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Lebendige Erde 3/2005:ForschungAgroforstwirtschaft in Mitteleuropa
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Was ist Agroforstwirtschaft? Agroforstwirtschaft ist eine Form der Landnutzung, bei der auf dem Ackerland landwirtschaftliche Nutzpflanzen gemeinsam mit Bäumen und Sträuchern angebaut werden. Ein bekanntes Beispiel sind Streuobstwiesen; Streuobst kam früher auch in Kombination mit Ackerbau vor (Streuobstacker). Hecken als Strauch- oder Baumreihen waren einstmals ein wichtiger, genutzter Bestandteil der Kulturlandschaft. Seit Beginn der Industrialisierung der Landwirtschaft im letzten Jahrhundert sind allerdings immer mehr Bäume aus unserer Agrarlandschaft verschwunden. Sie standen der Spezialisierung und Mechanisierung mit immer größeren Landmaschinen im Wege - auch ihre Nutzung ging verloren. Mit der Entwicklung moderner Agroforstsysteme im letzten Jahrzehnt, beispielsweise in Frankreich und England, wurde gezeigt, dass sich Bäume auf landwirtschaftlichen Nutzflächen produktiv in die heutige europäische Landwirtschaft integrieren lassen. Solche modernen Systeme erreichen je nach Gestaltung das heute übliche hohe Ertragsniveau. Denn die Bäume und Sträucher, z. B. in abwechselnden Reihen: Bäume - Feld maschinengerecht angepflanzt, kombinieren ökonomische und ökologische Vorteile, wie:
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Es geht bei Agroforstwirtschaft in Deutschland nicht darum, naturnahe Wälder in Agroforstsysteme umzuwandeln, sondern darum, landwirtschaftlich genutzte Flächen zu Agroforstsystemen aufzuwerten. Bei modernen Agroforstsystemen sind die Gehölze weitgehend für eine hochwertige Nutzung ausgewählt und kombiniert, z. B. selektierte Wildkirsche als Wertholz oder Kultivare der Hagebutte zur Fruchtnutzung. Dazwischen werden verschiedenste landwirtschaftliche Kulturen angebaut. Durch eine systematische Planung wird der Ertrag der modernen Agroforstsysteme auf den Gesamtertrag hin optimiert, der bei fachgerechter Bewirtschaftung deutlich über dem des Monokultur-Anbaus der Einzelkulturen liegt. |
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Baumreihen und Äcker im Wechsel bieten Vorteile
Andere Agroforstsysteme basieren auf einer Neuinterpretation der schon genannten Streuobstwiesen. Statt der Obstbäume werden auf die Weide Eschen oder Wildkirschen zur Nutzung von hochwertigem Stammholz gepflanzt (Frankreich und England). Auf dem Biobetrieb Klosterhof (Bayern) wurden seit der Vegetationsperiode 1998 auf derzeit 12 ha Strauch-Agroforstsysteme angelegt. Die Basis bilden Dauerkulturen wie Hagebutten (Unterlagenrosen), Salicyl-Weiden und Wild-Hasel, die vorwiegend der Gewinnung von autochthonem Saat- und Vermehrungsgut dienen. Die Reihen dazwischen wurden anfangs zum Getreideanbau, inzwischen als Weide genutzt.
