Lebendige Erde 4/2000:

Hintergrund

Bodenfruchtbarkeit durch ökologischen Landbau

Paul Mäder,
Andreas Fließbach und Urs Niggli
Forschungsinstitut für biologischen Landbau
CH-5070 Frick

Kürzlich wurde die dritte Fruchtfolgeperiode des DOK-Vergleichsversuches abgeschlossen. Dies nehmen wir zum Anlass, eine Bilanz über den 21-jährigen Vergleich zwischen biologisch-dynamischen, organisch-biologischen und konventionellen Anbausystemen zu ziehen. Die Untersuchungen zeigen, dass die biologisch (ökologisch) bewirtschafteten Böden deutlich aktiver sind als die konventionellen, was zu stabileren Bodenaggregaten und zu einem intensiveren Umsatz an Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor im Boden führte. Gegenüber dem organischen Anbausystem war die Biomasse, Aktivität und Artenvielfalt der Bodenmikroflora und -fauna im biologisch-dynamischen Anbausystem gesteigert. Überdies zeichneten sich die beiden biologischen Anbausysteme durch ein günstigeres Verhältnis von Aufwand zu Ertrag und damit verbunden eine günstigere Energie- und Ökobilanz aus. Es wird deutlich, dass biologische Anbausysteme einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit leisten, was angesichts des weltweiten Verlusts an kultivierbaren Böden und dem steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln bedeutungsvoll ist.

 

Bodenfruchtbarkeit weltweit gefährdet
Während der letzten 40 Jahre ging weltweit annähernd ein Drittel der Ackerfläche durch Erosion verloren (Pimentel et al., 1995). Zudem hat die Abnahme der Artenvielfalt in vielen Regionen dramatische Dimensionen angenommen. Was wir gegenwärtig gewöhnlich wahrnehmen, ist aber nur die augenfällige Abnahme der pflanzlichen und tierischen Vielfalt über dem Erdboden. Was im Boden abläuft, bleibt in weiten Teilen unerkannt, da sich die Bodenlebewesen der direkten Beobachtung weitgehend entziehen. Diese sind aber für die Bodenaggregatbildung und damit für den Erosionsschutz, aber auch für die Nährstoffversorgung der Pflanzen und ihre Gesundheit sehr wichtig.

Auch riesige Gebiete im europäischen Raum zeichnen sich durch sehr intensiven Ackerbau aus und es stellt sich die Frage, inwieweit die Nachhaltigkeit der Produktion gesichert ist. Oft werden nur noch wenige Hochertragssorten mit einem hohen Bedarf an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln angebaut. Im Sinne einer Ökologisierung der Landwirtschaft laufen deshalb in Europa Programme zur Extensivierung bzw. zur Stilllegung von Ackerflächen. Der biologische Landbau erfährt dabei häufig eine spezielle Förderung. Zur Rechtfertigung dieser Zuschüsse ist es dringend nötig, Fakten zu liefern, welche die Sonderstellung dieses Anbausystems rechtfertigen. Für solche Fragestellungen eignen sich Langzeit-Feldversuche in hervorragender Weise. Sie dienen auch dazu, die im Boden sich abspielenden Prozesse besser zu verstehen und helfen damit, ökologische Anbausysteme zu optimieren.

"Düngen heißt den Boden beleben", ist eine der Maximen speziell auch des biologisch-dynamischen Landbaus. Der zunehmende Rationalisierungszwang, der sich auch in der biologischen Landwirtschaft breit macht, verleitet aber dazu, auf spezifisch biologisch-dynamische Maßnahmen, wie etwa die Kompostierung und die Präparateanwendung zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, zu verzichten. Der DOK-Versuch zeigt, dass diese Pflegemaßnahmen tatsächlich zu aktiveren Böden, einem intensiveren Stoffumsatz und stabileren Bodenaggregaten führen.

 

Bessere Bodenstruktur der Bioparzellen dank Regenwürmern und Mykorrhizen
Eine nachhaltige Landwirtschaft hat unter anderem kurz- und langfristig genug gesunde Nahrung für die Weltbevölkerung zu erzeugen. Dazu braucht es verschiedene Voraussetzungen - unerlässlich sind lebendige, leistungsfähige Böden mit einer guten Bodenstruktur. Am augenfälligsten waren die anbausystembedingten Unterschiede in der Bodenfruchtbarkeit nach Starkniederschlägen. In den biologisch bewirtschafteten Parzellen sickerte das Wasser durch zahlreiche Regenwurmgänge und den porösen Boden ungehindert in den Boden ein, während die Infiltration in den konventionellen Parzellen infolge Verschlämmung gehemmt war. Im Laborversuch wurde bestätigt, dass der Wasserdurchfluss durch Bodensäulen bei den Proben aus biologischen Parzellen höher war als bei den konventionellen (Siegrist et al. 1998). Dies ist für die Erosionsanfälligkeit von Böden entscheidend, denn Böden mit einer guten Infiltration sind weniger anfällig auf einen oberflächlichen Abtrag durch Wasser.

