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Lebendige Erde 3/2004:HintergrundLehrstunden aus der PeripherieMethodische Aspekte zur Entwicklung biodynamischer Projekte außerhalb der europäischen Kulturlandschaftvon Tadeu Caldas
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Terassen - die Methode für Landwirtschaft in Bergregionen und Nassreis. Foto: Caldas |
Wie helfen wir einem gesunden biodynamischen Farm*-Organismus ins Leben? Denken Sie an die Wüsten und Halbwüsten, abhängig von ständiger Bewässerung, denken Sie an die Reiskulturen Asiens mit ihren wunderbaren Terrassen und ausgeklügeltem Wassermanagement, an die Savannen und Grasländer Zentralasiens und Afrikas mit ihren Nomaden und Tierwanderungen. Vergegenwärtigen wir uns die üppige Erscheinung der äquatorialen Regenwaldregionen mit ihrer Intensität an Regen und Wärme und die behutsame Pflege von Waldgärten durch Eingeborene. Klettern wir in unserer Vorstellung einmal in die tropischen und subtropischen Bergtäler, mit uralter Landwirtschaft in 4000 Meter über dem Meeresspiegel. Fühlen Sie sich ein in die sozio-ökonomische, religiöse und kulturelle Verschiedenheit, die diese Regionen jeweils begleitet und wir beginnen den inneren Charakter dieser Landschaften zu schauen, das ganze und dynamische Wesen, das diese Gebiete durchdringt.
Dialog für die Vielfalt statt Standardisierung
Wesen in steter Entwicklung, Einheiten mit eigener Biografie, in Erscheinung
kommend durch menschliche Tätigkeit in einem ständigen Wechselspiel
mit dem örtlichen Potenzial der Natur. Das ist die Welt, die uns anvertraut
ist, und diese Vielfältigkeit wird zerstört durch die Standardisierung
landwirtschaftlicher Praktiken, gedrängt durch die wachsende Macht globalisierter
ökonomischer Kräfte und gekoppelt mit dem strammen Reduktionismus der
Agrarwissenschaften der letzten 40 Jahre. Die Vereinfachung und Intensivierung
landwirtschaftlicher Verfahren durch die industrielle Logik von chemischem
Input und Maschineneinsatz auf den produktivsten Böden des Planeten
ist die andere Seite der agrikulturellen Realität, die uns die meisten
Probleme aufdrängt. Diese Verfahrensweise hat sich auch auf marginalen
armen Flächen eingeschlichen und große Zerstörungen an Böden und Wasserressourcen
verursacht. Tropische Monokulturen, Tee, Zucker, Kaffee, Kautschuk,
Gewürze usw. sind weitere Beispiele für diesen Prozess der Vereinfachung
und das Ergebnis historischer Beziehungen zwischen Europa und seinen
Waren liefernden Kolonien seit über 400 Jahren. Sie sind ebenfalls Teil
des Szenarios, das jetzt nach Wandel verlangt. Natürlich wollen wir
nicht durch den Export vorgefertigter "Modelle" einer biodynamischen
Farm die weitere Verarmung der Landwirtschaft fördern. Das widerpricht
dem biodynamischen Impuls. Ich möchte hier Beobachtungen vorstellen,
die ich in vielen Jahren "in der Peripherie" mit biodynamischen
Landwirtschaftspraktiken gemacht habe.
Wir feiern gerade 80 Jahre Rudolf Steiners biodynamischen Impuls, sind
die dritte Generation biodynamischer Praktiker, eine kleine internationale
Gemeinschaft von Bauern, Forschern, Beratern und Lehrern. Trotz der
Internationalität bleibt der Markt für Demeter-Produkte hartnäckig beschränkt
auf Europa, vor allem auf Deutschland, das Geburtsland der Methode.
Ein Problem dabei ist der Kontrast zwischen den Bedingungen in Mitteleuropa
und dem Rest der Welt. Beispielsweise sind die Richtlinien für Demeter-Produkte
und der Zugang zum Biologisch-Dynamischen sehr mitteleuropäisch geprägt.
So ist die wichtigste Herausforderung die Entwicklung eines respektvollen
Dialogs zwischen diesem deutschen, mitteleuropäischen Herz und der nichteuropäischen
Peripherie, und er erfordert ein gegenseitiges Verstehen der landwirtschaftlich-ökologischen
und sozialen Ökonomie und nicht zuletzt ihrer politischen historischen
und kulturellen Bedingungen.
