Lebendige Erde 5/2004:

Forschung

Möglichkeiten und Grenzen bildschaffender Methoden

Eine Frage der Erkenntnishaltung

von Martin Rozumek

Bildschaffende Methoden werden vielfach für Qualitätsuntersuchungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln eingesetzt. Was leisten die Methoden und welche Grenzen haben sie? Wie sind ihre Ergebnisse zu deuten? Zahlreiche Kontroversen um diese Fragen gaben Anlass, hier Gesichtspunkte für die Urteilsbildung zu entwickeln. Dem diente eine sich über vier Jahre erstreckende Zusammenarbeit von zwölf Wissenschaftlern - Routineanwender und Kritiker, Natur- und Kulturwissenschaftler - im früheren ‹Beratungskreis Forschungsförderung› der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland.1

Kupferchlorid-Kristallisation mit Zusatz Kristallisationsbild von Löwenzahnblüten © Uwe Geier, Forschungsinstitut am Goetheanum, Dornach

Widersprüchliche Positionen und unterschiedliche Erfahrungen
Über die bildschaffenden Methoden gab und gibt es zum Teil unverträgliche Ansichten. Auffassungen, in der lebendig anmutenden Gestalt und Schönheit der Bilder würde sich unmittelbar die "Lebendigkeit" der untersuchten Probe widerspiegeln, bildschaffende Methoden würden ätherische Bildekräfte, also Übersinnliches, "sichtbar" machen, und die Bilder ließen sich dabei wie Meßwerte für Ätherisches handhaben, ist eine gewisse Naivität nicht abzusprechen. Sie rechnen nicht damit, dass man sich mit der Frage nach Qualität und Lebendigkeit in ein Gebiet begibt, zu dem unser gegenständliches Denken keinen Zugang hat.

Das entgegengesetzte Extrem dazu besteht in der Ansicht, bildschaffende Methoden seien bestenfalls als Ergänzungen anzusehen, da sie die Beschaffenheit der Proben nicht eindeutig wiedergäben und insofern nichts über deren Qualität aussagen. Tatsächlich kann eine qualitativ höherwertige Probe die weniger ansehnlichen Bilder liefern. Solche "kritischen" Positionen sind in der Gefahr, nichts durchgehen zu lassen, was sich dem Verstand verschließt. Dabei sehen sie unter Umständen gleichfalls am Lebendigen vorbei, indem sie Qualität und Lebendigkeit mit unangemessenen Methoden behandeln wollen. Leben ist mehr als Stofflichkeit.

Daneben spielen unterschiedliche Erfahrungen mit bildschaffenden Methoden eine bedeutende Rolle für die Urteilsbildung: Einerseits besteht vor allem im Bereich der Qualitätsbeurteilung landwirtschaftlicher Produkte eine anerkannt erfolgreiche Praxis, die zum Teil sogar die Unterscheidung konventionell, biologisch-organisch und biologisch-dynamisch angebauter Produkte im Blindversuch leistet. Auch Untersuchungen von Wasser mit der Tropfbildmethode und von Humanblut mit der Kupferchlorid-Kristallisation werden routinemäßig in nennenswertem Umfang betrieben. Andererseits sind die bildschaffenden Methoden in der Qualitätsprüfung für pharmazeutische Rohstoffe auf dem Rückzug, seit deutlich geworden ist, dass sich zum Beispiel Pestizidrückstände in den Bildern nicht unbedingt niederschlagen, die Methoden also wichtige Qualitätsmerkmale nicht erfassen.

