Lebendige Erde 3/2004:

Forschung

Das Ährenbeet mit Weizen – eine methodische Untersuchung

Taugt das Ährenbeet als biodynamische Methode der Zuchtauswahl auch bei Weizen?

von Eckart Irion
Körner aus verschiedenen Lagen (Stufen) einer Ähre nachgebaut, bringen unterschiedliche Resultate – Ansatzpunkt für Züchter, die nach Variabilität suchen

In einem Ährenbeet werden die Körner einer Ähre so in die Erde gelegt, wie sie in der Ähre angeordnet waren. Die Körner zweier Ährchen, die sich wechselständig an der Ährenspindel gegenüberstehen, werden zu einer Lage zusammengefasst und von der Ährenbasis beginnend mit 1., 2. usw. Lage bezeichnet (Abb1.) und im Abstand 10x10 cm gesät. Jede daraus wachsende Pflanze kann das Wachstumspotential, das in ihr steckt, dadurch besser zur Offenbarung bringen. Das Ährenbeet ist wie ein lebendiges Vergrößerungsglas für die Stoffe und Kräfte, die in der Ähre zusammengefasst sind. Es ist ein Verfahren, das den Züchter bei der Auslese zuchtwertiger Pflanzen für den Weiterbau unterstützt. Es wurde von Martin Schmidt am Roggen entwickelt (v. Wisting­hausen, 1967). Aus den damaligen Ergebnissen wurde deutlich, dass die Häufigkeit zuchtwertiger Pflanzen nicht gleichmäßig über das ganze Ährenbeet verteilt ist, sondern dass ganz bestimmte Lagen und Ährenbereiche häufiger zuchtwertige Pflanzen hervorbringen. Das bedeutet, dass man von Positionseffekten sprechen kann, die sich für die Zuchtauslese nutzen lassen. Beim Roggen ist auch durch die Fremdbestäubung eine Differenzierung der Qualitäten innerhalb einer Ähre angelegt.

Versuchsfrage: Einzelähre ohne Ährenbeet bei Weizen?
Was kann man bewirken, wenn man diesen Züchtungsansatz auf den Weizen mit seiner Selbstbestäubung überträgt? Letztere bedeutet, dass die Pollen einer Blüte nur auf die eigenen Narben fallen und damit eine Abgeschlossenheit gegenüber anderen Weizenpflanzen erreicht wird, natürliche Kreuzung so gehemmt wird. Durch die Selbstbestäubung des Weizens wird die strenge Linienzüchtung des Ährenbeetes weiter verstärkt. Es stellt sich daher die Frage, ob beim Weizen die Auslese aus einer Einzelährennachkommenschaft ohne Ährenbeetanordnung (Körnerbeet) genauso erfolgreich ist wie aus einem Ährenbeet, bei dem die Positionseffekte berücksichtigt werden? Im Körnerbeet werden alle Körner einer Ähre nicht nach Lagen, sondern durcheinander in einem Beet ausgesät. Es ist damit die Frage nach der Methode gestellt, die bisher nicht näher untersucht wurde. Wie kann diese Methode im Vergleich zu anderen beschrieben werden, wo sind ihre besonderen Möglichkeiten, ihre Grenzen, auch gerade beim Umsetzen auf eine andere Getreideart?

 

Abb. 1 Der Weg der Körner einer Ähre über den Ährenbeetkasten zum Ährenbeet, z.B. 2. und 8. Lage

 

 

Versuchsdurchführung
Für die Untersuchungen wurden 4 Weizenlinien ausgewählt: Zwei davon standen bereits in einer achtundzwanzigjährigen Ährenbeetbearbeitung, waren ortsangepasst und hatten weichen Kleber als Eiweißqualität (16 Ähren). Die zwei anderen stellte Peter Kunz zur Verfügung (8 Ähren), sie stammten aus der ersten Generation nach einer Kreuzung, hatten also eine hohe Variabilität und gute Voraussetzungen für hohe Eiweißqualität und kamen aus einer anderen Landschaft (Tab. 1).

