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Lebendige Erde 5/2003:HintergrundKatalysator oder FußnoteWelche Rolle spielt die biologisch-dynamische Forschung in der Wissenschaft für den Ökolandbau?von Gerold Rahmann und Rainer OppermannWeil biologisch-dynamische Betriebe und biologisch-dynamische Forschung zur vielfältigen Realität des ökologischen Landbaus gehören, weil diese Richtung starken Einfluss auf die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft hatte und sicherlich weiterhin haben wird, muss man sich mit ihr befassen. Und weil es trotz vieler Unterschiede auch um gemeinsame ökologische Ziele geht, wollen wir uns konstruktiv und kritisch damit auseinander setzen. Wir begrüßen es, wenn in „Lebendige Erde” eine Diskussion über biologisch-dynamische Forschung geführt wird (u.a. Eysel in 6/2002, van Mansvelt in 1/2003 und Lorand in 3/2002) und nun auch „die anderen” von der Redaktion gefragt werden „Welche Rolle spielt die biologisch-dynamische Forschung für Euch?” Wir unterscheiden in unserer Antwort zwei Ebenen, die des Wissenschaftsverständnisses und die Ebene ergebnisorientierter Einzelthemen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Einbettung unserer wissenschaftlichen Arbeit in die Natur- und Lebensphilosophie Rudolf Steiners eine Vorbedingung für vertiefte Erkenntnis ist. Wir sagen dies, obwohl wir die Kritik an diversen rationalistischen, materialistischen und technokratischen Verkürzungen in der heutigen Ökolandbauforschung teilen. Unterschiede im Wissenschaftsverständnis – noch
nicht ausdiskutiert Lenkt der biologisch-dynamische Hintergrund
von aktuellen Problemen ab? Sicher gilt dies für alle an Werte oder geistige Prinzipien gebundenen
Forschungsansätze, von der auch die sich selbst „wertfrei” oder „positivistisch-objektivierend”
titulierende Wissenschaft nicht gänzlich frei ist. Doch stellt sich
diese Frage für die biologisch-dynamische Forschung zum Ökolandbau u.
E. besonders klar, weil es in der Ökolandbauforschung derzeit vordringlich
darum gehen muss, die gegenüber überkommenen Theorien und Erfahrungen
im Ökolandbau aktuell veränderten und unbequem gewordenen Realitäten
(a) überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, (b) wissenschaftlich zu analysieren
und (c) daraus Schlussfolgerungen für Handlungsmöglichkeiten zu ziehen.
Deutlich wird das, legt man die Leitidee Nachhaltigkeit – die gelungene
Verbindung ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele – auf die Realität
des Ökolandbaus an. Gerade hier geht es sehr stark um wirklichkeits-
und nutzerbezogene Forschung. Bei manchem, was wir in „Lebendige Erde”
lesen, haben wir den Eindruck, dass Probleme und sperrige Erfahrungen
mit dem Rekurs auf die Mobilisierung geistiger Kräfte zugedeckt werden.
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Ökolandbau-Forschung: an das biologisch-dynamische
Potenzial anknüpfen! Es wäre für die Entwicklung des Ökolandbaus und für die Ökolandbauforschung immens fruchtbar, wenn es gelänge, die zweifellos vorhandenen Erfolge biologisch-dynamischer Betriebe und ihren Erfahrungsschatz daraufhin zu untersuchen, ob und wie solche Erfahrungen übertragbar sind. Gleiches lässt sich zu innovativen Betriebsstrukturen, Arbeits- und Lebensformen sowie zum Thema soziale Einbettung der Ökobetriebe in ihr regionales Umfeld sagen. Anknüpfungspunkte dafür sehen wir eine ganze Reihe. Gemeinschaftliche Betriebs- und Arbeitsformen spielen in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft eine größere Rolle als anderswo. Unter welchen Bedingungen entstehen sie und wie stabil sind diese Formen? In den Betriebskonzepten wird die Multifunktionalität betont und zu starke Spezialisierung abgelehnt. Wie schaffen es die Betriebe, dennoch wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Auch die Integration behinderter Menschen oder von Menschen mit sozialen Problemen in landwirtschaftliche Arbeitsprozesse und Lebensformen wird im biologisch-dynamischen Landbau wichtiger genommen als in andere Bereichen des Ökolandbaus. Worauf basiert dieses Engagement, und was wird für die Betroffenen erreicht? Zum Thema Direktvermarktung gibt es aus dem Demeter-Bereich Beispiele für erfolgreiche Dienstleistungsstrukturen. Wird hier mehr an Dienstleistungsqualität geboten? Worin besteht sie? Und natürlich gibt es auch Beispiele dafür, dass die Wertevorstellungen von biologisch-dynamisch wirtschaftenden Landwirten inspirierend und aktivierend auf ihr soziales und politisches Umfeld wirken. Was überzeugt an den Werten und was wird mit ihnen in den sozialen und persönlichen Beziehungen angestoßen? Viele weitere Fragen ließen sich formulieren. Wir fänden es ebenfalls sehr wichtig, wenn die Erfahrungen mit individuell gestalteten Betriebsorganismen so aufgearbeitet würden, dass der Ökolandbau insgesamt mehr über die komplexen Existenzbedingungen und über die offenbar sehr vielfältigen Reaktions- und Entwicklungsmöglichkeiten erfährt.
Für Forscher und Forschungseinrichtungen, die keinen Bezug zu den geistigen
Grundlagen der biologisch-dynamischen Forschung haben, beantwortet sich
die Frage nach deren „Wert” relativ einfach: Für sie kann biologisch-dynamische
Forschung, wenn diese ihre Zugriffsweisen und Ergebnisse allgemein verstehbar
und überprüfbar macht, eine wesentliche Bereicherung und auch eine kritische
Instanz für die eigene Arbeit sein.
Gerold Rahmann, |
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