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Lebendige Erde 5/2004:HintergrundNeue Organisationsmodelle für landwirtschaftliche BetriebeHofübergabe außerhalb der Erbfolgevon Cornelia Roeckl
Ende der 60-er Jahre entstand im Gespräch zwischen der Gemeinnützigen Treuhandstelle in Bochum und einigen biologisch-dynamischen Höfen und Pionieren die Idee der gemeinnützigen Trägerschaft. Leitend waren sowohl pragmatische Ziele - Landwirtschaft für Quereinsteiger zugänglich zu machen oder Höfe zu entschulden - als auch grundsätzliche Überlegungen zum Eigentum an Grund und Boden. Die Kernidee ist, dass ein gemeinnütziger Träger Eigentümer eines Hofes wird und diesen einer Betriebsgemeinschaft oder Familie zur Pacht überlässt. Diese Idee wurde in verschiedenen Ausgestaltungen an mindestens 80 Orten umgesetzt und weiterentwickelt. Im folgenden Beitrag werden Erfolgsfaktoren und Grenzen beschrieben, u.a. vor dem Hintergrund eines wachsenden Bewusstseins dafür, dass Höfe auch außerhalb der Familie übergeben werden können und sollen. In Abgrenzung zu anderen, nicht gemeinnützigen Möglichkeiten der Hofübergabe außerhalb der Erbfolge werden die Charakteristika der gemeinnützigen Trägerschaft deutlich. Der Artikel fasst Beispiele und Erfahrungen aus der Finanzierungsberatung der Autorin zusammen. Er ersetzt in keiner Weise eine umfassende rechtliche und steuerliche Beratung von Betriebsgründungen und -übergaben durch die entsprechenden beratenden Berufe. Übergabe außerhalb der Familie / Wahlverwandtschaften
Das zunächst Naheliegende - die Übergabe von Höfen außerhalb der Familie
- mutet exotisch an. Eher werden heruntergewirtschaftete (Rest-)Höfe
von Quereinsteigern ganz neu aufgebaut, als florierende Betriebe außerhalb
der Familie übergeben. Bereits in der Familie ist die Hofübergabe ein
komplexer Prozess, der Zeit, Einfühlungsvermögen und gute Beratung benötigt.
Noch schwieriger ist dies außerhalb der Familie, da nur wenige Beispiele
existieren und das erforderliche Wissen nicht aufbereitet vorliegt.
Doch mit Verkauf, (gemischter) Schenkung und Übergabevertrag bestehen
mehrere Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Übergabevertrag z.B. kann ganz
ähnlich gestaltet sein wie innerhalb der Familie - als Über-tragung
gegen Rentenzahlung oder dauernde Last; es ist nicht erforderlich, einen
Kaufpreis zu entrichten. Allerdings sollten die Erben einer solchen
Übergabe zustimmen, nicht zuletzt, weil die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen
die Übergabe des Hofes gefährden könnte. Zudem ist zu beachten, dass
für Schenkungen unter Fremden Schenkungssteuern anfallen. Wenn der Wert
des Hofes 225.000 € (Freibetrag anlässlich einer Betriebsübergabe) übersteigt
und der übersteigende Wertansatz nicht durch die vereinbarte Rente kompensiert
wird, fällt i.d.R. Schenkungssteuer an. Ob diese Steuerbelastung die
Übergabe unmöglich macht, ist im Einzelfall zu prüfen. Für viele kleine
und mittlere Betriebe wird der Freibetrag jedoch ausreichen, da eine
Rente - oder Wohnrechte und Naturalleistungen - von z.B. 1.000 € pro
Monat für ein Ehepaar im Alter von 65 einen Kapitalwert von 135.000
€ haben. |
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Im Übrigen sind alle Fragen zu beantworten, die auch die Übergabe in der Familie begleiten: Sollen die Altenteiler am Hof wohnen oder außerhalb? Wie hoch muss und kann die Rentenzahlung sein angesichts der unvollständigen landwirtschaftlichen Alterssicherung einerseits und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Hofes andererseits? Muss die Rente durch eine Grundschuld abgesichert werden? Was bedeutet das für künftige Darlehensfinanzierungen? Die Hofübergabe ist eine Art Sterbeprozess. Immer wird der Hof in der nächsten Generation anders bewirtschaftet als in der Vergangenheit. Abschied zu nehmen, fällt vielen bäuerlichen Betriebsleiterehepaaren und Betriebsleitern schwer - umso weniger sollte es auf die lange Bank geschoben werden. Der Übergabeprozess braucht Zeit: selbst schnelle Übergaben dauern ein halbes bis ganzes