Auch mit der Tauchsiebmethode stellten wir kürzlich in den biologisch bewirtschafteten Parzellen eine höhere Aggregatstabilität fest. Dass diese wahrscheinlich mit den biologischen Eigenschaften der Böden in Verbindung steht, lässt sich daraus schließen, dass systembedingte Unterschiede nur mit feldfeuchten, also biologisch aktiven Böden auftraten; nach Bodentrocknung waren keine Unterschiede mehr messbar. In der Tat korrelierte die Aggregatstabilität sowohl mit der mikrobiellen als auch mit der Regenwurmbiomasse. Insbesondere die vertikal grabenden Arten kamen in den Bioparzellen zahlreicher vor, welche für die Drainage der Böden wichtig sind (Pfiffner und Mäder, 1997). Die bessere Bodenstruktur in den Bioparzellen des DOK-Versuchs kann zum Teil auch mit dem höheren Vorkommen von Mykorrhizen (Wurzelsymbiosepilze) erklärt werden. Die Kulturpflanzen in den biologisch bewirtschafteten Böden waren rund 30% bis 40% stärker mykorrhiziert als in den konventionellen Parzellen (Mäder et al., 2000). Dies zeigt, dass zur Erhaltung einer intakten Bodenstruktur nicht nur ein schonender Einsatz von Landmaschinen wichtig ist, sondern dass die Düngung und der Pflanzenschutz derart gestaltet werden müssen, dass das Bodenleben gefördert wird und durch die Lebendverbauung ein gut strukturierter Boden entsteht.

 

Höhere biologische Aktivität der Bioparzellen
Die Bodenfruchtbarkeit wird maßgeblich durch die Bodenlebewesen bestimmt. Erste deutliche anbausystembedingte Unterschiede in der biologischen Aktivität der DOK-Böden wurden am Ende der zweiten Fruchtfolgeperiode (1990/1991) gemessen. In den biologischen Anbausystemen unter Winterweizen war die mikrobielle Biomasse und die Aktivität von Bodenenzymen um 30 bis 85 Prozent höher als in den konventionell bewirtschafteten Parzellen (Mäder et al., 1993). Es wurde eine enge Korrelation zwischen den mikrobiologischen Parametern und dem pH-Wert des Bodens sowie dem Gehalt an organischer Substanz gefunden.

Abb. 1: die Anlage des DOK-versuches aus der Luft

Die biologisch-dynamisch bewirtschafteten Parzellen zeigten auch in den zahlreichen Untersuchungen in der dritten Fruchtfolgeperiode durchgehend eine höhere Biomasse und Aktivität als die organischen (mittel) und konventionellen (niedrigste Werte) (z. B. Oberholzer et al., im Druck). Es scheint, dass die Anwendung von Kompost, in Verbindung mit den biologisch-dynamischen Präparaten, die Bodenmikroorganismen am meisten fördert. Der DOK-Versuch lässt aber keine Schlüsse bezüglich der Wirkung einzelner Einflussfaktoren zu. Besonders interessant ist auch, dass die mikrobielle Biomasse in Böden unter Kleegras nur in den biologisch-dynamisch bewirtschafteten Parzellen gleich hoch war wie im Versuchsumfeld, wo seit 1977 eine Dauerwiese wuchs, welche als stabiles Agrarökosystem gilt (Hoffmann et al., 1997). Auch im Unterboden bis in eine Tiefe von 60 cm nahm die mikrobielle Biomasse und Aktivität in der Rangfolge konventionell, organisch-biologisch zu biologisch-dynamisch zu (Mäder et al., 1995; Fließbach et al., 1999).

Die erhöhte mikrobielle Aktivität in den beiden Bioanbausystemen hängt sehr wahrscheinlich mit dem oben bereits erwähnten zahlreicheren Vorkommen von vertikalgrabenden Regenwürmern zusammen. Pfiffner und Niggli (1996) untersuchten im DOK-Versuch die epigäische Raubarthropodenfauna (Laufkäfer, Spinnen und Kurzflügler) als weitere Tiergruppe. Diese Gliederfüßler waren in den Bioparzellen nicht nur bedeutend aktiver, sondern auch artenreicher. Die biologisch bewirtschafteten Böden sind also sowohl für Mikroorganismen als auch für die Bodenfauna ein bevorzugtes Habitat und deshalb fruchtbarer als konventionell bewirtschaftete, denn die Lebensraumfunktion gilt als zentrales Kriterium für fruchtbare Böden.

