![]() |
![]() |
||
Lebendige Erde 4/2002:HintergrundImkerei - keine heile WeltMichael Radetzki
"Ich bin erleichtert, dass mein Sohn die Imkerei nicht weiterführen will", so ein erfolgreicher Berufsimker und ehemaliger Funktionär des Erwerbsimkerbundes im Gespräch mit mir. Welche persönlichen Erschütterungen, welche Probleme lassen ihn so auf die Zukunft der Imkerei und sein eigenes Lebenswerk blicken? Die von ihm genannten Gründe dürften dem Landwirt bekannt vorkommen: " ... der Preis ..., die Krankheiten ..., der Mehraufwand ...." Imker und Bauer scheinen vor einer vergleichbaren Herausforderung zu stehen. Noch in den sechziger Jahren fasst der Informationsdienst AID des Landwirtschaftsministeriums
das Verhältnis zwischen Bauer und Imker in poetischer Form zusammen:
"Wär nicht der Bauer, so hät die Biene Not, wär nicht die Biene, so
hät der Bauer kein Brot". Die Zeit der Poesie ist vorüber. Wir sind
im Zeitalter der Fakten angekommen. Nackt sind sie bekanntlich, die
Fakten: es geht heute um Zeit und Geld, um sogenannte tierische Produktion.
Wir leben in einem Land, wo Milch und Honig so reichlich fließen, dass
deren Überproduktion zur Vernichtung von Lebensmitteln und zum Sterben
der Höfe führt. Auch für den Imker stellt sich immer mehr die Frage,
ob er regionale Lösungen findet, die dem Druck globaler Probleme standhalten.
Sind befriedigende Antworten auf die bestehenden und kommenden Herausforderungen
für die Bienenhaltung erkennbar? |
![]() |
![]() |
Geht es nicht auch ohne Bienen? In Deutschland gibt es rund 100.000 Imker mit etwa 900.000 Bienenvölkern.
Davon haben die über 80 % Freizeitimker die größte Bedeutung für das
ökologische System. Sie sind diejenigen, welche bisher noch mit einer
sogenannten Streubienenhaltung für flächendeckende und ganzjährige Bestäubung
sorgen. Allerdings liegt ihr durchschnittliches Alter weit über sechzig
Jahre. In den konventionellen, regionalen Imkervereinen gibt es fast
keine Imkerinnen. Bei unseren Veranstaltungen über wesensgemäße Bienenhaltung
ist ein Altersdurchschnitt von 35 - 40 Jahren üblich und der Anteil
an Frauen ist immer größer als ein Drittel. Trotz - oder vielleicht
auch wegen - der Fülle von Problemen in der Imkerei, sind diese Veranstaltungen
von einer Aufbruchstimmung geprägt. Der Wille zu einer grundlegenden
Neuorientierung schafft ernstzunehmende Perspektiven für die Zukunft
der Bienenhaltung. |
![]() |
![]() |
Müssen die klassischen Biobetriebe aussterben? So weit die heutige Zustandsbeschreibung. Was könnten Wege in die Zukunft
sein? Die Probleme waren: Mangelnde Umsetzung ihrer Einsichten seitens
der Verbraucher, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Bio-Produkte angesichts
auf Umweltkosten produzierter konventioneller Ware, dadurch verstärkter
Druck zur Industrialisierung des Öko-Landbaus, was zu schwindender Glaubwürdigkeit
führt - an die Grenzen Stoßen der Direktvermarkter, mangelnder Nachwuchs,
und vor allem Betriebe vor der Existenzfrage. |
![]() |
![]() |
Ökologisch zertifizierte Bienenhaltung |
![]() |
![]() |
||
Dem Organismus Bienenvolk gerecht werden Dieser ganzheitliche Ansatz führte Mitte der achtziger Jahre zu einer
grundlegenden Neuorientierung in der Bienenhaltung, die sich 1995 in
den Demeter Richtlinien für die Bienenhaltung niederschlug. Die gegenwärtigen
und auf uns zukommenden Probleme erfordern einen größeren Griff, als
lediglich rückstandsfreie Imkerei zu betreiben. Die Aufmerksamkeit muss