Jahr, oft deutlich länger. Im Vergleich zum gewerblichen Mittelstand ist die Landwirtschaft durch hohe Eigenkapitalquoten sowie niedrige Kapitalrentabilität geprägt. Beide Faktoren bedeuten, dass Hofkäufe nicht durch Bankdarlehen finanziert werden können. In einem durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb ist Kapital in Höhe von 638.470 € gebunden. Hinzu kommt i.d.R. ein Wohnhaus, das sich im Privatvermögen befindet, aber ebenfalls zum Hof gehört. Unter Berücksichtigung durchschnittlicher Verbindlichkeiten in Höhe von 103 T€ liegen über 500 T€ Eigenkapital vor. Diese erheblichen Vermögenswerte werden nur selten an Fremde übergeben - zumal der Hof in die uneingeschränkte Verfügungsgewalt der Übernehmenden gelangt. Ein Verkauf des Hofes zu einem späteren Zeitpunkt kann nicht sicher ausgeschlossen werden. Allenfalls können - für einen überschaubaren Zeitraum - Rücktrittsrechte oder Vorkaufsrechte vereinbart werden sowie Regelungen für Spekulationsgewinne. Neben den hohen Kapitalwerten sind aber auch psychologische Hürden zu überwinden: Die eigenen Kinder zu "enterben" ist sicher nicht unproblematisch, obwohl bei einer Hofübergabe an eines der Kinder die weichenden Erben in der Regel ebenfalls nur relativ niedrige Abfindungen erhalten. Es fällt schwer, unbefangen und frühzeitig externe Nachfolger zu suchen, solange fehlende Hofnachfolger aus der Familie als "Versagen" empfunden werden. Dabei ist es angesichts der fortschreitenden Individualisierung unerlässlich, dass Berufs- und Lebensentscheidungen tatsächlich individuell getroffen und nicht durch die Familie vorgegeben werden. Wer seinen Hof außerhalb der Familie weitergibt, statt meistbietend
zu verpachten oder verkaufen, entscheidet sich gegen das Erlösen von
Verkehrswerten und für die Erhaltung des Hofes als Einheit. Diese in
der Familie seit Jahrhunderten geübte Haltung kann auch auf "Wahlverwandte"
ausgedehnt werden. |
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Braucht ökologischer Landbau andere Eigentumsformen?
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Struktur eines gemeinützig organiserten Betriebes |
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Gemeinnützige Trägerschaft - vier Bausteine
Vorteile bzw. Chancen: der Hof wird gemeinnützig
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Beispiele Birkenhof - Landwirtschaftliche Gemeinschaft Siegerland :1992 gründeten 30 Mitglieder die Landwirtschaftliche Gemeinschaft Siegerland e.V. mit dem Ziel, einen biologisch-dynamischen Hof aufzubauen. Bis zum Kauf des Birkenhofes zwei Jahre später war der Verein auf 80 Mitglieder angewachsen und konnte den Kaufpreis in Höhe von 500.000,- € durch Darlehen, private Leihgelder, Spenden, ideelle Beteiligungen und Mittel aus dem Landwirtschaftsfonds der Gemeinnützigen Treuhandstelle e.V. finanzieren. Der Hof wird durch eine Betriebsgemeinschaft aus zwei Familien bewirtschaftet. Deren Pacht deckt die Zinslast des Vereins, die Tilgung erfolgt aus anderen Einnahmen wie Spenden und Veranstaltungserlösen. Erfolgsfaktoren sind die enge Kundenbindung infolge Direktvermarktung mit vielen hofeigenen Produkten sowie die unermüdlichen Aktivitäten des Vereins: Hof- und Jahreszeitenfeste, Vorträge, kulturelle Veranstaltungen, Lernangebote für Kinder und Jugendliche, aber auch die Betreuung der Direktdarlehen und Beteiligungen. Hof Dannwisch: Während die Gründung des Birkenhofes maßgeblich von Verbrauchern aus der Region ausging, wurde Hof Dannwisch bei Elmshorn - eine Zisterzienser-Gründung aus dem 12. Jahrhundert - nach einer Bewirtschaftung durch viele Generationen in der Familie 1986 auf einen gemeinnützigen Verein übertragen. Margret und Dieter Scharmer hatten das Vertrauen gefasst, dass eine gemeinnützige Trägerschaft die Zukunft des Hofes besser gewährleisten könne als Privateigentum. "Gefährdungen wie Überschuldung, Landverkauf, Erbteilung, fehlende Nachfolger und fehlende innovative Ideen" sollen so vermieden werden. Heute wird der Hof von einer Betriebsgemeinschaft aus fünf Familien - sowohl Scharmer-Nachfahren als auch "Externen" - bewirtschaftet. Neben Landwirtschaft, Gärtnerei, Milchverarbeitung und Vermarktung prägen die Ausbildung, die Integration einiger seelenpflegebedürftiger Menschen, pädagogische Arbeit mit Waldorfschulen und Kindergärten und kulturelle Veranstaltungen den Hof (s. www.hofdannwisch.de). Stiftung Weingutmuseum Hoflößnitz: Das Weingut Hoflößnitz war