 

Effizientere Kohlenstoffnutzung dank erhöhter Diversität
Bodenorganismen spielen beim Stoffumsatz in Böden eine Schlüsselrolle. Es zeigte sich deutlich, dass biologisch-dynamisch gepflegte Böden organische Kohlenstoffquellen im Boden effizienter nutzen und folglich einen geringeren Bedarf an Energie zur Erhaltung ihrer Biomasse haben als die konventionellen (Fließbach und Mäder, 1997; Fließbach und Mäder, 2000). Die Mikroorganismen bauten mehr Kohlenstoff in ihre Biomasse ein und veratmeten dafür weniger je Biomasseeinheit. Dies ging einher mit einer erhöhten Substratnutzungsvielfalt. Es scheint, dass die Bakterien in biologischen Böden gut miteinander verbunden sind und Stoffe in fein vernetzten Strukturen untereinander austauschen und den Boden durch ihre Aktivität beleben. Dadurch geht weniger "Atem" (Aktivität) nach außen verloren und dafür verbleibt mehr Kohlenstoff im Boden. Dieser arbeitsteilige Prozess fördert letztendlich die Humusbildung. Das heißt, dass Böden aus biologischen Anbausystemen mehr inhalationsorientiert sind, solche aus konventionellen Systemen mehr exhalationsorientiert. Dies ist besonders unter dem Aspekt des Kohlendioxids als Treibhausgas von Bedeutung.

Ein Brutversuch mit Anwendung von markiertem Stroh ließ ebenfalls deutlich erkennen, dass biologisch-dynamische Böden organischen Kohlenstoff tatsächlich effizienter nutzen: Markiertes Stroh wurde im Labor in Böden aus dem DOK-Versuch eingemischt. Beobachtet wurde, wie rasch das Stroh von den Mikroorganismen im Boden umgesetzt wurde. Im biologisch-dynamisch kultivierten Boden waren zum Messzeitpunkt noch 32 Prozent des eingebrachten Strohs unzersetzt, im konventionellen fast 43 Prozent (Fließbach et al., im Druck). Dieser Unterschied mag klein erscheinen, er ist jedoch erheblich, wenn man berücksichtigt, dass sich dieser Prozess Jahr für Jahr wiederholt.

 

Biologischer Anbau: intensiverer Nährstoffumsatz, weniger lösliche Nährstoffe
Doch nicht nur der Kohlenstoffumsatz war intensiver bei biologischer Bewirtschaftung, sondern auch der Phosphor- und Stickstoffumsatz. Der Stickstoffgehalt der mikrobiellen Biomasse war in den biologisch bewirtschafteten Parzellen bedeutend höher. Das heißt, dass biologisch bewirtschaftete Böden in der mikrobiellen Biomasse eine größere Quelle an Stickstoff aufweisen - gleichzeitig aber auch eine größere Senke. Zudem war die Proteaseaktivität der biologisch bewirtschafteten Böden stark erhöht. Die Stickstoffnachlieferung im Topfpflanzenversuch hielt bei biologisch bewirtschafteten Böden länger an als bei rein mineralisch gedüngten konventionellen Böden (Langmeier, im Druck). Dies ist aus der Sicht der Pflanzenernährung sicher wünschenswert. Es stellt sich aber die Frage, ob mit der erhöhten Stickstofffreisetzung nicht auch das Risiko der Stickstoffauswaschung steigt.

Zahlreiche Felduntersuchungen in Praxisbetrieben und Versuchsparzellen in Deutschland und Holland zeigten aber im Bodenwasser unter biologisch bewirtschafteten Feldern häufig geringere Nitratwerte. Auch nach neuesten Untersuchungen in den USA (Drinkwater et al., 1998) war das Kohlenstoff- und Stickstoff- und Kohlenstoffrückhaltevermögen in Böden mit Hofdüngergaben und solchen mit Leguminosenbewuchs höher als bei rein mineralischer Düngung (konventionell), das heißt: bei biologischer Bewirtschaftung wurde mehr Kohlenstoff und Stickstoff in den Humuskörper eingebaut. Mit der Auswaschung von Stickstoff verhielt es sich erstaunlicherweise gerade umgekehrt. Diese Erkenntnis ist vor allem im Hinblick auf die Gefahr der Verschmutzung des Trinkwassers mit Nitrat von großer Wichtigkeit. Im DOK-Versuch sind betreffs Stickstoffauswaschung vermehrte Untersuchungen nötig.

