Lebendige Erde 4/2002:

Hausgarten

Wespen sind besser als ihr Ruf

Sobald die Zwetschgenkuchen-Zeit beginnt, stellen sich regelmäßig auch unerwünschte Mitesser ein: Wespen. Sie naschen an der sonntäglichen Kaffeetafel und versetzen dabei manche Menschen regelrecht in Panik. Dazu besteht jedoch absolut kein Grund. Denn nur zwei der bei uns vorkommenden Wespenarten können für den Menschen zeitweilig lästig werden: die "Gemeine" und die "Deutsche Wespe". Durch ihre besonderen Kopfschild-Zeichnungen können sie von jedem Laien einfach von den harmloseren Wespen unterschieden werden (s. Grafik).
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Abb. 1: Nur zwei von zehn bei uns heimischen Wespenarten werden dem Menschen lästig: Die Gemein Wespe (links: Kopfschild mit ankerförmigem Längsstrich) und die Deutsche Wespe (rechts: Kopfschild mit drei schwarzen Punkten).
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Nur etwa zehn Wespenarten gehören zu den sogenannten Staaten bildenden, also sozialen Faltenwespen. Sie werden vom Laien gewöhnlich als die "typischen Wespen" erkannt, obwohl nur die Gemeine und die Deutsche Wespe im Sommer als Plagegeister auftreten.

Abb.2 Nest einer Mittleren Wespe im Sommerflieder

In vielen Zeitschriften wird nach wie vor das Aufstellen oder Aufhängen von Wespen-Fangflaschen empfohlen. Anscheinend hat es sich in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer nicht herumgesprochen, dass alle bei uns vorkommenden Wespenarten nach § 20 des Bundesnaturschutzgesetzes dem allgemeinen Artenschutz unterliegen. Nur in begründeten Notfällen, also bei akuter Gefährdung von Menschen, dürfen die beiden oben genannten Arten, ausschließlich durch geschultes Fachpersonal bekämpft oder umgesiedelt werden. Viele Menschen betrachten es nach wie vor als ihre Pflicht, Wespenfallen aufzustellen, um jedes in ihr Blickfeld geratene Nest unverzüglich zu beseitigen. Damit werden aber auch gleichzeitig die vielen völlig harmlosen Arten vernichtet und gefährdet, da die Gemeine und die Deutsche Wespe in der Regel gut versteckte Erdnester anlegen oder in schwer zugänglichen oberirdischen Höhlungen nisten. Die übrigen Wespenarten errichten freihängende und damit leicht zu entdeckende Ballon- oder Einwabennester.

Harmlose Arten meiden Menschen
Die Mittlere Wespe, Sächsische Wespe, Wald- und Feldwespe fangen Fliegen, Bremsen und andere lästige Insekten in großen Mengen und lassen sich zudem nie in Wohnungen, auf Veranden oder in Gartenwirtschaften blicken. Besondere Erwähnung verdient hier das "Haustier" unter den Wespen, die "Sächsische Wespe". Von allen Wespenarten nistet sie in unmittelbarster Nähe des Menschen. Trotzdem belästigt diese kleine Wespenart den Menschen in keiner Weise und kommt selbst dort nicht in seine Wohnung, wo sie unter dem selben Dach nistet. Es besteht somit keinerlei Anlass, ihre Nester wie auch die der anderen Langkopfwespen zu zerstören oder den Tieren mit Fangflaschen, Fliegenklatsche oder Insektenspray zu Leibe zu rücken. In dem Buch "Zwölf Monate im Garten" (21. Auflage) wird sogar das gezielte Anlocken und Erschlagen überwinterter Wespenköniginnen empfohlen: "Jede jetzt erlegte Wespe bedeutet, dass uns im Sommer mindestens 10.000 Wespen weniger zur Last fallen... Nutzen sie diese Jagderfolge weidlich aus".
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Abb. 3: Nest der Sächsischen Wespe im Anfangsstadium in einem Hummelnistkasten

Jedes Jahr ein neues Nest
Dass Wespe nicht gleich Wespe ist, bleibt vielen Menschen ein ganzes Leben lang verborgen. Dabei lassen sich lästige und harmlose Arten schon hinsichtlich Nistplatzwahl, Volksstärke und Lebenszyklus mit einem guten Bestimmungsbuch mühelos voneinander unterscheiden. Im übrigen bilden Wespen (und Hornissen) nur einjährige Sommerstaaten, ihre Völker lösen sich im Spätsommer und Herbst von selbst auf. Man kann ihre Papierpaläste also ruhig belassen, wenn es sich nicht gerade um einen Rollladenkasten handelt, zumal Wespennester nie ein zweites Mal bezogen werden. Was auch nur wenige wissen: Wespen- und Hornissengift hat nur ein Viertel der Stärke des Giftes unserer Honigbienen.

Helmut Hintermeier (Text, Fotos und Grafiken)

Abb. 4 Mit einem "Cocktail" aus Honig und Früchte-Kompott lassen sich Wespen von Kaffeetischen im Freien fernhalten industriell?

 

Buchtipp
Ein detaillierter Maßnahmen-Katalog, wie sich Menschen vor Wespen schützen können - aber auch wie man Wespen vor Menschen schützen kann, stellt der Verfasser in seinem Buch vor: "Bienen, Hummeln, Wespen - im Garten und in der Landschaft", 3. erweiterte Auflage, Obst- und Gartenbauverlag, München, ISBN 3-87596-098- X, 132 S., 9,71 €. Hier werden nicht nur alle bei uns heimischen Wespenarten und deren nächsten Verwandten (Hornissen, Solitärwespen, Wildbienen, Hummeln) in Wort und Bild ausführlich vorgestellt, sondern auch konkrete Schutz- und Förderungsmaßnahmen aufgezeigt.