Die oben erwähnten Beispiele aus der Praxis zeigen, auf welche Weise Agroforstsysteme für die vielschichtigen Probleme der Landwirtschaft und Landnutzung Lösungen bieten können. Nur ein auf Ziel und Standort gut ausgerichtetes System mit einer geeigneten Kombination von Baum- und Ackerkulturarten kann erfolgreich sein. Von den zahlreichen Design- und Bewirtschaftungsmöglichkeiten wurden bis heute nur wenige für Europa erforscht bzw. in der Praxis erprobt. |
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Das europäische SAFE-Projekt untersuchte Erfahrungen und Modelle
Die wichtigsten Ergebnisse sind
Voraussetzung für eine erhöhte Flächenproduktion ist eine ausgiebigere Nutzung der natürlichen Ressourcen (Licht, Wasser, Nährstoffe), u.a. durch räumlich oder zeitlich unterschiedliche Aufnahmeaktivitäten der Systemkomponenten. In einem Versuchsfeld von Walnuss mit Durumweizen in Südfrankreich (Restinclières) war auch im achten Jahr der Getreideertrag auf der Agroforstfläche genauso hoch wie auf einem reinem Weizenacker. Denn die Walnuss entfaltet ihre Blätter erst spät im Jahr, wenn der Durum schon weit entwickelt ist; die Konkurrenz der langsam wachsenden Walnussbäume setzt erst nach mehreren Jahren ein. Im Rahmen des Projektes wurde die Konkurrenz um Licht, Wasser und Stickstoff in Feldversuchen und mit einem Agroforstmodell analysiert. In Südfrankreich zeigten Feldversuche, dass im Agroforstsystem Walnussbäume und Pappeln im Vergleich zum Forst tief wurzeln und unterhalb des Wurzelraumes der Ackerfrucht eine Art "Auffangnetz für Ressourcen" bilden können. Ursachen der tieferen Verwurzelung sind die maschinelle Feldbearbeitung, die Baumwurzeln im Oberboden unterdrückt, sowie die Konkurrenz mit der landwirtschaftliche Nutzpflanze in den oberen Bodenschichten.Oberirdisch kann durch Aufasten der Baumkrone die Lichtkonkurrenz und folglich der Ernteverlust stark reduziert werden, wie Ergebnisse des Pappelmischanbaussystem Vézénobres, Südfrankreich zeigen. Nicht nur das Systemdesign, sondern auch der Standort beeinflusst die Art der Interaktionen, wie ein Vergleich zwei sehr ähnlicher Mischanbausysteme von Pappeln mit Wintergetreide in England und Südfrankreich zeigt: "Silvoarable" Landnutzungsformen, die sich in Design und Bewirtschaftungsform unterscheiden, wurden mit Modellen auch ökonomisch und ökologisch bewertet. So wurde die Kombination von Walnuss, Pappel, Wildkirsche und Eiche mit Sommer- und Wintergetreide im Bezug auf die Flächenerträge über den gesamten Lebenszyklus des Agroforstsystems (je nach Baumart 20 - 60 Jahre) untersucht. Ergebnis: Ohne Subventionen ist Agroforstwirtschaft meist lukrativer als ein Monokulturanbau. Ökonomisch interessant sind vor allem Walnuss wegen der hohen Holzwertschätzung und Pappeln wegen der kurzen Umlaufzeit. Die Modellergebnisse bestätigten die Feldbeobachtungen: Wintergetreide ist im Mischanbau einträglicher als Sommergetreide. Die Modellanalysen ergaben, dass das Betriebseinkommen sich auf lange Frist sichtlich erhöhen kann, um das Zweifache, wenn auf 40% der Fläche Walnussbäume integriert werden, um das 1,2-fache mit Wildkirsche auf 20% der Betriebsfläche (jeweils mit Bestandsdichte weniger als 200 Bäume/ ha) In Kooperation mit Landwirten wurde u. a. in Deutschland ein silvoarables Demonstrationsfeld angelegt. Dadurch wurden politische und praktische Hindernisse identifiziert, wie z. B. die Unsicherheiten hinsichtlich des Landnutzungsstatus sowie die Rahmenbedingungen für Subventionen. Diese Hindernisse wurden neben dem Mangel an Fachkompetenz auch bei den Befragungen der (mehr als 300) Bauern in 5 europäischen Ländern häufig an erster Stelle genannt: Etwa 40% der befragten Landwirte gaben an, die Implementierung einer Agroforstfläche auf ihrem Land auf ca. 10% ihrer Betriebsfläche in Erwägung zu ziehen. Dabei werden die Kapitalbildung in Form von Holzzuwachs bei gleichzeitig jährlichem Einkommen vom Ackerteil des Systems sowie dessen Umweltleistung als wichtigste Vorteile gesehen.
