Lebendige Erde 3/2005:

Kurz & Aktuell

 

Ton Baars auf erstem biologisch-dynamischen Lehrstuhl

Ton Baars
Ton Baars
Herr Prof. Baars, was bedeutet ein biologisch-dynamischer Lehrstuhl für die biol.-dyn. Bewegung?
Eine Art von Anerkennung, dass biologisch-dynamischer Landbau etwas spezielles ist innerhalb des ökologischen Landbaus. Ich hoffe, man erkennt, dass es auch um einen paradigmatischen Wandel gehen soll, so, wie es vor 10 Jahren mit dem Anfang des Ökolandbaus an der Uni war. Für mich persönlich ist die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise die ganzheitlichste Form von Landbau, bis ins Geistige hinein reichend. Der Lehrstuhl wurde auch aufgrund der Nachfrage der Studenten in Witzenhausen eingerichtet. 60% der Studenten machen Praxis oder Lehre auf einem biologisch-dynamischen Hof. Insgesamt erwarte ich eine starke Unterstützung der Weiterentwicklung der biologisch-dynamischen Bewegung durch diesen neuen Lehrstuhl.

Sechs Jahre sind einerseits lang, andererseits kurz: Was sehen sie als Ihre wichtigsten Aufgaben?
In der Forschung werde ich hauptsächlich im Bereich der Tiere arbeiten. Aus meiner Vergangenheit bin ich stark interessiert an einem biologisch-dynamischen Tiergesundheitskonzept, der Aufzucht von Jungtieren und der Qualität tierischer Produkte, daneben auch an Fragen der Tierzucht und der Selbstmedikation von Tieren. Hier suchen wir noch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Ein weiterer (halber) wissenschaftlicher Mitarbeiter wird sich mit Pflanzenbau, Präparatefragen und Produktqualität beschäftigen.
Auf dem Versuchsgut Frankenhausen will ich einen Versuch einrichten, bei dem weibliche Aufzuchtkälber 3-4 Monate bei Mutter- bzw. Ammenkühen bleiben. Die Konstitution der Tiere soll sich über Generationen verbessern, ebenso die Einheit der Herde.
Wichtig ist für mich, ein gutes Verhältnis zur biologisch-dynamischen Praxis aufzubauen. In den Niederlanden habe ich intensiv die Erfahrungswissenschaft als eine Erweiterung der Naturwissenschaft entwickelt. Die biologisch-dynamische Praxis ist voll von Pionierarbeiten, die ich wissenschaftlich in die "offiziellen" Erkenntnisweisen integrieren will. Das ganzheitliche Denken der Erfahrungswissenschaftler, wie es Bauern sind, ist völlig anders als das reduktionistische und positivistische Denken der Naturwissenschaft. In der Lehre sind aus methodischer Sicht deshalb zwei Sachen wichtig: Erstens, die goetheanistische Erkenntnis der Natur, die fast die einzige ganzheitliche Erkenntnismethodik ist, und zweitens die Erfahrungswissenschaft.

Der Lehrstuhl ist von Stiftern finanziert. Wieviel können Sie mit dem Budget machen und wie ist ihre Arbeit in die Uni eingebettet?
Durch die Stifter sind die Stellen komplett finanziert, das heißt, meine Professur, 1½ wissenschaftliche Mitarbeiter, ½ Technikerstelle und Sekretariatsunterstützung. Wegen der knappen finanziellen Situation der Uni, gibt es leider wenig Co-finanzierung meines Bereichs. Projektarbeiten müssen daher über Drittmittel finanziert werden. Die Arbeit soll sich auch deutlich interdisziplinär entwickeln, in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kollegen im Fachbereich 11, aber auch außerhalb der Uni.

Wie wird die Zusammenarbeit mit den biologisch-dynamischen Institutionen aussehen?
Die Abteilung Tiergesundheit am FIBL-Schweiz wird ein wichtiger Partner sein, wie auch die landwirtschaftliche Sektion am Goetheanum und das Louis Bolk Institut. Ich kenne auch verschiedene Forscher am Institut für Biologisch-Dynamische Forschung in Darmstadt bzw. am Dottenfelderhof. Und, wie gesagt, mir ist die Zusammenarbeit mit der Praxis wichtig, sowohl mit Landwirten, als auch mit unabhängigen biologisch-dynamischen Forschern im deutschsprachigen Raum.

Was wäre ein Erfolg für Sie, wenn wir auf 2010 blicken?
Eine Erkenntnis der spirituellen und ganzheitlichen Ansätze der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Weiter möchte ich einen Kreis von mindestens 5 Mitarbeitern aufbauen, die in der Forschung und Lehre tätig sind. Ich hoffe, es gelingt auch, dass die Praktiker sich wirklich anerkannt fühlen.