auf alle Maßnahmen gerichtet werden, mit denen der Imker üblicherweise
versucht die Volksentwicklung zu beeinflussen: Unterdrückung des Schwarmtriebes,
anstelle dessen künstliche Völkervermehrung über Ableger und künstliche
Königinnenzucht, einseitige züchterische Selektion, Reizfütterungen,
Manipulationen am Brutnest, künstliche Waben, weitgehende Unterdrückung
der Drohnen (männliche Bienen) und anderes mehr. Dem gegenüber erlaubt
die Arbeit mit dem natürlichen Schwarmtrieb den Verzicht auf Mittelwände,
welche die Grundlage für die sonst nahezu ausschließlich verwendeten
künstlichen Waben sind. Die Demeter Richtlinien fordern große zusammenhängende
Naturwaben für das Brutnest. Wer seine Bienen frei bauen lässt, den
lehren sie bald, wie berechtigt die Forderung ist. |
![]() |
![]() |
![]() |
Honigmarkt und Preis Eine durch die EU kürzlich getroffene Entscheidung wird die Situation am Honigmarkt weiter verschlechtern. Nun wird der Import von Honig erlaubt, der nach amerikanischen Gepflogenheiten druckfiltriert wurde. Durch diese Maßnahme wird der Honig "sauber"; Blütenpollen wird herausgefiltert. Sortenangaben sind kaum noch überprüfbar und Honigverfälschungen mit Zucker kaum noch feststellbar. In Anbetracht des Marktes hat Honig aus Demeter Bienenhaltung beste orraussetzungen, sich ein eigenes Preisniveau zu schaffen. Warum aber gibt es nur so wenige Demeter Imker und infolge dessen kaum Demeter Honig in den Läden? Die Antwort ist einfach: Demeter Imkerei ist schwierig. Sie stellt hohe Anforderungen an die Qualifikation des Imkers. Mehr als bei dem gerasterten Vorgehen mit künstlichen Waben, mechanischer Bildung von Jungvölkern usw. muss er über solide Erfahrungen verfügen und selber beobachten; mehr noch, er muss seine Einstellung und Denkweise wirklich verändern. Bienenweide Der richtige Standort ist zugleich der wichtigste Faktor für die Bienengesundheit. Ohne Blütenpollen und Nektar leidet die Gesundheit der Bienen. Andauernder Trachtmangel verkürzt die Lebensdauer der Bienen und schwächt ihr Immunsystem. Das bisher weitgehend unbekannte Immunsystem des Bienenvolkes und der einzelnen Biene ist abhängig von einer vielseitigen und anhaltenden Versorgung mit Blütennektar und Pollen. Wahnsinn in der Bienenhaltung ...
Varroamilbe Sekundärinfektionen & Immunsystem Afrikanischer Bienenstockkäfer Bienenhaltung - eine Herausforderung
Der Zeitgeist legt es nahe, im Baukastensystem zu arbeiten und das
Bienenvolk wie einen Apparat aus Einzelteilen zusammen zu bauen. Die
Bienen aber wollen unsere Lehrmeister für ein lebendiges Denkens werden.
Wir müssen die imkerlichen Maßnahmen in den Kontext des Organismus Bienenvolk
stellen, das Volk in den Kontext zur Landschaft und umgekehrt. Wer das
Wesen des Bienenvolkes auch nur anfänglich berührt, empfindet, dem gibt
es die Kraft und Begeisterung sich gegen alle Widerstände auf den Weg
zu machen. |
||||||
Thomas Radetzki, hält Bienen seit 1975,
seit 1986 Vorstand von Mellifera e.V. und Leitung der Lehr- und Versuchsimkerei
Fischermühle. Bienenseuchensachverständiger, im Prüfungsausschuss für
die Imkerausbildung RP Stuttgart, Mitglied der Europäischen Arbeitsgruppe
der Bienenwissenschaftlichen Institute für integrierte Varroa-Kontrolle Mellifera e.V., Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung, Fischermühle, D 72348 Rosenfeld, Tel. 07428/935-460, Fax: -935-450, eMail: t.radetzki@mellifera.de |
|||||||
![]() |
![]() |