Lebendige Erde 3/2004:

Kurz & Aktuell

Agro-Gentechnik: Großes Problem für Bio-Imker

Imker aller ökologischen Anbauverbände lehnen die Einführung der Gentechnik unter den bisher geplanten Voraussetzungen ab. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Koexistenz zwischen gentechnikfreier Landwirtschaft und Landwirtschaft mit Gentechnik vor. Diese soll die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher garantieren, z.B. durch Abstände zwischen den Feldern und Hecken. Bienen und viele andere Insekten zeigen jedoch, dass es diese Koexistenz nicht geben kann. Ein Bienenvolk befliegt ein Gebiet von ca. 100 Quadratkilometern, Trachtflüge von bis zu zehn Kilometern sind keine Seltenheit. Dabei unterscheiden Bienen nicht zwischen üblichen Pflanzen und gentechnisch veränderten Pflanzen. Auf ihren Sammelflügen lässt sich die Biene weder von Hecken, noch von Abstandsregelungen beeinflussen. Der Bienenflug ist nicht lenkbar. Die Bienen und andere Insekten übertragen aktiv Pollen und tragen aktiv zur Auskreuzung von gentechnisch verändertem Erbgut bei. So wie bisher vorgesehen ist Koexistenz nicht möglich.

Die Einführung der Gentechnik in der Landwirtschaft wird für Imker und Honigbienen gravierende Veränderungen mit sich bringen. Die Blütenflora, bisher Nahrungsquelle vieler Insekten, kann sich durch Auskreuzungen verändern. Gentechnische Veränderungen an Pflanzen, z.B. der Einbau insektizider Wirkungsmechanismen, können die Gesundheit der Insekten schädigen – auch das Genom der Biene: So wurde im Sommer 2000 an der Universität Jena entdeckt, dass ein Bakterium aus einer gentechnisch veränderten Pflanze in die Darmflora der Honigbiene eingebaut wurde.

Werden gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, wird zwangsläufig der Polleneintrag und damit auch der Honig der Bienenvölker, die in der Umgebung solcher Felder leben, mit gentechnisch veränderten Bestandteilen kontaminiert. Bio-Imkerei als gentechnikfreie Imkerei ist dann nicht mehr möglich. Die Kontamination betrifft nicht nur Blütenhonige, wie z.B. Rapshonig, sondern alle Honigsorten. Vielen Bio-Imkern droht so der Verlust ihrer Öko-Zertifizierung und ihres Absatzmarkt im Naturkostbereich. Doch nicht nur der Bio-Imkerei, sondern dem gesamten Markt für deutschen Honig droht der Zusammenbruch, da die Kunden von einheimischen Honigen in der Regel sehr umwelt- und gesundheitsbewusst einkaufen.

Wir Imker fordern daher Regelungen, die sicherstellen, dass Bienenprodukte nicht mit gentechnisch veränderten Organismen kontaminiert werden. Dies erfordert, dass sowohl blühende Nutzpflanzen, als auch die Wildflora wirkungsvoll vor Auskreuzungen geschützt werden müssen. Außerdem braucht es eine gesamtschuldnerische Haftung im Schadensfalle durch die Anwender und Nutznießer der Agro-Gentechnik. Das fängt schon bei den Kosten eventuell notwendiger Honiganalysen an.

Günther Friedmann, Imkermeister