25% der Ähren aus allen 4 Linien wurden in Ährenbeete (ä), 25% in Ährenbeeten mit verdeckter Herkunft und Vergangenheit (cä) und 50% in Körnerbeete (k) gelegt, d.h. die Körner einer Ähre wurden gedroschen und zufallsverteilt in ein Beet gesät. Alle drei Varianten hatten einen 10 x 10 cm Pflanzabstand, wie er beim Ährenbeet verwendet wird. (Abb. 2) Im ersten Jahr ging es vor allem darum, den nötigen Versuchsumfang herzustellen, d.h. aus den ursprünglich 24 Beeten wurden im zweiten Jahr 62 Beete. Ausgelesen wurde in allen Varianten erstens auf Pflanzen mit deutlich ausgeprägter Ährenneigung, auf Pflanzen mit kräftigen Ähren bei 11 oder mehr Lagen, zweitens auf Ähren mit einem TKG von 40g (=Tausendkorngewicht als Maß für das Gewicht der Körner – ein Weizenkorn wiegt ca. 4 mg). In die Untersuchung wurden auch die Ergebnisse der Nachbauparzellen und der Analysen auf Eiweißmenge und -qualität einbezogen, sowie bei den Ährenbeeten die Position, d.h. die Lage. Durchgeführt wurden sie in Hof Grub auf mittleren Böden im bayerischen Voralpenland, Versuchsbeginn im Herbst 1997 bis Sommer 2002 als letzte Ernte.

 

 
  Herkunftslandschaft Vergangenheit Eiweißqualität
Grub 1 ortsangepaßt Langjährig als Ährenbeet Niedrig und weich
Grub 2 ortsangepaßt Langjährig als Ährenbeet Niedrig und weich
Kunz 1 Landschaftswechsel Aus Kreuzung, hohe Variabilität Hoch und fester
Kunz 2 Landschaftswechsel Aus Kreuzung, hohe Variabilität Hoch und fester

Tab. 1: Übersicht der Linien und ihre Herkunft

Abb. 2: Züchtungsgang und Auslese über die Jahre

 

 

Versuchsergebnis
Ein Bild für die Verhältnisse zwischen den Aussaatähren und den entsprechenden Ährenbeeten läßt sich aus dem Prozeß zwischen Kornzahl, d.h. der Anzahl der Körner pro Ähre, und dem Ertrag ablesen. Sie ist neben dem Tausendkorngewicht (TKG) das zweite wertbestimmende Merkmal der Ähre. In Abb. 3 und 4 sind die durchschnittlichen Kornzahlen der einzelnen Varianten den entsprechenden durchschnittlichen Erträgen gegenüber gestellt. Zwischen Kornzahl und Kornertrag besteht eine statistisch nicht gesicherte Korrelation von 0,74.

 
Abb. 3: Ährenbeet versus Körnerbeet: Kornzahlen der Ausgangsähren, Entwicklung über fünf Jahre Abb. 4: Ährenbeet versus Körnerbeet: Kornertrag der Beete, Entwicklung über drei Jahre
 

Der Ertrag und der Sedimentationswert sind wichtige Maße, um die Auswirkung der Auslese zu beurteilen; der Ertrag der Parzellen wird auf einen Hektar umgerechnet, in dt/ha. Der Sedimentationswert ist Ausdruck der Eiweißqualität. Sedi98 ist der Sedimentationswert, gemessen an den Beeten von 1998, dazu im Vergleich die Parzellen im Jahr 2000 = Sedi00 und der Ertrag (Abb. 5), ausgedrückt in Punkten von 5 bis über 90. Die Linien im Diagramm verdeutlichen das Verhältniss vom Ährenbeet zum codierten Ährenbeet bzw. zum Körnerbeet bei den verschiedenen Parametern.
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Abb. 5: Ährenbeet und Körnerbeet:
Sedimentationswert und Ertrag

In zwei Bereichen innerhalb der Ährenbeete traten eindeutige Ergebnisse statistisch gesichert zu Tage: In einem Jahr trat ein höherer Befall durch die Getreidehalmfliege auf; sie legt ihre Eier während des Halmwachstums in den Ährenansatz, von dort frißt sich die Made bis zum letzten Knoten und bewirkt, dass das Längenwachstum kaum fortgesetzt wird, d.h. der Halm gestaucht bleibt und die Körner dann weniger gefüllt werden. In den Gruber Linien bei Ährenbeeten aus dem oberen Drittel trat signifikant weniger Befall auf als in den Körnerbeeten. Gegen den Rest der Ährenbeete war zwar auch ein großer Unterschied, aber nicht signifikant.

