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Lebendige Erde 2/2003:HintergrundMilchziegenhaltung im Ökologischen Landbau in Deutschland: ein Feld für Neueinsteiger
Die Geschichte der Milchziegenhaltung in Deutschland ist durch starke
Gegensätze geprägt. In früheren Zeiten allgemein geschätzt, erhielt
die Milchziege ca. ab dem 17. Jahrhundert den Ruf als Waldschädling.
Als "Kuh des kleinen Mannes" wurden nach dem ersten Weltkrieg rund 4,5
Mio. Milchziegen gehalten. Heute hat die Milchziegenhaltung mit 125.000
Ziegen (Bundesstatistik 1998) nur geringe Bedeutung in Deutschland (zum
Vergleich: Griechenland 5,9 Mio., Spanien 2,5 Mio., Italien 1,4 Mio.,
Frankreich 1,1 Mio., Portugal 0,8 Mio., Niederlande 0,13 Mio.; Zahlen
für 1998). Unklar ist für die in Deutschland gehaltenen Ziegen, welche
Funktionen - Hobby, Einkommen, Therapie, Landschaftspflege - sie erfüllen
und ob/wie sie genutzt werden (Milch, Fleisch, Faser). Sicher ist nur,
dass die Milchgewinnung eine untergeordnete Rolle spielt. Schätzungen
zufolge werden nur 20.000 Tiere gemolken, viele davon auf Öko-Betrieben.
1998 wurden nach einer AGÖL-Zählung rund 9.000 Ziegen auf Öko-Betrieben
mit Verbandszugehörigkeit gehalten. Weitere 2.000 Ziegen werden auf
Öko-Betrieben ohne Verbandzugehörigkeit vermutet. Mit rund 9% ist der
Anteil der ökologischen an der gesamten Ziegenhaltung höher als bei
jeder anderen Tierart. |
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Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden Erhebungen zur ökologischen Milchziegenhaltung in Deutschland im Jahr 2001 durchgeführt. Durch Befragung der ökologischen Anbauverbände wurden 141 ziegenhaltende Öko-Betriebe (ohne Hobbyhaltung) ermittelt, nach Auskunft von 21 Öko-Kontrollstellen gibt es ca. 50 weitere Öko-Betriebe ohne Verbandszugehörigkeit. Auf einen Fragebogen antworteten 65 Betriebe, ausgewertet wurden die 42, die mehr als 10 Ziegen melken. Insgesamt wurden so 3.965 Muttertiere erfasst. Davon gehörten 40% zur Rasse der Bunten Deutschen Edelziege, 30% zu den Anglo-Nubiern, 12% zur Weißen Deutschen Edelziege, 6% zu den Toggenburgern und 12% waren Kreuzungen sowie sonstige Rassen. Nur 20 Betriebe halten überwiegend eine Rasse. 19 Betriebe (45%) halten zwischen 10 und 50 Milchziegen, 13 Betriebe (31%) zwischen 50 und 110 und 10 Betriebe (24%) sogar über 110 Milchziegen. 66 Prozent (27) der Betriebe bezeichnen die Milchziegenhaltung als ihren Haupterwerbszweig. Die Auswertung zeigte, dass Milchziegenhaltung ein junger Betriebszweig ist, gerade für Neueinsteiger von Bedeutung: 10 Betriebe halten Milchziegen seit weniger, 12 Betriebe seit mehr als 5 Jahren und 19 seit mehr als 10 Jahren. Milchziegen halten eher Familienbetriebe mit kleinen Höfen und hohem Grünlandanteil, vor allem in Süddeutschland. 49% der Betriebe lagen über 500 Meter ü. NN. Männer wie Frauen waren in diesem Betriebszweig gleichermaßen vertreten. Dass die Milchziegenhaltung ein kapitalextensiver Betriebszweig ist, zeigen die durchschnittlichen Investitionskosten pro Stallplatz von 500 €. In der Fütterung werden im Mittel 205 kg Kraftfutter pro Jahr und Milchziege eingesetzt, rund 28% der möglichen Gesamt-Trockensubstanzaufnahme von 730 kg TS/ Jahr/ Ziege. In der Lämmeraufzucht lassen 42% der Betriebe die Kitze über 45 Tage bei der Mutter. Endoparasiten sind das Hauptproblem in der Milchziegenhaltung, gefolgt von Verletzungen (Hornstöße etc.), CAE, Mastitis und Ektoparasiten. Bakterielle Infektionen spielen eher eine untergeordnete Rolle, obwohl auch Chlamydien, Enterotoxämie und Paratuberkulose auftreten. Die Tierarztkosten liegen durchschnittlich bei 10 € pro Tier und Jahr, wobei 26 Betriebe (65%) unter diesem Wert lagen. Sieben Betriebe mit maximal 30 Mutterziegen melken noch mit der Hand. Insgesamt melken die 42 Betrieben eine vermarktungsfähige Milchmenge von rund zwei Mio. kg Milch, bei durchschnittlich 600 kg (Laktation 285 Tage) je Ziege und Jahr. Die Molkerei Andechs ist der bedeutendste Bio-Ziegenkäsehersteller in Deutschland, Ab-Hof-Verkauf spielt nur eine geringe Rolle. Auf 34 Betrieben wird 56% der vermarktungsfähigen Milchmenge vor allem zu Frischkäse (44%), Schnittkäse (24%) und Weichkäse (22%) mit hoher Sortenvielfalt (rund 5 pro Betrieb) weiterverarbeitet. Nach Deckungsbeitragsschätzungen kann mit der ökologischen Milchziegenhaltung bei 1.200 € Marktleistung, 300 € variablen und 220 € festen Kosten ein Deckungsbeitrag von 900 € bzw. eine spezialkostenfreie Leistung von 680 € pro Mutterziege und Jahr erzielt werden (Kalkulationsgrundlage ist eine Herde von 50 Ziegen und eigene Futterproduktion). Bei 80 Arbeitskraftstunden pro Ziege und Jahr (Haltung, Melken, Verkäsen, Vermarktung) kann eine Person maximal 30 Tiere betreuen und damit - bei gutem Betriebsmanagement - 20.400 € spezialkostenfreie Leistung bzw. 8,50 € pro Arbeitskraftstunde (bei 2.400 Stunden pro AK und Jahr) erzielen. Da für die Milchziegenhaltung nur geringe Neuinvestitionen bei Altgebäudenutzung anfallen, es bisher keine Quotenregelung für Ziegenmilch gibt und außerdem eine hohe Nachfrage von Ziegenprodukten seitens der Verbraucher besteht, kann angenommen werden, dass die ökologische Ziegenhaltung in Deutschland in Zukunft weiteren Bestands- und Bedeutungszuwachs erfahren wird. Nina Hesse, Christian Krutzinna (FB Ökologischer Landbau der Universität Kassel in Witzenhausen) & Gerold Rahmann (Institut für ökologischen Landbau der FAL, Trenthorst ) |
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