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Lebendige Erde 3/2002:HintergrundÖko-Landbau - Quo Vadis?
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Wird der Ökolandbau industriell? |
Mit der Agrarwende ist der Öko-Landbau gesellschaftsfähig geworden.
Ist er aber auch in der Gesellschaft angekommen? Die Zahlen und Fakten
sprechen erst einmal dagegen. "Öko-Verbrauchsniveau leicht über Vorjahresniveau"
ist zu lesen und "Eine Umstellungswelle landwirtschaftlicher Betriebe
in größerem Umfang ist nicht in Sicht." Zu finden sind biologisch erzeugte
Produkte inzwischen fast überall. Kaum eine Lebensmittelkette, die nicht
auch ein Bio-Sortiment im Angebot hätte. Die Preise der Bio-Produkte
sind zwar höher, aber meist nicht so hoch, dass sie für kleine Geldbeutel
komplett außer Reichweite stünden. Was Öko-Landbau ist, und wo seine
Vorteile liegen, ist seit BSE auch in breiteren Bevölkerungskreisen
bekannt. Ebenso, was industriell ausgerichtete landwirtschaftliche Massenproduktion
ausmacht. Im Frühling vergangenen Jahres schien eine Agrarwende möglich.
Die Maul- und Klauenseuche, obwohl auf ähnliche Probleme wie BSE hindeutend,
wirkte allerdings nicht spürbar verstärkend auf die Agrarwende. Eher
sogar ein bisschen bremsend, Verhaltenheit erzeugend. Kunden wurden
von Höfen ausgezäunt, die brennenden Tierkadaver, die über die Medien
zu sehen waren, weckten Entsetzen und Distanz: "Sind schon wieder Geschäftemacher
am Werk?". Für Viele war es vielleicht eine Überforderung. Die eigene
Ohnmacht klang wieder stärker an, der Alltag zog mit Macht die Konzentration
auf sich. Das eigene Verhalten justierte sich neu ganz leicht versetzt
zu den alt-eingefahrenen Gleisen.
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Wird der Ökolandbau industriell? Am 15. Mai 2001 erschien dann ein interessanter Artikel von Michael Pollan im New York Times Magazine: "Behind the Organic-industrial Complex". Der Autor macht eine lange Reise auf den Spuren des organischen Landbaus durch die USA, zu Pionieren und Neueinsteigern. Sein Fazit ist erschreckend deutlich: Der organische Landbau ist an vielen Stellen bereits durchindustrialisiert. "Organic" wird in großem Stile produziert, die Erzeugungsplätze gehören zu großen Teilen den "big playern" der Lebensmittelindustrie. Es gibt in "organic" fast nichts, was es nicht gibt, bis hin zum fertigen TV-Dinner in der Plastikschale. Alles aus garantiert organischer Erzeugung. Aber wo sind die "weichen", zum organischen Produkt zugehörigen Qualitätsfaktoren, wie intensive Betreuung des Haustieres durch den Menschen, die Überschaubarkeit, die Regionalität geblieben? Der Autor war nach der Reise im wahrsten Sinne des Wortes ent-täuscht - die "heile" Welt um das Erzeugnis Bio-Produkt, von der er immer gemeint hatte, sie bei seinen Einkäufen mit zu kaufen, gab es so nicht (mehr). Er zieht daraufhin die interessante Schlussfolgerung: Er kauft jetzt bei den Bauern und Gärtnern in der Nähe direkt ein. Das meiste organisch, das Wichtigste aber ist: Er kennt die Menschen, weiß, was sie tun. Und wenn er einmal in den Supermarkt geht, kauft er trotzdem organisch, weil es immerhin noch besser für den Boden ist. In Europa und Deutschland setzt diese Entwicklung der Industrialisierung des ökologischen Landbaus verzögert ein, während die Kultur der Direktvermarktung weiter entwickelt und ausgeprägter als in den USA ist. Oppermann empfiehlt dann auch, die staatliche Förderung in Zukunft auf diese beiden Ströme - die großumfängliche Produktion von ökologischer Rohware einerseits und die Direktvermarktung mit ausgedehntem Dienstleistungsangebot andererseits - differenzierter auszurichten. Sind damit jedoch die Probleme gelöst? Die industrielle Öko-Produktion muss gleichförmige Mengen liefern. Das geht nur in spezialisierten Betrieben. Ökologisch ist das möglicherweise noch zu handhaben, aber kritisch wird es z.B. bei Saatgut. 40 ha Möhren beispielsweise sind ohne Hybridsaatgut für die Ansprüche der Konservenindustrie kaum anbaubar. Damit ist eine Verbindung zu großen Saatgutfirmen und damit den Chemie-Multis nicht zu umgehen. Auf der anderen Seite stoßen Direktvermarkter immer öfter an ihre Grenzen. Die auf dem Hof verfügbare Laden - und Parkplatzfläche reicht für größere Wachstumsschritte häufig nicht aus. Professionelle Ladner wägen das Angebot des eigenen Hofes gegen die Zukaufangebote ab: Die von außen kommenden Verkaufsangestellten müssen aus der Marge bezahlt werden. Muss ein neuer Laden, LKW-Anlieferungstauglich mit ausreichend Parkplätzen neben dem Hof neu gebaut werden? Bleibt dann das Hofladen-Image gewahrt? Wird man dann Wettbewerber des Bio-Discounters im Ort? Solche Fragen stellen sich heute vermehrt. Was ist die Alternative? Spezialitäten-Anbieter mit Waren vorwiegend vom Hof? Oder der Hofname als Marke für ein zunächst schmales Produktsortiment, das aber dann überregional angeboten wird?
