Lebendige Erde 5/2001:

Portrait

Gentechnik hat Lösungen, aber das sind nicht die einzigen

Gespräch zu Gentechnik und Ökolandbau mit
Prof. Michael Haring
Universität Amsterdam
Institut für Life Sciences /
Abteilung Pflanzenphysiologie

Prof Haring, oft werden in der Gentechnik so scheint es, Detailprobleme beforscht. Wer gibt die Fragen vor?
Gentechnik und Landwirtschaft haben andere Fragen. Das zeigt sich z. B. bei einer Studie für die Schweiz: Gentechniker arbeiten nicht an dem, was in der Landwirtschaft brennt, die Fragen kommen aus dem eigenen Interesse der Forscher. Es sind hauptsächlich die Wissenschaftler, die die Fragen stellen. Erst in den letzen Jahren ist das Interesse der großen Saatgutfirmen erwacht, die Firmen haben altbekannte Fragen, Bekämpfung von Unkraut und Insekten.

Bisher ist nur die erste Generation gentechnisch veränderter Pflanzen am Markt. Wieweit sind die Genforscher heute in den Labors? Was ist in den nächsten Jahren zu erwarten?
Die für die Selektion im Labor notwendige, aber für Nutzpflanzen problematische Antibiotikaresistenz wird in der nächsten Generation genveränderter Pflanzen ab 2002 ganz verschwinden. Hinsichtlich Ertragssteigerungen oder einer 100%igen Resistenz ist aber wenig zu erwarten. Auch bei Phytophthora im Ökolandbau ja ein Problem sind keine raschen Erfolge zu erwarten, hier sind genetisch zu viele Sachen zu kombinieren. Bei der Abwehr von Insekten kann man mit neuen Bt-Sorten mit anderen Proteinen (bakteriell oder aus Pflanzen) rechnen. Was auch kommt, sind Pflanzen als nachwachsende Rohstoffe, für die Pharmazie und als Impfstoffträger. In 2-3 Jahren isst man dann Salat gegen Diarrhoe,und die Impfbanane für die dritte Welt steht zur Verfügung. Damit wird eine neue Werbung für die Gentechnik möglich.

Sind von der Gentechnik Lösungen zum Welthungerproblem zu erwarten?
Mit gentechnisch eingebauten Bacillus thuringiensis-Toxinen gibt es die Möglichkeit, Pflanzen dort anzubauen, wo sie sonst nicht wachsen. Das kann man aber auch auf andere Weise erreichen: Gentechnik hat Lösungen, aber das sind nicht die einzigen, die es gibt.

Manche Wissenschaftler empfehlen den Ökobauern, ihren Anbau mit smarter Gentechnik zu optimieren. Passt das für Sie zusammen?
Mit Gentechnik ist es leichter, aus integrierter Landwirtschaft etwas ökologisches zu machen, wenn man von industrieller Landwirtschaft aus denkt. Nicht spritzen, dies und das weglassen, dann denkt man, das sei Ökolandbau. Ökologische Landwirtschaft ist aber ein ganz anderes Konzept, geht von Kreisläufen und ganzheitlichen Wechselwirkungen aus. Da kann man nicht mit einem Gen eingreifen. Die ganze Umgebung der Pflanze wird hier mit einbezogen. Dagegen ist ein einzelnes Gen einfach nichts damit kann man nicht viel lösen.
Zum Beispiel benutzt Phytophtora im Krankheitsprozess viele verschiedene Gene und kann die auch ständig anpassen, weil verschiedene Varianten der Krankheitserreger sich miteinander kreuzen. Da ist die Wahrscheinlichkeit viel zu hoch, dass eine auf wenigen Genen basierende Resistenz rasch wieder durchbrochen wird. Man muss sich fragen, wieweit durch klassische Züchtung eine bestimmte Toleranz zu erreichen ist, wenn man jetzt anfinge. Wozu brauchen wir dann Gentechnik? Vielleicht muss man irgendwann auch zugeben, dass die Kartoffel am falschen Ort angebaut wird, muss man großflächigen Anbau aufgeben und sie mit anderen Pflanzenarten in Mischkultur anbauen. Großflächigen Kartoffelanbau zur Stärkeproduktion, wozu braucht man das? Man muss dahin zurückgehen, woher das Problem kommt.

Wie kann sich der Ökolandbau vor Beeinträchtigungen durch Gentechnik schützen?
Mit eigener Züchtung und der Zusammenarbeit mit interessierten Saatgutfirmen. Aber gegen den Polleneintrag bei großflächigem Anbau genveränderter Sorten gibt es keinen Schutz. Vorbeugend müssten es schon 5 km zwischen ökologisch und gentechnisch angebauten Pflanzen sein, dann ist bei gleicher Art auf dem Ökoacker weniger als jeder tausendste Samen transgen. Man muss wohl einen realistischen Grenzwert festlegen, zu viel Angst hilft hier nicht weiter.

Kann der Ökolandbau von der Gentechnik lernen?
Bis jetzt wenig, eher kann die Gentechnik noch viel vom Öko-Landbau lernen.

Vom biologisch-dynamischen Louis Bolk Institut in den Niederlanden ausgehend, arbeitet der Ökolandbau inzwischen international an Kriterien für eine Ökologische Züchtung. Sie haben an der ersten Studie mitgewirkt: Wie beurteilen sie die umstrittene markergestützte Selektion im Hinblick auf den Ökolandbau?
Markergestütze Selektion halten viele für ein Züchtungsinstrument, das noch zum Ökolandbau passt. Doch man schaut hier zuerst auf die DNA- Ebene, man reduziert das Leben, sagt damit: die Gene sind das, worauf es uns ankommt. Ich denke nicht, dass das zum Ökolandbau passt. Man schaut nicht von außen, vergisst die Dimension der Organisation der Pflanze. Die Wirkung in der Öffentlichkeit wird problematisch sein: Das DNA -Denken, das man vorher kritisiert hat, kann man jetzt nicht als notwendig zur Diagnose verkaufen. Das darf man als Signal nicht unterschätzen.

Interview Michael Olbrich-Majer