Lebendige Erde 6/2004:

Kurz & Aktuell

Bauernstolz - gibt es das noch?

Bäuerliche Berufsidentität im Spiegel der Gesellschaft

Dr. Andrea Beste

Bauern waren einmal wichtigster wirtschaftlicher Faktor im ländlichen Raum. Sie gaben Aufträge an das Handwerk; für sie wurde gebaut, geschmiedet, gewagnert - ihre Produkte waren die Rohstoffe für Metzger, Bäcker, Käser. Heute reichen die Bilder vom Bauern in der Gesellschaft vom traditionsverhafteten Ureinwohner über den modernen, strategisch kalkulierenden Großunternehmer bis hin zum von Subventionszahlungen abhängigen, dauerklagenden Rohstoff-Produzenten. So unterschiedlich sie sind, eins haben sie gemeinsam: Sie zeigen einen getriebenen Berufsstand - keinen stolzen. Bauern sind heute in der Defensive und ihr gesellschaftliches Ansehen ist extrem niedrig.

Wissenschaftler, Politiker, Lebensmittelproduzenten, sie wissen, was sie von den Bauern wollen: Höchsterträge, Rationalisierung, globale Wettbewerbsfähigkeit. Und die Gemeinden wollen Bauland für Siedlungen und Gewerbegebiete oder offenes Land für die Naherholung, die Naturschützer wollen die kulturlandschaftstypische Streuobstwiese. Dies läuft auf eine Funktionalisierung der landwirtschaftlichen Arbeit hinaus, die den Charakter dieser Arbeit total verkennt. Landwirtschaft funktioniert nicht als fordistisches Modell: billige Masse am Fliesband - und sie funktioniert auch nicht als quasi staatlich angestellte Landschaftspflege.

Zum Hochertrag erzogen, den politischen Rahmenbedingungen sowie dem globalisierten Markt scheinbar ausgeliefert und von einem wachsenden Anspruch an Umweltverträglichkeit und Lebensmittelqualität - bisher ohne monetäre Anerkennung - in die Enge getrieben, sind Bauern heute betroffen von einer Entwicklung, die ihr eigener Berufsstand überwiegend nicht selbst zu verantworten hat. Umso erstaunlicher, wie sehr an diesem Zustand festgehalten wird, gerade seitens vieler Bauernvertreter - zumindest in Deutschland.

Die Vorstellung, den Beruf des Bauern oder Landwirts wieder mit eigenverantwortlichem Arbeiten in und mit der Natur zu verbinden, mit Bodenständigkeit, Stolz und mit Qualitätsprodukten, die fair entlohnt werden, diese Vorstellung hat als Leitbild bisher - außer im Ökolandbau - keine Lobby, obwohl sie das Wunschbild vieler Landwirte ist. Und sogar im Ökolandbau ist der Preisdruck inzwischen angekommen und untergräbt dieses Leitbild.

Die Frage bleibt...
...warum die ökologisch, sozial und langfristig auch ökonomisch negativen Auswirkungen der Massenproduktion mit hohen gesellschaftlichen Folgekosten nicht auch der Lebensmittelwirtschaft vorgehalten werden?
...warum ein Berufsstand, zu dessen Fähigkeiten es gehört, naturwissenschaftliches, betriebswirtschaftliches und technisches Expertenwissen vernetzt, bedarfsgerecht und praktisch anzuwenden, selbst häufig keinen Stolz (mehr) ausstrahlt?
...warum einem solch vielfältigen und anspruchsvollen Berufsstand aufgrund der ihm innewohnenden Kompetenzen kein höheres Ansehen - und Einkommen zuerkannt wird?
...warum dem Verbraucher, der alles "öko" und gleichzeitig "billig" haben möchte, nicht klar gemacht wird, dass das so nicht geht?