Studien zur Rolle der biologischen Aktivität bei der Phosphorernährung der Pflanzen zeigten, dass der mikrobielle Beitrag zur Pflanzenernährung vor allem im biologisch-dynamischen System bedeutend höher ist als im konventionellen und dass auch der Phosphorfluss zwischen Bodenfeststoffen und der Bodenlösung im biologisch-dynamischen System am höchsten war (Oberson et al., 1993, 1996). Die biologische Umsetzung war in den biologisch-dynamischen Böden 3- bis-4mal höher als in den konventionellen, im organisch-biologischen Verfahren war der Umsatz noch 1,7 bis 2,5-mal höher (Oehl, 1999). Dafür waren die löslichen Gehalte an Phosphor und Kalium in den konventionellen Parzellen entsprechend der höheren Düngung höher, umgekehrt verhielt es sich beim Kalzium und Magnesium. Die laufende vierte Fruchtfolgeperiode wird zeigen, ob durch die intensiveren Umsetzungsprozesse die verhältnismäßg tiefen Nährstoffgehalte in den biologisch bewirtschafteten Böden kompensiert werden und ein optimales Pflanzenwachstum sichergestellt werden kann.

 

Erträge und Aufwand
Die Ertragsunterschiede zwischen den verschiedenen Anbaumethoden des DOK-Versuchs hingen stark mit der jeweiligen Kultur zusammen. In der ersten Fruchtfolgeperiode überraschten die biologisch bewirtschafteten Kleegrasparzellen mit nur geringfügigen Mindererträgen im Vergleich zu den konventionellen (-10%). In der dritten Periode war der Unterschied viel größer (-24%). Beim Weizen lagen die Mindererträge zwischen 6 bis 11 Prozent mit steigenden Erträgen auch in den Bioverfahren. Bei den Kartoffeln zeigten sich große Einbußen (bis zu 45%) auf den biologischen Parzellen. Im Durchschnitt aller angebauten Kulturen erzielten die biologischen Anbausysteme über alle drei Fruchtfolgen respektable 79% der konventionellen Erträge (Dubois et al., 1999).

Abb. 2: Am fruchtbarsten biologisch-dynamisch:
Ausgewählte Ergebnisse aus 21 Jahren DOK-Versuch

Diese Ertragsunterschiede erklären sich teils durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Je Ackerkultur und Jahr wurden im konventionellen Anbausystem 3,6 kg/ha Pestizide und Herbizide eingesetzt. Ein weiterer großer Unterschied lag auch bei der Nährstoffzufuhr: Sie war bei den biologischen Anbausystemen im Durchschnitt rund 50 Prozent geringer als bei den konventionellen. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Stickstoffdünger, die in der Herstellung sehr viel Energie brauchen, führte in den biologischen Anbausystemen zu einem 20 bis 30 Prozent geringeren Energiebedarf pro Tonne Trockensubstanzertrag (Alföldi et al., 1995). Der geringe Hilfsstoffeinsatz im Biolandbau schlug sich insgesamt in einer günstigeren Ökobilanz der Bio-Anbausysteme, insbesondere in einer geringeren Bodentoxizität nieder (Alföldi et al., 1999).

Angesichts der sehr effizienten Produktion und der positiven Entwicklung der Bodenfruchtbarkeit in den biologischen Anbausystemen stellen diese eine echte Alternative zur konventionellen Landwirtschaft dar - zur Gesundung des Organismus Erde - und damit zur langfristigen Sicherung der Nahrungsproduktion.

 

DOK-Versuch
Der DOK-Versuch wird seit 1978 von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (Zürich) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Frick) durchgeführt (Besson und Niggli, 1991, Niggli et al., 1995; Mäder et al., 1999). Der Versuchsstandort befindet sich in der Nähe von Basel auf einem Lössboden. Die Anbausysteme unterscheiden sich hauptsächlich in der Düngung und im Pflanzenschutz. Das konventionelle Anbausystem entspricht heute den Richtlinien der Integrierten Produktion. Für eine möglichst praxisnahe Bewirtschaftung der einzelnen Anbausysteme bürgen Beratergruppen von Landwirten, denen wir an dieser Stelle für ihren großen Einsatz danken.

In der konventionellen Variante des DOK-Versuchs wird der Mist wie üblich gestapelt, und zusätzlich wird Mineraldünger gestreut. Auf den organisch-biologischen Parzellen wird angerotteter, im biologisch-dynamischen Anbausystem kompostierter Mist verwendet. Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Sortenwahl sind im DOK-Versuch aus versuchstechnischen Gründen einheitlich. Der Versuch ist in seiner Konzeption einmalig, weil er den Vergleich komplexer landwirtschaftlicher Anbausysteme über nunmehr zwei Dekaden erlaubt.