Zwar sind nicht alle Regionen für Mischanbausysteme geeignet. Eine Studie innerhalb des SAFE-Projektes ergab jedoch, dass sich in Europa etwa 90 Millionen ha Ackerflächen für die Integration von Bäumen eignen würden. Davon sind etwa 63 Millionen ha mit diversen Umweltproblemen behaftet, die durch Agroforstwirtschaft gelöst werden könnten. |
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Ausblick Nicht nur dieses europäische Projekt zeigt, dass die Diskussion über diese alte Form der Landnutzung, die modernisiert ganz Neues hervorbringt, allmählich in Gang kommt: Im Sommer 2004 fand in den USA der erste Weltkongress für Agroforstwirtschaft statt. Auch im Entwurf für die EU-Verordnung zur Förderung der Entwicklung ländlicher Räume (ELER) sind in Artikel 41 Beihilfen für die Ersteinrichtung von Agroforstsystemen vorgesehen. In Frankreich wurden bereits im Jahr 2003 die politisch-rechtlichen Voraussetzungen entsprechend angepasst, um Agroforstsysteme besser fördern zu können.
Darüber hinaus wäre die Einrichtung einer Informations- und Koordinationsstelle für Maßnahmen im deutschen Raum und als Vernetzungsstelle zu anderen Ländern sehr wichtig (z. B. auch für Beraterschulungen), da Deutschland bei dieser Entwicklung hinterher hinkt. Auch die Durchführung von Forschungsprojekten (auch Langzeitversuche) im Rahmen bestehender und neuer Förderprogramme wäre wichtig, um die Suche nach geeigneten Pflanzenarten, günstigen Kombinationen von Baumarten und Ackerkulturen, angemessenem Management und Design fortzusetzen. |
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Vergleich zweier unterschiedlicher Standorte mit ähnlichem Systemdesign von Pappeln und Ackerfrucht | ||
Leed, England | Vézénobres, Südfrankreich | ||
Temperatur | 9,7°C Jahresdurchschnitt | 14,7°C Jahresdurchschnitt | |
Niederschlag | 790 mm Jahresdurchschnitt | 1000 mm Jahresdurchschnitt | |
Globalstrahlung | 3620 MJ m-² Jahr-¹ | 5120 MJ m-² Jahr-¹ | |
Böden | Leichte Böden | Mittlere Böden | |
Baumart | Pappeln | Pappeln | |
Baumabstände | 10m zwischen und 6,5m innerhalb der Baumreihen | 16m zwischen und 4.5m innerhalb der Baumreihen | |
Baumanpflanzung | 1992 | 1996 | |
Baumhöhe in 2004 | 16m | 20m | |
Erträge Winterweizen | In 2001 (System: 9 Jahre): 4.7 t/ha Ertragsrückgang von etwa 30% |
In 2004 (System: 8 Jahre): 2 t/ha Ertragsrückgang von etwa 50% |
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Konkurrenz | Licht- aber insbersondere Wasserkonkurrenz | Insbesondere Lichtkonkurrenz, da die Bäume gross und die Wachstumsperioden der beiden Systemkomponenten relativ synchron sind | |
Komplementarität | Eine zur Entwicklungsperiode des Weizens relativ späte Blattentfaltung der Bäume | Baumwurzeln mit Zugang zum Grundwasser | |
Gesamtproduktion Agroforstfläche | Höher als die Summe der Produktion der zwei entsprechenden Monokulturen. Produktion von 1 ha Pappeln-Weizen im Agroforstanbau ist äquivalent der Produktioneiner 1,2 ha Fläche im Monokulturanbau | Höher als die Summe der Produktion der zwei entsprechenden Monokulturen. Produktion von 1 ha Pappeln-Weizen im Agroforstanbau ist äquivalent der Produktion einer 1,3,ha Fläche im Monokulturanbau (aufgeschlüsselt in 0,9 ha Weizen und 0,4 ha Pappeln) |
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Weitere Informationen
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Im April 2003 wurde in Groß Zecher, Schleswig-Holstein ein "silvoarables" Demonstrationsfeld errichtet, eine Gemeinschaftsarbeit der Wageningen Universität, Finis e.V. und zweier Landwirte. Eine Besonderheit der ca. 7.5 ha Agroforstfläche ist, dass der ästhetische Landschaftsaspekt im Design besonders berücksichtigt wurde, wegen der Lage in einem Naherholungsgebiet und der Nähe zu einem Biosphärenreservat. Darüber hinaus soll das multifunktionale Landnutzungssystem vor allem Wertholz (Ahorn, Sorbus, Kirsche, Robinie), Früchte und Getreide hervorbringen.
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