Lebendige Erde 5/2000:

Höfe & Menschen

Vom Bauern zum Bäcker

Gespräch mit Demeter-Landwirt Ludwig Weber

Herr Weber, sie haben einen großen Demeter-Landwirtschaftsbetrieb! Wie wurden sie Demeter-Landwirt?
Ursprünglich war dieser Betrieb auf Bul.len.mast spezialisiert. Außer Mais und Weizen gab es kein anderes Getreide, das angebaut wurde. Durch diese einseitige Bo.denbewirtschaftung kam es im Laufe der Zeit zu erheblichen Ertragsrückständen.
Abb. 1: Dem Vieh geht´s gut, den Böden auch: Ludwig Weber achtet auf die innerbetrieblichen Kreisläufe

Es musste etwas geschehen, klar dass eine Umstellung erfolgte. Durch das Land.wirtschaftsstudium bin ich zum Ökologischen Landbau gekommen. Während eines Auslandssemesters in Neuseeland hat mich die Reinheit der Natur dort so fasziniert, dass ich nicht mehr von dem Gedanken loskam, meine eigene Heimat mit der Arbeit in der Landwirtschaft schützen zu wollen.

Zuhause angekommen, sollte der Betrieb umstrukturiert werden. Mit Naturland erfolgten einige Umstellungsgespräche. Letztlich machte ich im Herbst 1990 den Vertrag mit Demeter, pachtete noch während des Studiums von meinem Vater 20 ha Land, er behielt 50 ha und exten.sivierte weiter. Das Vieh wurde reduziert, Klee anstelle von Silomais angebaut und somit die Fruchtfolge verbessert. Ställe und Heulager wurden aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftsweisen voneinander getrennt. Ein Jahr später wurde der Betrieb komplett auf Demeter umgestellt. Ich entschloss mich deshalb für Demeter, weil ich von der ganzheitlichen Betrachtungsweise angetan war, angefangen vom Landbau über die Ernährung. Auch hat mich der Betriebsleiter eines neuseeländischen Demeter-Hofes tief beeindruckt. Hinter der biologisch-dynamischen Bewirtschaftung steckt einfach noch viel mehr dahinter. Ich empfand diese Anbauweise als meinen persönlichen Weg.

Durch viel Vieh und dadurch Mist und Kleegras erholte sich der angeschlagene Boden ziemlich schnell. Dennoch benötigte das Ackerland eine längere Zeit um sich zu regenerieren und zu stabilisieren. Jetzt, nach 10 Jahren ist der Boden stabil und voller Leben. Wenn ich mit dem Spaten in mein Land steche und zum Vergleich in das Land meines konventionellen Nachbarn, kann inzwischen jeder Laie den Unterschied dieser beiden Böden erkennen. In meinem steckt viel mehr Leben!

Wie kam es zur Idee, einen Backofen zu bauen und Bäcker zu werden?
Eines meiner Ziele war, auf dem Hof Dinge zu verwirklichen, die mir persönlich wichtig sind und die ich gerne habe, z. B. habe ich viele Streuobstwiesen und Biotope angelegt. Irgendwann ging es darum zu überlegen, wie man den Betrieb überlebensfähig gestalten kann. Ich besitze viel Dauergrünland aufgrund der mageren Böden, 20 Mutterkühe reichen für die Bodenfruchtbarkeit aus, aber mit der Mut.terkuhhaltung kann ich meinen Betrieb auf lange Sicht nicht am Leben halten.

Auf 20 ha Land baue ich Getreide an,viel Roggen, Dinkel, Hafer, Weizen und Einkorn. Aber nach der Umstellung war abzusehen, dass die Getreidepreise zurückgehen würden. Es stellte sich die Frage: entweder Sonderkultur (Obst- und Ge.müseanbau) oder Verarbeitung. In der Rhön haben wir recht ungünstige Bedingungen in Bezug auf Klima und Boden. Auch die Infrastruktur hier ist nicht sonderlich gut. So ergaben sich 3 Alternativen für mich, entweder Fleisch und Wurst oder Milchverarbeitung oder Brot. Da ich zur Metzgerei keine Veranlagung habe und ein Milchkontingent nicht vorhanden war, entschloss ich mich zum Brotbacken. Als Student habe ich schon gerne Brot gebacken, ich habe es mir selbst beigebracht. Und für den Eigenbedarf haben wir schon längere Zeit im dörflichen Gemeindebackofen Brot gebacken. Mein Herz hängt schon immer an einem guten Stück Brot! Freunde und Bekanntenkreis unterstützten mich von Anfang an. Ein sehr guter Freund hat mir beim Bau der Backstube und der Arbeitsmöbel das erste halbe Jahr unentgeltlich geholfen. Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft!