In der Arbeit des "Beratungskreises" hat sich gegenüber dieser Situation herauskristallisiert, daß die Urteilsbildung ein genaues Eingehen auf Erkenntnisart und Begriffsbildung im Umgang mit den verschiedenen Methoden voraussetzt. Dies wurde anhand der Auswertung eines Kupferchlorid-Kristallisats und eines Gaschromatogramms (siehe Kästen) unternommen, jeweils stellvertretend für ein typisches Produkt eines bildschaffenden und eines instrumentell-analytischen Verfahrens. Dabei hat es sich als angemessen erwiesen, kein allgemeingültiges Urteil anzustreben, sondern Gesichtspunkte für Anwendung und Beurteilung der Methoden im einzelnen Fall sowie für die Frage ihrer Validierung2 zu erarbeiten.
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Begriffsanwendende Erkenntnistätigkeit ist Voraussetzung
Messwerte und Spektren geben für die unmittelbare Sinnesbeobachtung zunächst nichts her. Sie sind in ihrer Gestalt allein durch das angewendete Verfahren bestimmt; nur die Größe der Werte wird durch die Probe bestimmt. Erst wenn ihnen bei der Interpretation inhaltsvolle gedankliche Bestimmungen entgegengebracht, das heißt die einzelnen Werte aus dem Vorwissen des Interpretierenden heraus identifiziert werden, beginnen sie zu "sprechen". Diese Erkenntnistätigkeit kann als begriffsanwendend (Thomas Kracht) beschrieben werden, da es sich um ein Wiedererkennen von bereits Erkanntem handelt. Sie findet eine Steigerung darin, aufgrund des schon Gewussten immer besser hinschauen zu können und immer genauer, aber darum auch eingegrenzter zu erkennen. Die aufs Einzelne, Spezielle gehende Erkenntnisweise kann jedoch auch bis zu einem bildhaften Auffassen verdichtet werden, wenn nicht isolierte Meßwerte, sondern die zwischen den Werten bestehenden Verhältnisse betrachtet werden. Ein Gas-Chromatogramm kann dann als Ausdruck oder Bild einer Substanzkomposition angesehen werden. Es ermöglicht auf diesem Wege, wenn die Messwerte einmal identifiziert sind, auch qualitative Aussagen - vorausgesetzt, ich verfüge über eine qualitative Auffassung ihres Verhältnisses zueinander. Auf solchem Wege können neue Zusammenhänge auf der Grundlage der immer genaueren Untersuchung des Bekannten gewonnen werden.

Im Unterschied zur instrumentellen Analytik entstehen durch die bildschaffenden Methoden Gebilde, die unmittelbar die sinnliche Beobachtung durch ihren Gestaltreichtum herausfordern. Entscheidend ist jedoch, dass die Gestalten durch die Probe mitbestimmt sind. Das gemeinsame Prinzip der bildschaffenden Methoden besteht darin, die Probe einem System zuzusetzen, das sich aufgrund einer innewohnenden Labilität schon durch geringfügige Ursachen beeinflussen läßt (Non-equilibrium-System) und diesen Einfluss in Veränderungen eines gestaltbildenden Vorgangs widerspiegelt.

Die Auswertung kann nun in ähnlicher Weise interpretierend-begriffsanwendend wie bei einem Gas-Chromatogramm vorgenommen werden, zum Beispiel indem bestimmte Merkmale eines Blutkristallisationsbildes als Zeichen für das Vorhandensein dieser oder jener Krankheit erwartet werden. Der Begriff zur Identifikation der Gestalt ist dann vorher schon gebildet worden. Auf dieser Ebene einer sehr gegenständlichen Auffassung der Bilder stößt man jedoch schnell an Grenzen: Die Bilder sind nicht wie Messwerte eindeutig fixiert und auf systemunabhängige Größen bezogen. Zudem können verschiedene Proben ähnliche Bilder ergeben, sogar wenn es sich um Proben biologischen Ursprungs im Vergleich mit solchen von mineralischen Stoffen handelt. Für die Identifikation von Stoffen und deren quantitative Bestimmung sind bildschaffende Methoden daher ungeeignet.
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Gas-Chromatographie
Gas-Chromatogramm von Birkenkorkextrakt, © Carl-Gustav-Carus-Institut, Öschelbronn

Die Gas-Chromatographie (GC) und vergleichbare Verfahren sind leistungsfähige Standardverfahren für die Trennung von Stoffgemischen und die qualitative und quantitative Bestimmung ihrer Bestandteile. Ihnen liegt dasselbe Prinzip zugrunde wie der Steigbildmethode: ein für jeden Stoff spezifisches Gleichgewicht von Löslichkeit in einer beweglichen Phase - bei der GC ein Gas - und Anhaftung an oder ebenfalls Löslichkeit in einer stationären Phase - ein Feststoff oder ein Gel. Die Bestandteile der Probe werden in der beweglichen Phase gelöst und beim Durchleiten durch die stationäre Phase - die "Säule" - unterschiedlich stark zurückgehalten. Ein Detektor registriert, wenn ein Probenbestandteil die Säule durchlaufen hat. Seine Signale werden als "Spektrum" gegen die Zeit aufgetragen. Der Vergleich der Durchlaufzeit eines Probenbestandteils mit (unter denselben Bedingungen gemessenen) Referenzwerten reiner Stoffe erlaubt die Zuordnung der Signale und damit die Identifikation der Probenbestandteile. Die Größe der Signale gibt Auskunft über die Menge des betreffenden Bestandteils.