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Müssen die klassischen Biobetriebe aussterben?
So weit die heutige Zustandsbeschreibung. Was könnten Wege in die Zukunft sein? Die Probleme waren: Mangelnde Umsetzung ihrer Einsichten seitens der Verbraucher, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Bio-Produkte angesichts auf Umweltkosten produzierter konventioneller Ware, dadurch verstärkter Druck zur Industrialisierung des Öko-Landbaus, was zu schwindender Glaubwürdigkeit führt - an die Grenzen Stoßen der Direktvermarkter, mangelnder Nachwuchs, und vor allem Betriebe vor der Existenzfrage.
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Ökolandbau - Eine erfolgreiche Bewegung
Und nun?
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Der Ökolandbau muss für seine Rahmenbedingung
kämpfen!
Der Mensch, der Verbraucher, auch wir Biobauern - tun nicht, was wir eingesehen haben und tun wollen. Wer kennt das nicht von sich selbst: Eigentlich haben wir eingesehen, dass es z.B. richtig wäre, unsere Bekleidung in Naturtextil-Qualität zu kaufen. Aber wie oft tun wir es nicht! Die Kaufentscheidung für Naturtextilien fällt uns aber leichter, wenn wir einmal die biologisch bewirtschafteten Baumwollfelder besichtigt oder eine Firmenführung beim Hersteller mitgemacht haben. Der direkte Eindruck verbindet, er schafft Beziehung. "Beziehung" scheint eines der Schlüsselwörter für eine sich erneuernde Ökonomie zu sein. Die Handelsketten wie "Billa" in Österreich oder "tegut..." in Hessen sind sicher auch deswegen mit ihrem Bio-Sortiment erfolgreich, weil die Firmenchefs eine persönliche Beziehung zu Bio haben. Wie viel mehr gilt das für Höfe, die die Abnehmer ihrer Ware gut kennen oder mit einem direkten Käufer-Umfeld leben. Agrarwende ist, so gesehen, Beziehungspflege. Soziale Beziehungen pflegen fällt uns heute nicht leicht, weil es häufig einher geht mit "Bindungen eingehen". Als freiheitsliebende Menschen sind wir das nicht gewohnt, Verbindlichkeit zu leben. Vielleicht muss man von daher das Soziale gut dosieren, damit es einen nicht überfordert. Und dennoch - man muss es wagen.
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ÖkoLandbau vertiefen - Spirituelle Landwirtschaft! Auch wenn kein Hofnachfolger da ist, gibt es heute Konzepte, welche die Fortführung der langjährigen ökologischen Bewirtschaftung sichern könnten. Muss man dennoch einen Betrieb aufgeben, unter den heutigen Bedingungen sicher keine Schande, sollte man ihn nicht in aller Stille sterben lassen, sondern geordnet evtl. mit Beratung, zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhören. Vielleicht sogar mit einem Fest, wo mit Familie, Freunden und langjährigen Begleitern die große Leistung des Hofes noch einmal gefeiert wird. Bei der Förderpreisverleihung zum Ökologischen Landbau 2002 wurde neben dem Bauckhof und dem Dottenfelder Hof ein weiterer Hof ausgezeichnet: Er stellt als junger Hof sortenreine Apfelweine her, von wenigen Hektaren und zeigt damit prinzipiell, dass mit Ideen Zukunft zu erschließen ist. In diesem Sinne, meine ich, gibt es für fast jeden Betrieb eine Lösung. Die Zukunft des ökologischen Landbaus will neu erobert werden. |
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