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Ausgangspunkt: Schulen des Denken und Fühlens
an Phänomenen Nicht fertige Empfehlungen oder Normen motivieren zu einer Änderung, das macht Menschen unfrei. Jeder konzeptionelle Inhalt muss in einem partizipatorischen Dialog vorbereitet werden, der aktuelle Landwirtschaftspraktiken "problematisiert". Dann erst können die lokalen landschaftlichen und agronomischen Bedingungen mit Hilfe des Beraters reinterpretiert werden. Lernen, mit der Natur zu denken
Unsere Arbeit jenseits der bekannten Bedingungen Zentraleuropas folgt sinnvollerweise dieser Methodologie. Sonst ersticken wir jede Möglichkeit innovativer Entwicklungen. Im folgenden sind einige der Schritte dargestellt, die ich in meiner Arbeit mit sehr unterschiedlichen Gruppen von Farmern nutze. Manche wollen mit ihren Demeter-zertifizierten Unternehmen Premium-Märkte in Europa nutzen, andere haben gerade ihren gesunden Menschenverstand wieder entdeckt und suchen Nachhaltigkeit für ihre Betriebe. |
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Die täglichen Probleme: Dimension des Hier und
Jetzt
Was lebt aus Kultur und Tradition? Historische
Dimension Die globale Dimension: Teil einer Bewegung Sich trauen anzufangen – Zukunftsbilder finden
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Futter für den Boden – Arbeiten mit Analogien
Was ist dann das beste Futter für den Boden? Schauen wir auf einen guten, dunklen Boden aus der unmittelbaren Umgebung, unter einer längeren Brache oder unter vorheriger Waldbedeckung. Was ist diese dunkle Substanz? Humus – wir geben ihr einen Namen. Wie ist sie entstanden? Wie können wir sie selbst machen? Können wir sie mit chemischen Düngern ersetzen? Nicht wirklich – sie wissen es instinktiv, haben erlebt, wie ihre Böden dürr wurden. So kommen wir zur Notwendigkeit, zu wissen, wie das beste Futter für den Boden bereitet wird, wie am besten organisches Material recycelt wird. Um pflanzliche und tierische Reste und Qualitäten zu integrieren, müssen wir nochmal zurück zum Lunch (Korn, Hülsenfrüchte, Fleisch, Gemüse, Gewürze...) – dann wird deutlich: Von dort kommen wir zur Notwendigkeit der Fruchtfolge und des Komposts, unterstützt von den biodynamischen Präparaten als Gewürze, Ferment. Wir können auch weiter fragen: Wie ernährt sich die Pflanze? Nur durch die Wurzeln? Analogien sind insgesamt ein hilfreiches Instrument, parallel zu den realen Phänomenen bringen wir so Wahrheit in den Dialog mit der lebendigen Natur, von dem wir uns durch das moderne landwirtschaftlichen NPK- Denken nicht ablenken lassen sollten.
Ganzheitliche Prinzipien des Wachstums: Beispiel
Polarität Erde- Kosmos |
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Produktivität und Qualität – wie fördert man
beides?
Mit ihnen an dieses grundlegene Organisationsprinzip der Natur zu kommen, stößt eine Tür für eine völlig neue Welt der Betrachtung auf. Wir schauen auf Gegensatzpaare in der Natur wie warm-kalt, hell-dunkel, Erde-Sonne, etc. und verbinden das mit Produktivität und Qualitätsmerkmalen. Zum ersten Mal kommen wir dazu, die biodynamischen Spritzpräparate einzuführen, in ihrer polaren Charakteristik, als Wege zur Steigerung dieser grundlegenden Gestik der Pflanze zur Sonne und zur Erde, als Mittel, Produktivität und Qualität zu fördern. Jetzt müssen wir die Farmer probieren und beobachten lassen. Diese Übung hilft ihnen auch, die Bedürfnisse der verschiedenen Pflanzen und Tiere, die verschiedenen „Organe” der Farm und deren Beziehung zur umgebenden Landschaft zu verstehen. Das Denken in der Polarität zwischen Erde und Kosmos ist ein Durchbruch im Prozess der Beobachtung und des Denkens und geschieht am besten auf dem Feld oder mit den Tieren an der Hand. In vielen Situationen ist die Frage der Integration von Pflanzen und Tieren in den Betrieb nicht einfach, in anderen ganz natürlich. Traditionelle Systeme integrieren immer beide. Die Nomaden Afrikas und Asiens brachten ihr Vieh am Anfang der Saison auf die Felder der Farmer zur Düngung. In den Regenwaldgebieten des Amazonas gestatteten Eingeborene wilden Tieren, ihre Anbauflächen zu durchstöbern, für Jagdzwecke. Doch selbst hier können wir diese grundlegenden Praktiken nicht als selbstverständlich nehmen, müssen sie mit den Menschen vor Ort durchdenken. Verankern in der Ökonomie – die soziale Seite
des Organismus |
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Schwerpunkt: die Individualität entwickeln
So sollte der wesentliche Unterschied zwischen dem organischen und
dem biologisch-dynamischen System nicht darauf reduziert werden, dass
letztere die Präparate benutzen, oder die Hörner und Schwänze der Tiere
dranlassen. Der Unterschied besteht in der Perspektive, in der Tiefe,
in der Beziehung, in der Ästhethik, in dem nachhaltigen Zusammenhalt,
im Denken und insgesamt in der Qualität der Prozesse und der Ergebnisse.