 

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Begriffserwerbendes Vorgehen muss den Bezugsrahmen schaffen
Der angedeutete Zusammenhang von Probe und Gestalt bietet jedoch eine weitere Möglichkeit: an den entstandenen neuen Phänomenen unter Zurückhaltung inhaltsvoller gedanklicher Bestimmungen sich auf die Sinneswahrnehmung einzulassen, das heißt, unter Verzicht auf Vorwissen und Erinnerung. Das Denken dient dabei zunächst nur zum Beschreiben und Fixieren der Beobachtungen sowie zum Herstellen von Zusammenhängen innerhalb des Wahrgenommenen. Es lenkt den Blick in einem Wechselprozess immer wieder neu auf den Beobachtungsgegenstand hin, ohne diesen abschließend zu bestimmen. Gelingt es nun, die Bewegungen, die das Denken in diesem Prozess an der Wahrnehmung macht, in die Aufmerksamkeit zu nehmen und begrifflich oder bildhaft zu fassen, so erschließt sich über das Was des Beobachtungsgegenstandes hinaus das Wie seines Gestaltetseins, seine Bildegeste. Ein Erzeugnis einer bildschaffenden Methode ist daher genaugenommen noch kein Bild, sondern wird erst in der inneren Erfahrung des Betrachtenden zum Bild. In diesem Sinne kann der Umgang mit bildschaffenden Methoden als Schulungsmittel für das imaginative Erkennen im Sinne Rudolf Steiners dienen.

Die charakterisierte Erkenntnisweise läßt sich als begriffserwerbend (Kracht) bezeichnen, weil sie zu neuen Begriffen führt. Dabei kann aufgrund der gekennzeichneten Verzichtshaltung im Denken der Begriff im wiederholten Durchlaufen der Wahrnehmung immer wieder neu gebildet, mithin auch ein schon bekannter Gegenstand wie ein Unbekanntes neu angeschaut werden. Anerkennt man diese Erkenntnishaltung als grundlegend für bildschaffende Methoden, so kann jedes wissenschaftliche Vorgehen, das sinnlich gegebene Phänomene unter Zurückhaltung vorher gebildeter Begriffe mit der Intention betrachtet, Neues an ihnen zu erfahren, als "bildschaffend" angesehen werden. Damit eröffnet sich hier der Ausblick auf eine Vielfalt noch gar nicht entwickelter, aber womöglich hilfreicher und wünschenswerter Methoden.

Blutkristallisation
Blutkristallisationsbild (Humanblut)
© Laboratorium für empfindliche Kristallisation, Dornach

Die Kupferchlorid-Kristallisation mit Zusatz wurde von Ehrenfried Pfeiffer auf Anregung Rudolf Steiners entwickelt, um ätherische Kräfte zu erforschen. Zuerst reines Forschungsmittel, bekam sie mit der Zeit Bedeutung als Instrument im Bereich der anthroposophisch-medizinischen Diagnostik (Blutkristallisation) und der Qualitätsbeurteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Heilpflanzen und Lebensmittel. Ein wäßriger Extrakt der jeweiligen Probe wird einer Kupferchloridlösung zugesetzt; die Lösung läßt man in einer dünnen Schicht auf einer Glasplatte unter kontrollierten Bedingungen auskristallisieren. Dabei entstehen für den Zusatz in ihrer Gesamtheit charakteristische Gestaltveränderungen des Kristallisats, die ausgewertet werden.

Wenn, wie dargestellt, mit bildschaffenden Methoden ein Weg in den Bereich dessen hinein gegeben ist, was gemeinhin als Bildekräfte bezeichnet wird, darf dabei nicht vergessen werden, dass der Bildeprozess, aus dem die betrachtete Gestalt (das Steigbild oder ähnliches) hervorgegangen ist, nicht einfach derjenige der Probe ist, also zum Beispiel Wachstum und Reifen der Äpfel bei einer Apfelsaftprobe, sondern die Wechselwirkung der Probe mit dem gestaltungsoffenen System. Die Natur der Probe (was sie ist und wie sie durch Anbauart, Verarbeitungsprozeß und anderes verwandelt worden ist) ist einer unter mehreren Faktoren, die in die Gestalt zum Beispiel eines Kristallisations- oder Steigbildes hereinspielen. Daher ist eine intime Kenntnis aller beteiligten Faktoren und ihrer Einflüsse auf den gestaltbildenden Vorgang erforderlich, um den Einfluß der Probe eindeutig, sicher und reproduzierbar zu bestimmen. Die Beurteilung eines solchen Bildes erfordert deswegen auch auf der Ebene der Bildungsweisen und Bildegesten immer Vergleiche, die sich auf andere Bilder, aber auch auf mein Vorwissen beziehen können. In die begriffserwerbende Tätigkeit spielt damit ein begriffsanwendendes Element herein.