Heute backen wir 8 Sorten Brot, 3 Bröt.chensorten, verschiedene Kleingebäcke und Kuchen mit 2 Aushilfskräften jeden Freitag und Samstag.

Wie kommt das im Dorf und bei den Kunden an, dass sie neue Wege gehen und ihr Getreide selbst verbacken?
Größtenteils positiv, die Backwaren werden gut angenommen. Auch konventionelle Landwirte und Kunden kaufen im Laden wegen der guten geschmacklichen Qualität.

Was hat der Bäcker mit dem Landwirt gemein – was unterscheidet die beiden Aufgaben?
Eine Gemeinsamkeit ist folgende: Man übt nicht nur eine bestimmte Tätigkeit aus, sondern ist auf Lebewesen angewiesen, die das Erzeugnis mit beeinflussen. Die Kunst ist es, für diese Lebewesen optimale Lebensbedingungen zu schaffen. Das gelingt nur, wenn man sich in diese Le.bens.vorgänge hinein versetzt. Unterschiede existieren natürlich auch: Als Bäcker kann man diese "äußeren Lebensbedingungen" konstant halten, der Landwirt hingegen hat keinen Einfluss auf äußere Gegebenheiten wie Klima und Wetter. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder muss man das Wetter irgendwie "erfühlen" oder ein so stabiles System gestalten, welches sämtliche äußere Einflüsse verkraftet.

Abb. 2: Der Bauer bäckt selber:
Ludwig Weber in der Backstube

Des weiteren ist die innere Qualität eines Brotes für den Kunden durch den Geschmack leichter wahrnehmbar. In der Landwirtschaft ist das nicht immer so (vielleicht bei Gemüse), es ist schwerer dingfest zu machen. Man kann einfach nicht von vornherein festlegen, wie beispielsweise eine bestimmte Qualität zu definieren ist. Ein weiterer Unterschied: Der Kunde kann beim Bäcker "sein" Lieb.lingsbrot heraus wählen, der Landwirt hingegen kann den vielen unterschiedlichen Qualitätsansprüchen an landwirtschaftlichen Erzeugnisse nur schwer gerecht werden, man denke an den Widerspruch innere Qualität und Backqualität.

Was ist Ihr ganz persönliches Qualitätsziel?
Ich lege besonderen Wert auf die "innere Qualität" meiner Erzeugnisse. Mein Ziel ist es, hochwertige Qualität zu erzeugen, von der Pflanze bis zum Brot. Der Mensch soll das Endprodukt, mein Brot, als etwas Besonderes erkennen, denn nur wenn ihm das Brot gut bekommt und schmeckt, kann ich zufrieden sein. Wenn solche Qualität irgendwann einmal nachweisbar, beweisbar wird, möchte ich nicht auf der falschen Seite stehen. Für mich bedeutet Qualität aber auch, das Land so zu bewirtschaften, dass die Bevölkerung ausreichend und in der rechten Weise ernährt wird. Dazu gehört, dass , wenn man ein Lebensmittel isst, man auch eine gewisse Befriedigung verspürt, die nicht dazu antreibt, Unmengen zu verzehren, nur weil etwas im Ungleichgewicht ist. Wichtig ist für mich, Nachhaltigkeit in vielen Bereichen zu schaffen, so z.B. die Bodenfruchtbarkeit und Ressourcen zu schonen. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass die von mir erzeugten "Lebens-mittel" Menschen helfen können, ihren individuellen Entwicklungsweg zu beschreiten.

Erleben ihre Kunden diese Zielsetzung?
Die meisten Kunden "erleben" zunächst den Geschmack. Eine Rolle spielt ebenfalls die Verträglichkeit, Verdaulichkeit meiner Erzeugnisse. Einige wenige Kunden sagen, dass mein Brot ihnen ein gutes Wohlbefinden schenkt, es Auswirkung auf ihre Ausgeglichenheit besitzt oder ihnen einfach nur Kraft gibt, ihnen gut tut.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führten A. Beck und P. Wintergerst
 

Ludwig Weber bewirtschaftet heute 34 ha Acker und 34 ha Grünland mit 23 Kühen. Wöchentlich backt er zusammen mit einer Mitarbeiterin 250 bis 300 Brote aus Roggen, Weizen, Dinkel und Einkorn. Verkauft werden diese und andere Backwaren von Ines Rösgen, seiner Lebenspartnerin.