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Lebendige Erde 6/2003:ForschungHolzforschung im Zeichen des Mondesvon Ernst Zürcher
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Geburtshaus von Ulrich Zwingli (1484 - 1531) in Wildhaus SG, Baujahr 1451. Es wird vermutet, dass das noch gut erhaltene Bauholz nach den geschilderten Traditionen gefällt wurde |
Im Rahmen moderner Holztechnologie wird uraltes Wissen aufgegriffen und auf einen Wahrheitskern geprüft. Erste Ergebnisse übertreffen die Erwartungen. Die Forschung rund ums Holz befindet sich vor der Aufgabe, aus dem eigenen Spezialisierungsbereich einen zweifachen Beitrag zu leisten. Einerseits soll sie angesichts der aktuellen Klima- und Umweltproblematik Lösungen aufzeigen, die es der menschlichen Tätigkeit ermöglichen, die Naturwelt schonend und mit Rücksicht einzubeziehen. Andererseits sind wir je länger je mehr auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht, wo die Bedürfnisse unserer Gesundheit und unserer inneren Entwicklung ebenso berücksichtigt werden wie diejenigen unserer Arbeitswelt. Vielleicht können wir von "äußerer" und "innerer" nachhaltigen Entwicklung sprechen.
Holz birgt Potenziale der Nachhaltigkeit
Das Holz als Bau- und Werkstoff sowie als Energiequelle bietet für beide
Perspektiven wertvolle Beiträge und Potentiale, die noch weitgehend
brach liegen.
Zur "äußeren" Nachhaltigkeit:
Zur "inneren" Nachhaltigkeit:
Vor diesem Hintergrund bemüht sich die Holzforschung, die Einsatzmöglichkeiten
des Hauptwaldproduktes in moderne Bauweisen und Technologieverfahren
einfließen zu lassen. Noch unausgeschöpfte Potentiale des Holzes sollen
gezielt zur Geltung gebracht werden. In dieser Hinsicht bietet laut
Traditionen das sogenannte "Mondholz" (d.h. Holz, das an mondphasenbezogenen
Fällzeitpunkten geschlagen wurde) eventuell wichtige Vorteile, die man
kürzlich begonnen hat, wissenschaftlich zu prüfen und zu testen. Heute
werden die Eigenschaften solchen Holzes noch kontrovers interpretiert.
Aus verschiedenen Arbeiten ergibt sich allerdings allmählich ein Bild
der physikalisch-chemischen Prozesse, die hinter den beobachteten rhythmischen
Variationen bei den Holzeigenschaften stehen könnten.
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Fällregeln in der Tradition und in der Praxis
Beim Lesen von Werken über volkstümliche Bräuche und Bauernregeln, über
Aussagen von Autoren des Altertums, oder auch bei Gesprächen mit Gärtnern,
Landwirten, Förstern oder Holzverarbeitern mit empirischer Erfahrung,
die auf alten Traditionen basiert, fallen einem zwei Tatsachen auf:
Aufschlussreich über das frühere Empfinden der Holzqualitäten sind auch Regeln aus dem französischen Sprachraum:
Verschiedene Autoren vermuten, dass im zentraleuropäischen Raum ein
solches Gedankengut aus der ursprünglichen keltischen Kultur entspringt
- die Zeiteinteilung basierte damals auf einem Mondkalender (Fund von
Cologny). Von den Kelten weiss man, dass sie hervorragende Holz- und
Metallhandwerker waren (ihre Eichenholzfässer haben die römische und
griechische Amphora verdrängt). Ihre Druiden hatten grosse Kenntnisse
in der Pflanzenheilkunde, der römische Autor Plinius berichtet, dass
sie die berühmte Mistel nach den Mondphasen ernteten.