Nur auf diesem Weg wird die biologisch-dynamische Arbeit eine Chance
in der Zukunft haben, und in weiteren 80 Jahren könnten wir vielleicht
die wieder erlangte agrikulturelle Diversität des Planeten feiern, mit
ermöglicht durch diesen Impuls. |
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Als ich mit dem Maikaal Faser Projekt in Indien begann, das sich bis zum Ende meiner Arbeit auf 1200 Bauern entwickelte, war das Hauptproblem der Baumwollfarmer ein starker Druck durch Weiße Fliege und hohe Kosten, um sie unter Kontrolle zu halten. Eine Pestizidresistenz hatte sich entwickelt, die Bauern gaben die Baumwolle auf. Meine erste Aufgabe war also, an diesem speziellen Problem zu arbeiten. Dazu musste ich mit ihnen über ihre Verfahren, ihre Böden, Krankheitszyklus, Befallsdruck in Bezug zu Klima, Dünger-einsatz, Sortenunterschieden, über Pestizidpreise, Baumwollpreise etc. reden. Zusammen entwickelten wir Lösungen. Als nach einem Jahr das Problem gelöst war, war ich Teil Ihrer Problemlösungsgleichung. So konnten wir uns zur nächsten Ebene bewegen. Jetzt ist es eines der größten biodynamischen Projekte in der Welt mit ca. 7000 Hektar. Einmal bat ich den Häuptling eines Amazonasstammes den Teilnehmern an meinem Workshop zu Entwicklungsmodellen für die Amazonasregion, über ihre Mythen des Ursprungs des Waldes und der Nahrungspflanzen zu erzählen. Den Teilnehmern wurde deutlich, dass das indigene Konzept, Teile des Körpers eines mythologischen Helden im Anbau wiederherzustellen, eine sehr fortgeschrittene Methode war, Biodiversität von Nutzpflanzenin diesem komplexen Ökosystem zu erhalten, ein archetypischer Verweis auf den Farmorganismus. So muss jeder etwas neues lernen, Lernen ist keine Einbahnstraße, sondern findet auf gleicher Ebene und in viele Richtungen gehend statt. Die meisten konventionellen Farmer in den Tropen, (die, die das Land bewirtschaften) beschreiben einen Prozesses der Bodenverschlechterung, verursacht durch chemische Dünger. Sie berichten über Zunahme von Wasserbedarfs und Krankheitsdruckes und von einer allmählichen Reduktion der Erträge, eine typische Reaktion tropischer Böden, die arm an organischer Substanz und Mikronährstoffen sind. Bäuerliche Farmer in Asien und Afrika, besonders die Älteren, sind sich der Verarmung ihres Landes durch des Einsatz von Chemikalien sehr bewusst und wissen nicht, wie sie aus dieser Falle heraus kommen sollen, zumal die Agronomen der Regierungen meist nur mit neuen subventionierten Chemikalien kommen. Das Resultat dieser phänomenologischen Übung macht ihnen Mut. Die meisten Teeplantagen, denen ich bei Verbesserungen und der Umstellung
auf´s biodynamische System half, benutzten weder Stalldünger noch Kompost.
Nun beziehen sie alle Kompost aus dem Mist des Viehs der Arbeiterhaushalte,
die die Plantagen umgeben. Das Vieh frisst Unkraut aus der Plantage,
das täglich von den Teepflückerinnen heim gebracht wird, gibt Milch
für diese Familien und Dung für ihre Selbstversorgerflächen. Doch so
wie der Dung genutzt wurde, verlor er mehr als die Hälfte des Nährstoffgehaltes,
außerdem waren die Böden verhärtet durch Herbizide und Dünger, so dass
nur ein paar dürre Gräser zwischen den Teereihen wuchsen. Nachdem wir
mit der Anwendung von Kompost und biologisch-dynamischen Präparaten
begonnen hatten, wurden die Böden weich und mehr und vielfältigeres
Kraut konnte geerntet werden, ebenso mehr Milch und Dung. Ich besprach
das mit den Arbeitern und wir begannen, den Dung zu kompostieren. Vorher
kaufte die Plantage Mist zu, nun kauft sie fertigen Kompost von ihren
Arbeitern und erhöht so deren Einkommen. Die nährstoffreiche Asche des
Teeschnittholzes, das sie verfeuerten, wurde ebenso in den Boden zurückgebracht.
Und die Arbeiter fragten für ihre Flächen nach den biodynamischen Präparaten,
die wir auf der Farm für den Tee herstellten. So wurde eine völlige
Neuorganisation der Ressourcen der Farm erreicht, die nicht nur dem
Land und den Teekonsumenten dient, sondern auch den Arbeitskräften.
Neue Schattenbäume wurden gepflanzt und das Problem von Erosion und
Wasserversorgung wurde angegangen. Die Förderung des Dialogs zwischen
Arbeitern und dem Management war dazu sehr wichtig, ebenso wie die Arbeit
mit den Managern und den Besitzern an einem gemeinsamen Bild der Veränderungen.
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weitere Veröffentlichungen des Autors
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Tadeu Caldas berät seit 20 Jahren biologisch-dynamische und ökologische Projekte in den Tropen und Subtropen und hat z.B. biologisch-dynamischen Landbau in Nord- und Mittelindien etabliert in Projekten wie Maikaal (Baumwolle), Ambootia oder Makaibari (Tee). Parkstr. 23, D- 50968 Köln, www.ecotropic.com, ecotropic_bioagro@hotmail.com |
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