Dieses gewinnt noch an Bedeutung, sobald die zunächst bei der Untersuchung erhaltenen Charakterisierungen einer Probe hinsichtlich ihrer "Qualität" gewertet werden: Warum schreiben wir beispielsweise - im Rahmen einer Vergleichsuntersuchung - der Probe mit dem differenzierter ausgeformten Steigbild ein höheres Maß an Lebendigkeit zu und warum bzw. wofür ist das "besser"? Eine solche Bewertung erfordert Konzepte von Leben, Ernährungsqualität, Gesundheit und ähnlichem als Bezugsrahmen, in die wir die Bilder stellen, die aber nicht aus den Bildern entwickelt werden können.
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Steigbildmethode
Steigbild von Möhren © Uwe Geier, Forschungsinstitut am Goetheanum, Dornach

Die ursprünglich auf Lili Kolisko zurückgehende und von Rudolf Hauschka zur Untersuchung der Qualitäten des Lebendigen weiterentwickelte Steigbildmethode nach WALA findet bei der Qualitätsbeurteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Heilpflanzen und Lebensmittel Anwendung. Ein Blatt Filterpapier wird unter kontrollierten Bedingungen senkrecht in den wässrigen Extrakt einer Probe gestellt. Durch Kapillarkräfte steigt die Flüssigkeit im Papier empor, wobei sich für die verschiedenen Bestandteile jeweils spezifische Gleichgewichte zwischen Wasserlöslichkeit und Anhaftung am Filterpapier einstellen: die Bestandteile werden vom steigenden Wasser unterschiedlich weit mitgenommen. Nach Eintrocknen lässt man Metallsalzlösungen (Eisensulfat, Silbernitrat u.a.) nachsteigen, wodurch das Blatt differenziert angefärbt wird. Die dabei entstehenden charakteristischen Fliessformen werden schliesslich ausgewertet.

 

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Die Wahl der Methode ergibt sich aus der Fragestellung
Es ist unsinnig, die beiden Arten von Untersuchungsmethoden gegeneinander ausspielen zu wollen. Sie stellen verschiedene Erkenntnisweisen dar, führen in verschieden geartete Beziehungen zum Untersuchungsgegenstand und unterscheiden sich in ihren Möglichkeiten und Grenzen. Auch bedingen sie unterschiedliche Fähigkeiten bei der Auswertung. Ob hier "analytisch" und "qualitativ" einen Gegensatz darstellen, hängt davon ab, wie ich analytisch gewonnene Daten anschaue. Und auch ein Erzeugnis bildschaffender Methoden muss ich in geeigneter Weise betrachten, um daraus qualitative Aussagen zu gewinnen.

Die Wahl der Methode(n) ergibt sich aus der Fragestellung und muss im Einzelfall getroffen werden. Bei Fragen stofflicher Identität und Menge wird in jedem Fall die instrumentelle Analytik zu bevorzugen sein, um hingegen Unbekanntes zu erschließen und die Ebene der Bildeprozesse zugänglich zu machen, bildschaffende Methoden, außerdem rhythmologische, morphologische und andere Vorgehensweisen. Wissenschaft benötigt hier eine sachgemäße Methodenvielfalt. Hinsichtlich der Qualitätsbeurteilung bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln spielt dabei mein Verständnis von "Qualität" die größte Rolle: geht es um Schadstofffreiheit, den Nährwert oder um die in einem Lebensmittel gebundenen Lebenskräfte?
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Tropfbildmethode
Tropfbild von frischem Quellwasser © Institut für Strömungswissenschaften, Herrischried

Die von Theodor Schwenk entwickelte Tropfbildmethode dient der qualitativen Untersuchung von Wässern. In das Zentrum einer dünnen Schicht einer mit Glycerin angedickten Wasserprobe fallen in gleichmäßigen kurzen Abständen Wassertropfen unter definierten Laborbedingungen. Die dadurch in der Probe angeregten Strömungsbewegungen werden mit Hilfe einer Schlierenoptik sichtbar gemacht und fotografisch festgehalten. Die Auswertung der charakteristischen Bilder erfolgt im Hinblick auf die Fähigkeit des Wassers zu formenreich differenziertem Strömen als eigenständigem Qualitätsaspekt neben seiner analytischen Spezifikation.