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Forschung über Fällzeitpunkt und Holzeigenschaften
Drei Untersuchungen spezifisch über den Zusammenhang einiger Holzeigenschaften mit den Mondphasen wurden nun in den letzten Jahren durchgeführt. Bei einer Arbeit an der ETH-Zürich wurden insgesamt 30 Fichten aus sechs Fällzeitpunkten (drei bei zunehmendem und aufsteigendem Mond und drei bei abnehmendem und absteigendem Mond) in Probenserien nach vier Himmelsrichtungen zerlegt und nach Trocknungs- / Schwindverhalten, Darrdichte im Endzustand und Druckfestigkeit untersucht. "Zu- und abnehmend", resp. "auf- und absteigend" beziehen sich auf zwei unterschiedliche Mondrhythmen, die in den Regeln Erwähnung finden. Aus dem relativ homogenen Ausgangsmaterial stellte sich z.B. heraus, dass für die Splintholzproben gesamthaft und nach den zwei Fällsituationen betrachtet, sich die Darrdichten deutlich und statistisch gesichert unterschieden: Mittelwert ca. 0.46 g/cm3 für das "ungünstige" Fällen (bei zunehmendem und aufsteigendem Mond) gegenüber ca. 0.51 g/cm3 für das "günstige" Fällen (gegen Neumond). Im Kernholz geht die Tendenz abgeschwächt in die gleiche Richtung. Zwei ähnlich konzipierte Untersuchungen (in Tharandt mit 120 Fichten; in Freiburg i.Br. mit 60 Fichten) konnten ihrerseits zwar keinen gesamthaft statistisch gesicherten Unterschied zwischen beiden Fällsituationen feststellen; interessant ist aber, dass jedesmal im Dezember-Januar die Neumondwerte der End-Darrdichten für Splintholz deutlich und signifikant über den Vollmondwerten liegen. Diese Tendenz liegt in voller Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus Zürich (Abb.2). |
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Diese fällzeitbedingte Unterschiede sind zunächst für unsere holzphysikalischen Kenntnisse erstaunlich. Eine kürzlich geprüfte und bestätigte Erklärung dazu ist, dass das Holz einmal das Wasser leichter verliert und dadurch eine tiefere Dichte erhält, abwechslungsweise mit Phasen, wo das Wasser stärker an die Zellwand gebunden bleibt, mit höheren Dichten als Resultat. Hinzu ist zudem die Untersuchung der Druckfestigkeiten des Splint- und Kernholzes durchgeführt worden, sowohl für das direkt nach dem Einschlag getrocknete Holz, wie auch für Proben, die einer zweieinhalbjährigen Bewitterung ausgesetzt waren. In beiden Fällen war das dichtere "vor-Neumond-Holz" in der Regel auch deutlich druckfester als das "vor-Vollmond-Holz". Dies zeigt, dass eine Art Prägung durch den spezifischen Fälltermin offensichtlich fortbesteht. In Bezug auf die erwähnten Fällregeln scheint eine bestimmte Kohärenz vorzuliegen:
Das Verhalten von Kernholz, also des inneren, nicht mehr lebenden Hauptteil
des Stammes, wurde parallel zum äusseren, lebenden Splintholz ausgewertet.
Es war ähnlichen Variationen unterworfen, jedoch in schwächerem Ausmass.
Diese ersten Resultate führen somit zu einer kritischen Beurteilung
des ganzen Fragenkomplexes: Die Fällregeln gelten offenbar nicht in
gleichem Maße über die ganze Winterperiode, wie es in der Populärliteratur
oft vereinfachend behauptet wird. Sie werfen aber neue Forschungsfragen
auf, weil der Faktor "Mond" offensichtlich mindestens im Dezember-Januar
das Trocknungsverhalten und die resultierende Holzdichte und die Dauerhaftigkeit
(vor allem im Splint) mitprägt. Es sei noch erwähnt, dass es eigentlich
kein "günstiges" oder "ungünstiges" Holz im absoluten Sinn gibt, sondern
eine mehr oder weniger adäquate Relation zwischen Eigenschaften und
Verwendungszweck. Zu jedem Zeitpunkt gibt es also "gutes" Holz zu fällen.
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Ein neues Forschungsprojekt
In diesem Projekt werden insgesamt 648 Bäume untersucht, aus sechs
typischen Schweizer Standorten und nach 48 sukzessiven und simultanen
Fällungen (die drei oben erwähnten Forschungsarbeiten basierten vergleichsweise
auf einem Total von 210 Bäumen für sechs Fällungen). Fällungszeitraum:
anfangs Oktober 2003 bis Mitte März 2004. |
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Literatur zur Thematik BARISKA, M. UND RÖSCH, P. (2000): Fällzeit und Schwindverhalten von
Fichtenholz. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 151 (2000) 11,
S. 439-443. |
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Ernst Zürcher, Schweizerische Hochschule für die Holzwirtschaft, SH-Holz, CH-2504 Biel, ernst.zuercher@ swood.bfh.ch
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