Lebendige Erde 6/2003:

Kurz & Aktuell

Preisverfall bei Biomilch: Warnstreik der Biobauern

Fragen an Stefan Illi, Geschäftsführer der Liefergemeinschaft für Demeter- Milch aus Bayern e.V.

Ein Streik ist ein Novum in der kleinen Biobranche: Worum ging es?
Ausschlag für diese außergewöhnliche Aktion gab der zunehmend harte Konkurrenzkampf, den sich die beiden marktführenden Biomolkereien im Lebensmittelhandel boten. Der Wettbewerb der Bio-Molkereien um Preise, Rabattaktionen und Marktanteile ging im vergangenen wie auch in diesem Jahr voll zu Lasten der Biomilch-Erzeuger. So lagen die Milchgeldauszahlungspreise bei den beiden Marktführern Scheitz und Söbbeke im Jahr 2002 im Jahresdurchschnitt bei 34,3 Cent netto pro kg Milch und damit rund 3,5 bis 4,5 Cent unter dem Vorjahresniveau 2001. Das entspricht einem Umsatzrückgang von 10% und einem Einkommensverlust von 30-40%! Und auch in diesem Jahr ging die Talfahrt weiter; im Juni zahlten beide Molkereien ihren Lieferanten nur noch 31 bzw. 31,5 Cent pro kg Biomilch aus. Mit dem Warnstreik sollte ein deutliches Signal gesendet werden, dass zu diesem Preis keine hochwertige Biomilch erzeugt werden kann.

Wie war die Beteiligung?
Gegen die zu niedrigen Ökomilch-Erzeugerpreise protestierten 560 Biomilch-Lieferanten aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in einem erstmalig von Bauern gemeinsam angelegten 2-tägigen Lieferstopp am Wochenende vom 6./7. September. Über 90 % der 417 Biomilch-Lieferanten der Andechser Molkerei Scheitz und der 143 Lieferanten der Molkerei Söbbeke beteiligten sich an der Aktion. Die Aktionsgemeinschaft setzte sich aus Bauern der Öko-Verbände Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis zusammen. Sie vereint gut 30 % der an Molkereien verkauften Ökomilch in Deutschland.

Was hat der Streik gebracht?
Die Molkerei Söbbeke hat seit dem Streik ihren Auszahlungspreis an die Bauern deutlich erhöht. Außerdem wird an der Erweiterung der Aktionsgemeinschaft zu einer überverbandlichen Dachorganisation aller Bio-Milchliefergemeinschaften gearbeitet, die bäuerliche Interessen weiterhin druckvoll vertreten kann. Durch Verschenkaktionen von Biomilch am Streikwochenende und die hofeigene Weiterverarbeitung konnte mancher Hof neue Kunden gewinnen und neue Absatzkanäle erschließen.

Was folgt für die Zukunft?
Wichtig scheint mir die Beobachtung, dass seit dem Warnstreik viele Bäuerinnen und Bauern wieder selbstbewusster in die Zukunft schauen. Denn es wurde deutlich, dass eine große Solidarität unter den Biobauern herrscht. Da wäre wohl einiges möglich, wenn man mit dieser Ent- und Geschlossenheit mit weiteren Aktionen einen fairen Preis fordern würde und dem Handel wie auch den Verbrauchern verdeutlichen machen: eine sorgsame biologische Milcherzeugung kann beste Qualität liefern und ist ihren Preis wert. Ohne angemessenen Milchpreis ist sie jedoch nicht nachhaltig möglich.
Der Handel mit Bio-Lebensmitteln steht heute an einem entscheidenden Punkt: Wird der Preis zum einzigen Verkaufsargument? Dann können auch Bioprodukte zukünftig nur noch dort erzeugt werden, wo es weltweit am billigsten möglich ist und gerade die Mindeststandards eingehalten werden. Oder können Bioprodukte sich über die Qualität verkaufen, regional und von überzeugten Menschen erzeugt? Die nächsten Jahre werden es zeigen. Darum ist es gerade jetzt wichtig, dass sich die Biobauern geschlossen und aktiv für ihre Interessen einsetzen.