Was bedeutet das für den Öko-Markt?
Die Auswirkungen dieser Angebotsausdehnung in Osteuropa auf den Öko-Markt in der gesamten EU sind schwierig abzuschätzen. Eine erste entscheidende Frage wird sein, ab wann auf diesen Umstellungsflächen anerkannte Öko-Produkte für den Markt produziert werden können. Aufgrund der "quasi" ökologischen Bewirtschaftung mangels Kapital und chemisch-synthetischen Hilfsmitteln könnten die normalerweise dreijährigen Umstellungsfristen für Öko-Flächen in vielen Fällen deutlich verkürzt werden.
Eine zweite bedeutende Frage ist, wann die Öko-Erzeugnisse auch physisch auf dem Markt erscheinen. In den Beitrittsländern muss in vielen Regionen zunächst eine entsprechende Infrastruktur für die Zertifizierung, den getrennten Transport und Lagerung sowie eine getrennte Verarbeitung der Öko-Produkte aufgebaut werden. Das kann Jahre dauern. Lediglich Rohprodukte, die ohne großen Aufwand über weite Strecken transportfähig und leicht lagerfähig sind (z.B. Getreide, Ölsaaten), könnten schon nach kurzer Zeit Verarbeitungsunternehmen in der EU-15 angeboten werden. Dies könnte in an die EU-15 angrenzenden Regionen auch bei anderen Produkten (z.B. Schlachtvieh, Milch, Kartoffeln) relativ kurzfristig der Fall sein.
Eine dritte Frage ist, wie schnell sich die Nachfrage für Öko-Produkte in den einzelnen Beitrittsländern entwickelt. Mit steigender Kaufkraft zumindest eines Teils der Bevölkerung dürfte zwar die Nachfrage nach Öko-Produkten in den Beitrittsländern rasch ansteigen, aber kaum in ähnlichen Größenordnungen wie das Angebot. Das bedeutet, dass ein sehr großer Teil der Öko-Produkte aus den Beitrittsländern auf den Öko-Markt der EU-15 drängen wird.
Die sich daran anschließende vierte Frage ist, wie lange osteuropäische Anbieter benötigen, um die Qualitätsanforderungen von Händlern und Verarbeitern in der EU-15 erfüllen zu können. Dieses hängt in hohem Maße davon ab, welche flankierenden Maßnahmen in den einzelnen Ländern zusätzlich zu den Umstellungsprämien für den Aufbau der Öko-Märkte erfolgen werden (z.B. Beratungsangebote für Landwirte).
Insgesamt gesehen ist nicht davon auszugehen, dass der Öko-Markt in der EU-15 in den nächsten drei Jahren von Öko-Produkten aus Osteuropa "überschwemmt" wird, wie von einigen Öko-Landwirten in Deutschland befürchtet wird. Kurzfristig könnte der Markt in der EU-15 durch steigende Exporte an verarbeiteten Öko-Produkten (z.B. Babynahrung und Milchprodukte) sogar in einigen Bereichen leicht entlastet werden.
Mittelfristig (in drei bis fünf Jahren) ist jedoch damit zu rechnen, dass erhebliche Mengen an Öko-Produkten, insbesondere Rohstoffe, aus Osteuropa auf den Öko-Markt in der EU-15 gelangen werden. Da der deutsche Öko-Markt mit Abstand der größte in der alten EU ist, wird dieser ein bevorzugtes Zielland für osteuropäische Anbieter sein. Wie die Erfahrungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands gezeigt haben, werden die neuen Öko-Anbieter in erster Linie versuchen, über niedrigere Preise Marktanteile zu gewinnen, was ihnen bei agrarischen Rohstoffen aufgrund niedrigerer Produktionskosten (insbesondere Kosten für Arbeit und Boden) auch möglich ist. Bei landwirtschaftlichen Veredelungserzeugnissen (Geflügelprodukte und Schweinefleisch), bei Feingemüsekulturen und bei Verarbeitungserzeugnissen, deren Produktion von einem hohen Kapitalbedarf geprägt ist, hängt dagegen viel davon ab, wie rasch Kapital in diese Bereiche fließt. Es ist zu vermuten, dass auf diesen Märkten der Preisdruck für die EU-15 erst sehr viel später einsetzt.
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