus, und erklärt sie im schlimmsten Falle für nicht existent oder unbedeutend. ganzheitlich forschen heißt Werte zu reflektieren
Doch wir Menschen müssen, wie gesagt, unser (Zusammen-)Leben wertbezogen gestalten. Unserer Wertesysteme sind wir uns häufig kaum bewusst, und handeln doch auf ihrer Grundlage. Diese Tatsache sollte ein biologisch-dynamischer Forschungsansatz offen ansprechen und sich entgegen der "konventionellen Verschleierung" auf diesem Feld zu seiner wertsetzenden Menschen und Umwelt freundlichen Haltung bekennen: Wir wollen die Seele des Menschen nicht außen vorlassen, wir wollen den Menschen und Arbeitsplätze und nicht nur Technik im ländlichen Raum, wir wollen unseren Kindern eine lebenswerte kulturelle und natürliche Umwelt sowie ein geglücktes soziales Miteinander über- und weitergeben - kurz gesagt: Wir wollen uns den Menschen, die Natur und die Spiritualität Sinn stiftend bewahren und in unsere Forschungsansätze integrieren. Unsere Forschungsmethoden jedoch - und das muss betont werden - müssen strenger wissenschaftlicher Prüfung stand halten, was sie bisher auch tun: Zu Grunde liegendes Paradigma und wissenschaftliche Methodik sind unbedingt sauber und scharf zu trennen. Dies ist gerade im von außen überaus kritisch beäugten bio-dynamischen Bereich von hoher Wichtigkeit.
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Als bio-dynamischer Forscher sollte man sich ruhig mutig zu der eben umrissenen Haltung bekennen, jedoch keinesfalls arrogant auf die anderen herabblicken. Denn in einer Zeit, in welcher der Öko-Landbau agrarpolitisch die Führung übernimmt und alles stärker im Wandel scheint denn je, wäre dies verheerend für den biologisch-dynamischen Impuls, der sich heutzutage nur schwer Gehör verschafft, und würde Steiners Wunsch nach der Entwicklung eines "sozialen Menschenverständnisses" widersprechen. Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall. Dialog, Verständnis, Toleranz, Offenheit, kritisches Hinterfragen und der Mut zur sinnvollen Anpassung - eine Vorraussetzung für gesunde Lebendigkeit - bilden die Grundlage für Steiners zweite Forderung nach "echter Gedankenfreiheit". Wenn es dann noch gelingen sollte, die seelisch-geistige und spirituelle Dimension ("lebendiges Wissen von der geistigen Welt"), die v. a. in der biologisch-dynamischen Forschung Berücksichtigung finden könnte, zu integrieren, so wäre unglaublich viel gewonnen. erst im Dialog auch mit kulturellen Disziplinien
wird Naturwissenschaft ganzheitlich Ein gesonderter Fall ist der Umgang mit der Präparateforschung: Man arbeitet zwar mit gängigen, in der "konventionellen Wissenschaft" anerkannten Methoden, untersucht jedoch ein Thema, das überhaupt erst durch "übersinnliches Schauen" Steiners aufgeworden wurde. Zuletzt genanntes wird in weiten Teilen konventioneller Wissenschaft als "esoterisch" angesehen. Und unter uns: Wollen wir es dem in Anthroposophie unbewanderten Wissenschaftler übel nehmen, dass er bei zerriebenem Bergkristall, in einem Kuhhorn im Acker vergraben und nach langem gerichteten Rühren in mehr als homöopathischer Verdünnung auf den Acker gespritzt, zusammenzuckt? Ohne den anthroposophischen Hintergrund und den Glauben an die Fähigkeiten Steiners scheint solch ein Verfahren zunächst keinen Sinn zu machen in einer Welt, in der Technik, Chemie und scheinbar beherrschbare Laboranalytik den Forschungsalltag in der Landwirtschaft bestimmen. Da können die Ergebnisse 100 Mal statistisch abgesichert sein. Hier geht es also darum, dem derart ungeschulten Mitmenschen diese spezielle Thematik sehr behutsam näher zu bringen - eine große Herausforderung für alle Beteiligten.
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