Vergleicht man Ährenbeete aus mehreren Jahren, so wird deutlich, dass verschiedene Lagen signifikant häufiger als Elite, d.h. als Fortführung der Zuchtlinie ausgewählt werden (Abb. 6). In diesem Fall, wie aus Abb. 6 hervorgeht, sind es die Lagen 3, 8, 10, 12. Es ist klar, dass die 1., die 13. und 14.Lage sehr selten angebaut werden, da sie teilweise gar nicht ausgebildet sind. Die 5., 9. und 11.Lage werden seltener ausgewählt. Die Ähren werden als erstes nach morphologischen Gesichtspunkten aus gewählt, wie am Anfang kurz dargestellt wurde. Was daraus ertraglich wird, ist in Abbildung 7 dargestellt, die obere Kurve zeigt die Ertragsmittelwerte der Ährenbeete der einzelnen Lagen, die untere wie stark die einzelnen Werte davon abweichen können. Das sind Ergebnisse, die auf die Möglichkeiten des Ährenbeetes hinweisen, aber man kann nicht von Gesetzmäßigkeiten sprechen.
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Abb. 6: Bestimmte Lagen kommen eher in die Zuchtauswahl; Auswahlhäufigkeit der einzelnen Lagen Abb. 7: Mehr Ertrag aus den Körnern bestimmter Lagen? Durchschnittliche Ährenbeeterträge und ihre Abweichungen in den einzelnen Lagen
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Im zweiten Versuchsjahr war die Tendenz deutlich, dass die Körnerbeete mehr Ertrag als die Ährenbeete hatten. Diese Tendenz hat sich im dritten Jahr nicht verstärkt, sondern in ganz andere Richtung entwickelt – bei zweien verstärkt ohne Signifikanz, bei zweien aufgehoben. Die Linien haben sich in den einzelnen Jahren unterschiedlich entwickelt. Aus Roggenuntersuchungen mit Ährenbeeten kommt das Ergebnis, dass der Ertrag mit der unteren Ährenhälfte zusammenhängt, teilweise statistisch gesichert, teilweise als Tendenz. Dieser Zusammenhang war in der vorliegenden Weizenuntersuchung nirgendwo zu finden, im Gegenteil, aus der Abbildung 7 kann man ablesen, dass höherer Ertrag beim Weizen in dieser Untersuchung mehr mit Ähren aus der oberen Hälfte zusammenhängen könnte.

Weder in der Gesamtauswertung, noch in Teilauswertungen in den einzelnen Jahren war es möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob zwischen den Ergebnissen aus den Ährenbeeten und den Körnerbeeten in diesen fünf Jahren am Anbauort Hof Grub statistisch gesicherte Unterschiede vorliegen.
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Fazit: Körnerbeet – eine Alternative zum Ährenbeet bei Weizen
Nach diesen Ergebnissen ist die Frage Weizen und Ährenbeet noch einmal neu zu stellen: Man kann dem Weizen über Kreuzungen und in geringerem Umfang auch über einen Anbau unter guten bis sehr guten Bodenbedingungen neue Beweglichkeit, neue Variabilität zufügen. Dies ist notwendig, um züchterisch neu gestalten und auslesen zu können. Das war weder über Ährenbeete, noch über Körnerbeete unter den Gruber Bedingungen in diesen fünf Jahren möglich. Das Ährenbeet ist strenge Linienzüchtung, eine einzelne Ähre wird unter das Vergrösserungsglas "Ährenbeet" gelegt. Der Vorteil des Ährenbeetes liegt darin, dass es die Kräfte, die in einer Ähre schlummern, durch den weiten Stand vergrößert und im Jahreslauf zu zeigen vermag. Letzten Endes ist es die Sache des Züchters, was er aus diesem Pflanzenbild lesen und erfassen kann und welche Zuchtentscheidung er daraus fällt – entscheiden muss er immer, ob man von Gesetzmäßigkeiten der Pflanze spricht oder nicht. Unter Ertragsaspekten ist das Körnerbeet mindestens genauso gut wie das Ährenbeet und hat einen geringeren Zeitaufwand. Es ist nur eine, nicht die einzige Alternative zum Ährenbeet. In beiden Verfahren hat die einzelne Pflanze mindestens einen Abstand von 10x10cm zur nächsten. Eine andere Variante ist der Reihenversuch oder die Parzelle, mit denen das Ährenbeet verglichen werden könnte, dabei würde die höhere Pflanzendichte einbezogen werden.

Zusammenfassung
Aus der Untersuchung wird deutlich, dass zwischen den Ergebnissen aus den Ährenbeeten und aus den Körnerbeeten keine statistisch gesicherten Unterschiede bestehen. Es war nicht möglich, durch Linienführung Ertragsmerkmale differenziert auszuprägen. Der Weizen als Selbstbestäuber läuft im Ährenbeet Gefahr, zu stark geformt zu werden, er braucht immer wieder Impulse neuer innerer und äußerer Beweglichkeit aus Kreuzung oder Anbauwechsel. Als Vereinfachung des Ährenbeetes zeigen sich Aspekte, die aus den Bildern der gedrittelten Ähre stammen.
 

 
Literatur
Wistinghausen, E.v.; Die Ährenbeetmethode von Martin Schmidt, Elemente der Naturwissenschaft, Dornach 1967,6
Eckart Irion,
Verein für Pflanzenzucht,
Hof Grub,
83567 Unterrreit