Lebendige Erde 6/2002:

Forum

Pestizide: der Ökolandbau darf Schäden nicht hinnehmen!

Nach Sommer und Wahlen ist in der Presse von Nitrofen keine Rede mehr. Der Schaden für die betroffenen Landwirte ist allerdings längst nicht ausgeglichen und der Umsatzrückgang im Handel noch immer spürbar. Schon tauchte der nächste Rückstand eines konventionellen Pflanzenschutzmittels (PSM) in Biogetreide auf: Chlormequat - besser bekannt als Cycocel oder CCC, diesmal unter den gesetzlichen Höchstwerten. Wiederum ist es ein Wirkstoff, der nicht aus einer Anwendung im Ökolandbau stammt, eine Anwendung wäre hier vollkommen sinnlos. Als Ursache der Kontamination wird diesmal Abdrift von konventionellen Nachbarn vermutet. Ein Rätsel bleibt, warum Rückstände nur bei ökologischem und nicht auch bei konventionellem Getreide gefunden werden.

Ist der Ökolandbau für alle Gifte verantwortlich?
Der Ökolandbau leidet nicht nur unter Altlasten des konventionellen Pflanzenschutzes. Ganz aktuell werden PSM produziert und ausgebracht, deren Anwendung vollkommen legal, gesellschaftlich akzeptiert erfolgt. Deren Auftreten in Bioprodukten schädigt jedoch den Ruf des Ökolandbaus dramatisch und hat z.T existenzielle Belastungen in der Ökobranche zur Folge. Dabei ist es egal, ob der Eintrag durch die konventionelle Landwirtschaft fahrlässig, grob fahrlässig oder unvermeidlich verursacht wurde, auch egal, dass der Ökolandbau die Gifte im Anbau ausdrücklich nicht anwendet.

Öko Kunden zahlen für konventionelle Landwirtschaft mit
Allein vom Ökolandbau erwartet man die Gewährleistung, dass alle legalen aber problematischen Pflanzenschutz- und Futtermittel von 97% der (konventionellen) Landwirtschaft und zudem alle Einträge durch Industrie und Verkehr vollkommen aus seinen Nahrungsmitteln ferngehalten werden. Dazu ist ein großer und zunehmend noch größerer Kontroll-, Untersuchungs- und Qualitätssicherungsaufwand notwendig, den zuerst Landwirte und Verarbeiter und - sofern es ihnen nicht zu teuer wird - die Käufer von Ökolebensmitteln bezahlen. Der Ökokunde zahlt nicht nur dafür, dass der Ökobauer keine PSM anwendet. Er zahlt zusätzlich dafür, dass andere weiterhin PSM ausbringen und die dadurch verursachte Verschmutzung aufwendig verhindert werden muss. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass völlige Freiheit von PSM-Rückständen in Ökoprodukten in jedem Fall gewährleistet werden kann. In konventionellen Produkten dagegen ist alles in Ordnung, solange die gesetzlichen Höchstmengen nicht überschritten werden. Und selbst dann ist es nicht unbedingt ein Skandal.

Klage einreichen: der Ökolandbau muss sich wehren!
Leider wird vom größten Teil der Gesellschaft trotz jahrzehntelanger negativer Erfahrung die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln an sich nicht als potentieller Schaden empfunden - obwohl die Demeter-Bewegung ebenso lange Bewusstseinsarbeit dahingehend geleistet hat. Bewusstseinsprozesse in der Gesellschaft werden allzu oft nur durch zusätzlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Druck vorangebracht. Das ist bei der Kernenergie, beim Energiesparen und vielem anderen so. Ich meine, so ist es auch bei den Pflanzenschutzmitteln und dem Ökolandbau.
Es darf nicht mehr sein, dass Schädigungen von Demeter- und Ökobauern stillschweigend hingenommen werden. Es müssen rechtliche und damit auch wirtschaftliche Eckpfosten gesetzt werden. Es ist notwendig, dass bei Einträgen von PSM, wie z.B. bei Nitrofen, aber auch bei Abdrift vom Nachbarn, dort, wo dies möglich ist, Schadensersatz eingeklagt wird. Landwirtschaftliche Rechtschutzversicherungen erkennen diese Schäden fast immer an und übernehmen die Kosten solcher Rechtsverfahren, die durchaus aussichtsreich sind.

Das Recht des Ökolandbaus lässt den Preis für Pestizide steigen
Es ist beinahe eine gesellschaftliche Aufgabe, der der einzelne Ökobauer damit nachkäme. Denn mittelfristig wird ein solcher strikt vertretener Rechtsanspruch des Nicht-beeinträchtigt-werdens durch Pflanzenschutzmittel auf die Verursacher zurückfallen. Dies wird dazu beitragen, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Herstellung und Anwendung von Pestiziden erschwert werden. Das wird einerseits zu größerer Sicherheit führen. Andererseits wird es die Anwendung und Herstellung von Pestiziden verteuern. Wir müssen wegkommen von der jetzigen Situation, in der die ehemalige und aktuelle Anwendung von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft die Ökoprodukte verteuert und unentgoltene Schäden bei Demeterbauern hinterlässt.
Ulrich Mück