Rundbildmethode
Rundbild (Chroma) von Birnen © Uwe Geier, Forschungsinstitut am Goetheanum, Dornach

Die Rundbildmethode (Chroma-Bodentest) ist in den 1950er Jahren von Ehrenfried Pfeiffer zur Untersuchung von Böden und Komposten ausgearbeitet worden. Sie ist der Steigbildmethode verwandt. Unter kontrollierten Bedingungen wird ein kreisförmiges Filterpapier über ein Schälchen mit Silbernitratlösung gelegt, so dass ein in der Mitte des Papiers eingesetzter Papierdocht in diese hinein reicht. Durch Kapillarkräfte steigt die Lösung auf und breitet sich kreisförmig auf dem Filterpapier aus. Nach Trocknen des Papiers wird dieses in der gleichen Weise auf ein weiteres Schälchen gelegt, das die mit verdünnter Natronlauge extrahierte Probe enthält. Der Extrakt breitet sich in dem vorbehandelten Filterpapier aus, wobei sich ähnlich wie beim Steigbild verschiedene Gleichgewichte zwischen Löslichkeit und Anhaftung am Filterpapier einstellen: die Bestandteile bzw. ihre Reaktionsprodukte mit Natronlauge und Silbernitrat bewegen sich unterschiedlich weit mit der sich ausbreitenden Flüssigkeit mit, so dass das Blatt differenziert angefärbt wird. Die entstehenden charakteristischen zirkularen Fliessformen werden schliesslich ausgewertet.

 

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Blick in eine Kristallisationskammer

Interpretation und Bewertung erfordern Erfahrung und geklärte Begriffe
Vertrautsein mit der jeweiligen Erkenntnisart und saubere Begriffsbildung stellen unabdingbare Voraussetzungen für die Nutzung der Methoden dar. Dies gilt insbesondere für bildschaffende Methoden; im Falle der instrumentellen Analytik ist es zunächst einfacher, insoweit sie nur das gegenständliche Denken erfordert. Hierin liegt auch der Hauptgrund dafür, dass bildschaffenden Methoden gegenüber der instrumentellen Analytik größere Fehlerquellen bei der Interpretation und eine womöglich größere Möglichkeit des inadäquaten Umgangs mit der Methode innewohnen. So kann sich bei der Auswertung im Bereich bildschaffender Methoden die Gedankenbildung zu schnell und zu weit von der Wahrnehmung lösen und in ein Assoziieren umschlagen. Nicht zuletzt dies hat die bestehenden bildschaffenden Methoden mancherorts in Misskredit gebracht.

Aus diesen Feststellungen ergeben sich auch Grenzen der Delegierbarkeit von Untersuchungen mit bildschaffenden Methoden sowie der Verwendung der "Bilder". So ist es zum Beispiel fraglich, ob ein einzelnes Bild "Qualität" dokumentieren kann. Sowohl der Auftraggeber als auch der Käufer eines mit bildschaffenden Methoden untersuchten Produkts müssen imstande sein, Verfahren und Untersuchungsergebnisse nachzuvollziehen.

Die folgenden Fragen können als Leitfragen für die Urteilsbildung auf diesem Gebiet dienen:

  • Was wird im Sinne der jeweiligen Methode als Bild angesehen? Wie kommt es zustande und welcher Zusammenhang besteht zwischen der Bildgestalt und den Eigenschaften der untersuchten Probe?
  • Welche Bedeutung wird dem aus der Untersuchung hervorgehenden materiellen Erzeugnis zugemessen, welche demgegenüber der Erkenntnistätigkeit des Auswertenden?
  • Auf welche Weise werden die gewonnenen Aussagen über die Probe mit Bewertungen wie "gute" oder "schlechte" Qualität als Lebensmittel, gesund oder krank und ähnlichem korreliert?