im 17. Jahrhundert Zentrum des kurfürstlich-sächsischen Weinbergbesitzes,
1915 kam es in kommunalen Besitz. 1998 wurde es von der Stadt Radebeul
in eine Stiftung übertragen, um sowohl der herausragenden denkmalpflegerischen
und kulturlandschaftlichen Bedeutung als auch dem Anwachsen der wirtschaftlichen
Betriebe (Gastronomie, Weinerzeugung) Rechnung zu tragen. Die Stiftung
ist verantwortlich für die Erhaltung des Gesamtkomplexes und betreibt
u.a. ein Weingutmuseum. Der ökologische Weinbau sowie die Gastronomie
sind an eine GmbH verpachtet. Besonders interessant ist, dass zwei Sitze
im Kuratorium der Stiftung für Vertreter/innen des Vereins "Kulturlandschaft
Hoflößnitz e.V." reserviert sind. Auf diese Weise wird das Kuratorium
für Bürgerengagement geöffnet und eine Transparenz geschaffen, die für
Stiftungen nicht selbstverständlich ist. |
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Zwischenbilanz: Erfahrungen mit Gemeinnützigen
Trägern
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Statt gemeinnützige Form: Verbreiterung der
Kapitalbasis von Höfen Der Hof am Weiher ist hierfür ein interessantes Beispiel. Der Bioland-Hof wurde 1987 von Komelius und Annette Burgdörfer-Bensel auf einer Althofstelle neu gegründet: Sie wandelten 2001 ihr Kapital in Aktien um, die erste Sachgründung eines Biohofes als "Kleine Aktiengesellschaft". 90 Aktionäre, überwiegend aus dem Kundenkreis, haben in zwei Schritten für knapp 190.000 € Aktien gezeichnet und damit wichtige Investitionen ermöglicht. Sie nehmen über monatliche Kundenbriefe, Hoffeste und die jährliche Hauptversammlung am Betriebsgeschehen teil. Wenn Kornelius Burgdörfer-Bensel "Biobauer und Vorstand der Hof am Weiher AG" das Rentenalter erreicht, kann die AG einen neuen Bauern-Vorstand anstellen. Motiv für die Wahl der Rechtsform war, den Hof langfristig auf tragfähige Füsse zu stellen und ein Profil zu entwickeln, das nicht nur auf die Person des Bauer zugeschnitten ist. Die Aktionäre sind sozial und ökologisch engagiert und kommen aus allen Altersstufen. BurgdörferBensel hofft, dass sich aus diesem Kreis immer wieder Menschen finden, die z.B. als Aufsichtsrat Verantwortung übernehmen. Nach drei Jahren ist seine Bilanz positiv: "Die Strukturvorgaben zwingen dazu, gemeinsame Lösungen zu finden. Natürlich gibt es auch kontroverse Diskussionen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, aber als Menschen kommen wir ja nicht weiter, wenn wir uns nicht auseinandersetzen." Einziger Nachteil sind aus seiner Sicht die relativ hohen Gründungskosten der AG. Auch auf dem Weg zu einer Aktiengesellschaft gibt es Zwischenschritte: Durch Hereinnahme von Privatdarlehen, von stillen Beteiligungen oder von Kommanditisten in eine KG werden Kundinnen und Kunden sowie Unterstützer des Hofes in die Finanzierung eingebunden. Ausblick: neue Rechtsformen werden zunehmen
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Gemeinnützige ZweckeLandwirtschaft selbst ist nicht gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts. Aber viele gemeinnützige Zwecke können mit und durch Landwirtschaft erreicht werden, z.B.:
Die gemeinnützigen Zwecke können sowohl direkt durch die Aktivitäten
des Trägers als auch indirekt durch Projektförderung aus den (Pacht-)
Erträgen des Vereins oder der Stiftung verfolgt werden. Die Landwirtschaft
selbst kann jedoch nicht durch den gemeinnützigen Träger betrieben werden
- außer der Betrieb dient ganz überwiegend z.B. der Therapie oder Forschung.
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. Cornelia Roeckl ist Geschäftsführerin der Zukunftsstiftung Landwirtschaft,
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