Lebendige Erde 4/2001:

Kurz & Aktuell

12.000 Unterschriften für eine Lebens-Landwirtschaft

Der Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise hat mit seinem Manifest für eine Lebens-Landwirtschaft (als Beilage auch in der Maiausgabe dieser Zeitschrift) bislang über zwölftausend Unterschriften gesammelt und sie in Form eines Aufrufs per Anzeige in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT am 7. Juni veröffentlicht. Wir fragten Nikolai Fuchs, Geschäftsführer des Forschungsring und Mitverfasser, was es mit dem Manifest auf sich hat:

Das Manifest zielt auf eine Agrarwende, die gründlicher ist, weiter als nur produktionstechnisch denkt. Der Begriff Lebens-Landwirtschaft darin ist neu. Was ist damit gemeint?
Der Begriff Lebens-Landwirtschaft soll darauf aufmerksam machen, dass in der Landwirtschaft mit dem Leben gewirtschaftet wird. Das heißt, Landwirtschaft ist keine Industrie, kein Input-Output-System, das einem gewerblichen Unternehmen vergleichbar produziert.

Was hat das denn für Konsequenzen für das normale Tun der Landwirte?
Um mit dem Leben umzugehen, sollte ich verstehen, wie Leben beschaffen ist. Ein Lebewesen ist etwas anderes als eine Maschine und es bedarf von daher eines anderen Umgangs. Daneben gilt es, den gesamten Hof dem Lebendigen entsprechend auszurichten und zu gestalten.

Was heißt das am Beispiel Tier?
Jedes Lebewesen hat wie der Name schon sagt ein Wesen, das über den physischen Körper hinaus die Art, das spezifische So-Sein des Tieres prägt und die Entwicklung lenkt. Das gilt es zu erkennen. Dann verfüttere ich, um im Beispiel zu bleiben, nicht mehr Fleisch an Wiederkäuer, weil es ihrem Wesen und meiner Erkenntnis davon widerstrebt. Dieses artwidrige Verfüttern kann nur geschehen, wenn man ausschließlich auf die Körperlichkeit und z.B. die Aminosäuren schaut, dann passieren solche Fehler.

Und was heißt das für den Hof?
Da Landwirtschaft, wie gesagt, mit dem Leben wirtschaftet, betreibt man sie am besten so, dass man sie selbst nach dem Lebens-Prinzip aufbaut. Das Lebens-Prinzip ist, im Gegensatz zur Maschine, nicht der Mechanismus, sondern der Organismus. Der Betrieb sollte selbst wie ein Organismus aufgebaut werden; dann können sich die einzelnen Organe dieses Organismus Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen im richtigen Verhältnis, in der richtigen Proportion, und harmonisch aufeinander einspielen. Der Effekt ist, dass dann flächengebundene Tierhaltung und vielfältige Fruchtfolgen von selber entstehen, d.h. Gülleproblematiken und Überschüsse etc. nicht mehr auftreten. Alles findet ein gesundes Verhältnis zueinander und im Idealfall bekommt das Ganze dann noch eine Entwicklungsrichtung, wird dadurch individuell.

Aber ist nicht heute der Trend gerade anders dass sich auch der Ökolandbau spezialisiert? Ist Lebens-Landwirtschaft nicht ein Stückweit Utopie?
Ja und nein. Die meisten der Ökolandwirte machen das so, relativ perfektioniert gibt es das speziell im biologisch-dynamischen Landbau. Nur droht heute auch der ökologische Landbau sich zunehmend nach dem mechanistischen Denken auszurichten, d.h. dass chemische Dünger und Pestizide nur durch biologische Mittel ersetzt werden, dass viehlos und relativ monokulturell gewirtschaftet wird und die Möglichkeit des Zukaufs von außen in den Betrieb bis zur Grenze ausgenutzt werden. Damit industrialisiert sich der ökologische Landbau zunehmend auch im Hinblick auf seine Märkte. Der Begriff Lebens-Landwirtschaft soll auf das Lebens-Prinzip in der Landwirtschaft neu aufmerksam machen, die Leitlinie für eine Richtung aufzeigen, in die die Entwicklung unserer Ansicht nach gehen muss. Die ganze Landwirtschaft muss von innen heraus neu aufgebaut werden, sonst rutscht sie auf verschiedenen Wegen immer wieder in Richtung industrielle Rohstofferzeugung. Für diese Entwicklung möchten wir um Unterstützung werben.

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