Martin Rozumek, Forschungsinstitut am Goetheanum, Postfach CH-4143 Dornach 1, martin.rozumek@ goetheanum.ch
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Fußnoten

1 Teilnehmer waren Bertold Heyden (J.-und-C.-Graf-Keyserlingk-Institut, Salem-Oberstenweiler), Uli Johannes König (Institut für biologisch-dynamische Forschung, Darmstadt), Thomas Kracht (Friedrich-von-Hardenberg-Institut für Kulturwissenschaften, Heidelberg), Petra Kühne (Arbeitskreis Ernährungsforschung, Bad Vilbel), Barbara Messmer (früher Bereich Forschungsförderung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Frankfurt), Martin Rozumek (Forschungsinstitut am Goetheanum, Dornach), Armin Scheffler (Carl-Gustav-Carus-Institut, Öschelbronn), Wolfram Schwenk (Institut für Strömungswissenschaften, Herrischried), Peter Stolz, Jürgen Strube (beide Kwalis Qualitätsforschung Fulda, Dipperz), Hans-Joachim Strüh (Wala, Bad Boll). Als Gast war außerdem Haijo Knijpenga (Laboratorium für Empfindliche Kristallisation am Goetheanum, Dornach) beteiligt. Der vorliegende Beitrag ist ein überarbeiteter Nachdruck aus ‹Das Goetheanum› Nr. 21 vom 23.5.2004. Eine ungekürzte Fassung des Abschlussdokuments aus dem ‹Beratungskreis Forschungsförderung› mit ausführlicher Literaturliste ist unter www.forschungsinstitut. ch/index.php?id=494 (Publikationsliste) erhältlich.
2 Diese finden sich in dem in Anm. 1 erwähnten Abschlussdokument.

 

 

 

Literaturauswahl

Zusammengestellt von Haijo Knijpenga

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Andersen, J.-O., Huber, M., Kahl, J., Busscher, N., Meier-Ploeger, A.: A concentration matrix procedure for determining optimal combinations of concentrations in biocrystallisation. Elemente der Naturwissenschaft 79/2000, S. 97-114.
Barth, J.-G.: Cristallisation avec additif, cas particulier du chlorure cuivrique et des ses applications. Symposionsbeitrag zu: 6ième symposium international d'aromatherapie & plantes medicinales "Aromatherapie & plantes médicinales. Des traditions aux médecines du monde", Grasse, 5-7 mars 2004. Bezug über den Verfasser: jgbarth@ch-belfort-montbeliard.rss.fr.
Cocude, M., Barth, J.-G., Bruyet, B., Françoise, P.: Silikose - Die Staublunge der Bergleute und ihre medizinische Langzeitbetreuung. Die Methode der Empfindlichen Kristallisation auf dem Prüfstein. Elemente der Naturwissenschaft 60/1994, S. 49-63.
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Knijpenga, H.: Einflüsse unterschiedlicher Behandlungen auf die biologische Wertigkeit von Kuhmilch. Untersuchungen mit der Methode der Empfindlichen Kristallisation. Elemente der Naturwissenschaft 75/2001, S. 48-60.
Mandera, R.: Zur Metamorphose von Pflanzenorganen, Substanzqualitäten und Bildtypen im Steigbild. Tycho de Brahe-Jahrbuch für Goetheanismus 1995, S. 281-310.
Piva, M.-T. et al.: Cupric chloride crystallization with human blood. Study of pictures obtained in different pathologies. Elemente der Naturwissenschaft 61/1994, S. 25-39.
Schwenk, W. (Hg.): Schritte zur positiven Charakterisierung des Wassers als Lebensvermittler. Texte aus 40 Jahren Forschung mit der Tropfbildmethode. Mit vollständiger Bibliographie. Schriftenreihe Lebendiges Wasser Nr. 6, 2001.
Tagung Bildschaffende Methoden 2003. Autorreferate von Greene, J., Schwenk, W., Busscher, N. et al., Mandera, R., Knijpenga, H.: Elemente der Naturwissenschaft 80/2004, S. 90-124.
Tingstad, A.: Quality and Method: Rising Pictures in Evaluation of Food Quality. Frederiksberg Univ., Diss., 2001. Kopenhagen 2002: Gads.
Weibel et al.: Are organically grown apples tastier and healthier? A comparative field study using conventionel and alternative methods to measure fruit quality. Acta Horticulturae 517/1998, S. 417-427.
Wilkens, A., Jacobi, M., Schwenk, W.: Die Versuchstechnik der Tropfbildmethode. Dokumentation und Anleitung. Schriftenreihe Lebendiges Wasser Nr. 5, 2000. Sondernummer zur Steigbildmethode der Elemente der Naturwissenschaft, Nr.46/1987 mit Beiträgen von: Knijpenga, H., Zavesky, V., Strüh, J., Mandera, R., Balzer-Graf, U., Flückiger, H., Barker, J., Hälsig, E., Kroschel, D., Gelin, J-P.