Lebendige Erde 4/2004:

Kurz & Aktuell

Staatliches Forschungsgeld stellt die Weichen für Agrogentechnik

Zukunft entscheidet sich in der Vergabe von Forschungsgeldern. Wer fördert in welcher Höhe Forschung für Landwirtschaft, Ökolandbau oder Agrogentechnik? Aktiv sind vor allem die zuständigen Ministerien BMVEL und BMBF. Das BMBF hat seinen Etat im Jahre 2004 um 50% auf rund 9.1 Mrd. Euro gesteigert. Im Schnitt der letzten Jahre gingen davon rund 12 Mio. € in die Agrarforschung (unter Nachhaltige Landnutzung), ein Vielfaches davon in die Biotechnologieforschung.
Wieviel lässt sich das Verbraucherschutzministerium die Forschung kosten? Der BMVEL-Forschungshaushalt 2003 für die eigenen Ressorts und Anstalten beträgt rund 209 Mio. €, plus etwa 14.Mio.€ Drittfördermittel. Projektförderung des BMVEL erfolgt ausschließlich in Schwerpunktprogrammen (Soll 2003) wie Nachwachsende Rohstoffe (7,5 Mio €), Bundesprogramm Ökologischer Landbau (16 Mio. €) und weiteren (13 Mio. €). Die Forschungsförderung im Bundesprogramm Ökolandbau wird, wie das gesamte Programm, in Zukunft halbiert.
Allein für die biotechnologische Erforschung der Nachwachsenden Rohstoffe wurde im Zeitraum von 2000 - 2003 ein Betrag von 56 Mio. € bereitgestellt. Der Schwerpunkt des BMBF liegt eindeutig in der Stärkung der privaten Biotechnologieunternehmen, das Programm zur Förderung von Startups ist mit 100 Mio. € dotiert. Dabei nimmt das BMBF durch die Praxis seiner Projekt-Ausschreibungen massiv Einfluss auf die Grundlagenforschung.
Auch biologische Sicherheitsforschung wird überwiegend vom BMBF betrieben (insg. 80 Mio. € seit 1997; 8,2 Mio. € 2002), das sich dabei eindeutig auf die konventionelle Landwirtschaft bezieht. Weder Nachhaltigkeit noch die Auswirkungen auf die ökologische Landwirtschaft sind Gegenstand, ebensowenig soziale und ökonomische Auswirkungen der Gentechnik auf die Landwirtschaft Stattdessen gingen in der letzten Ausschreibung zur Sicherheitsforschung über 2 Mio. € in die Kommunikation - steuerfinanzierte Akzeptanzwerbung für die Agrogentechnik. Da das BMVEL keine Einsicht in die Finanzierung seiner Forschungsprojekte zulässt, gibt es weder für die Förderung des Ökolandbaus noch der Gentechnik zuverlässige Zahlen. Trotz der offiziellen Ablehnung der Agrogentechnik seitens des BMVEL sind in den Projektdatenbanken etliche Projekte erkennbar, die sich eindeutig der Gentechnik zurechnen lassen.
Mit Blick auf das Leitbild der Koalitionsvereinbarung, "eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft, in deren Zentrum Mensch, Gesundheit und Natur steht.(KV S. 471" muss man konstatieren, dass weder das BMVEL noch das BMBF bestrebt sind, den Schutz der nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft in die Projekte zu Monitoring und Sicherheitsforschung mit aufzunehmen. Einzig das UBA/BFN arbeitete bislang mit einem kleinen Etat (2002 0,8Mio. €) an den Fragen des Schutzes der Umwelt und der Ökolandwirtschaft vor den möglicherweise unbekannten Folgen von GVO.
Was ist Forschung für eine nachhaltige Landwirtschaft? Nötig wäre eine breiter Diskurs über die Zukunft, Kriterien der Nachhaltigkeit und Finanzierung der gesellschaftlich gewünschten Aufgaben der Landwirtschaft, in deren Zentrum Mensch, Gesundheit und Natur stehen. Eines ist heute schon klar: Eine rein ökonomische Ausrichtung der Forschung und die Förderung einer punktuellen Technologie entspricht diesem Leitbild nicht.

Dr. Steffi Ober ist Referentin für Gentechnik und Naturschutz beim NABU und hat im Auftrag der Zukunftstiftung Landwirtschaft eine Studie zur Forschungsförderung erstellt.