Lebendige Erde 5/2002:

Portrait

... das liegt uns am Herzen

Walter Schmidt bewirtschaftet mit Familie einen Demeter-Grünlandbetrieb

Michael Obrich-Majer

Ein besonder Tag: 300 Kollegen wollen wissen, wie es biologisch und dynamisch zugeht

Herrliches Wetter, wie für einen großen Tag gemacht. Und dennoch ist Walter Schmidt heute ein kleines bisschen unruhig, ganz anders als es sonst seine Art ist. Dreihundert Bauern spazieren über seine biologisch-dynamischen Wiesen und mustern sie kritisch. Heute vormittag findet auf seinem Betrieb der jährliche Grünlandtag in Baden-Württemberg statt. Eben hat er die interessierten Kollegen begrüßt, auf dem mit Birken und Fahnen geschmückten Ackerwagen, nach dem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums, jetzt wandern sie in Gruppen zu fünf weißen Pavillons: fünf Stationen, wo Schmidt zusammen mit der Versuchsanstalt Aulendorf Demonstrationen zu Nachsaatverfahren, Silierhilfsmitteln und Ackerfuttermischungen angelegt hat. Und zur Düngung mit den biologisch-dynamischen Präparaten. An dieser Station fängt ihn das Regionalfernsehen ab, er wird den Journalisten, den Ampferstecher in der Hand, etwas zu den Vorzügen seiner Wirtschaftsweise erklären. Während dessen erläutert Sohn Matthias zusammen mit dem Demeter-Berater Reiner Schmidt der ersten Gruppe den qualitativen Unterschied zwischen den Düngevarianten. Der Versuch war Matthias praktische Arbeit für die Meisterprüfung. Die Bauern, konventionelle wie ökologische, gehen rundherum, mal skeptisch, mal angetan. Fazit nach einem Vormittag: Bio und Demeter können sich sehen lassen.

Absolutes Grünland: Grundfutter ausnutzen mit guter Herde
Walter Schmidt bewirtschaftet in einer GbR zusammen mit seiner Frau Sigrid und Sohn Matthias sowie dem Gehilfen Tobias Gutheiß 85 ha Grünland und 40 ha Acker in der Nähe von Schwäbisch Hall. Auch der Vater, Karl Schmidt (72) arbeitet noch kräftig mit, Tochter Stefanie ist Schreinerin und Sonja besucht noch die Waldorfschule. Der Erlenhof, den Walter vor elf Jahren von seinen Eltern übernommen hat, liegt am Ende des kleinen Dorfes Hausen in einem flachen Tal. Die zumeist schweren Böden aus Gipskeuper oder Kalkverwitterung eignen sich nur zum Dauergrünland, außer auf den Kuppen Richtung Obersontheim, wo Lößlehm aufliegt. Zum Betrieb gehören auch 30 ha Wald.
Die 85 schwarz- und rotbunten Kühe fallen auf durch ihre schönen Hörner und ihre Ruhe. Da färbt sicher etwas vom Betriebsleiter ab, doch trägt auch der Auslauf direkt vom Laufstall auf die große Hofweide dazu bei und, dass es bewusst ein paar mehr Fressplätze als Kühe gibt. Der große Rahmen, wie der Körperbau bei den Kühen genannt wird, kommt von ca. 50% Holstein Frisian Anteil im Blut, und ist die Basis für eine hohe Milchleistung aus dem Grundfutter, 4500 kg. Auf gute Nachzucht wird Wert gelegt: die Kälber bleiben da, seit 1980 wurden keine Tiere mehr zugekauft. Schmidts arbeiten mit künstlicher Besamung, der Bulle kam wegen der Kinder vom Hof. Gefüttert werden ca. 4 kg Heu, 40 kg Silage, hofeigenes Kraftfutter aus Bohnen/Erbsen, Mais, Triticale, Hafer. Weder Fütterung in Leistungsgruppen noch nach body condition spielen eine Rolle, und schon gar keine Totalmischration: "damit werden die Kühe zur Sau gemacht", meint Schmidt.
Um aus Gras viel Milch zu machen, ist ein ausgetüfteltes Grünlandmanagement erforderlich. Den ersten Schnitt zum Ährenschieben im Mai silieren die Schmidts, Tribut ans Wetter, sonst würde das Gras überständig. Diese strukturreiche, weil relativ spät geschnittene Silage (30-40%,TM) bringt die Leistung im Winter. Der zweite Schnitt wird per Flächentrocknung lose als Heu eingefahren. Der dritte und vierte Aufwuchs wird wieder Silage oder abgeweidet, je nach Fläche. Daneben gibt es im Sommer täglich Ackerfutter im Stall und den 10 ha großen Auslauf, der nicht portioniert wird.
Ein Problem ist das Feuchteregime der Böden: zu lange Trockenheit kann, wie im letzten Jahr, die Gründland- Narbe ausbrennen; das Futter im Winter war knapp, im Frühjahr waren die Wiesen dann unter Wasser. Regelmäßig muss daher nachgesät werden, zeitig im Frühjahr vorm Striegeln. Regelmäßig müssen auch Wiesenrispe und Ampfer in Schach gehalten werden: Rispe wird im August ausgerecht, der Ampfer mit der Hand ausgestochen. So gibt es auf Dauer mehr Weißklee und Weidelgras.
Gedüngt wird mit präparierter Gülle und Kompost. Honoriert im Rahmen der agrarpolitischen Zahlungen und Programme wird das Landschaftsbild gestaltende Grünland allerdings wenig: zwar wird seit 2001 Kleegras in als Stillegung gefördert, aber Mais bringt deutlich mehr Prämie - schlechte Bedingungen für Grünlandbauern.

 

 

Mit den Kindern begann das Umdenken:
1980 absolvierte Walter Schmidt die Meisterprüfung, ganz konventionell, zwei Jahre davor hatte er geheiratet. Mit den Kindern begann das Umdenken, er wollte Landwirtschaft ohne Chemie. Über die Bauernschule Weckelweiler und Besuche auf Demeter Höfen - Bioland gab es hier noch nicht - informierte er sich: die Höfe überzeugten ihn, er stellte um. Obwohl bezüglich der Präparate eher skeptisch, spürte er deren Wirkung sofort, und dann wollte er´s wissen. Infolge der Präparateanwendung waren die Lößlehmäcker leichter zu bearbeiten, hatten eine stabilere Krümelung und verschlämmten nicht so stark - das erleichtert dem Boden das Atmen. Kommen heute durch Flurbereinigung Nachbarsflächen dazu, muss er beim Pflügen zwei Gang zurückschalten. Auf neuen Grünlandflächen ist Ampfer ein Problem, da sie meist von auslaufenden Betrieben kommen, die sich nicht mehr viel Arbeit machen. Schmidt berichtet, wie er es drei Jahre mit der Veraschung von Ampfer probiert hat, erfolglos. Bleibt nur der Ampferstecher, trotz aufwendiger Handarbeit sind die Flächen des Betriebes sauber.
Die Spritzpräparate Hornmist und Hornkiesel kommen zweimal vor dem ersten Schnitt zum Einsatz, dann zum zweiten oder dritten noch einmal, im Herbst auf jeden Fall Hornmist. Das Birkengrubenpräprat kommt im Stall auf die Spalten und beim Rühren der Gülle hinein. Auf dem Acker geben die Schmidts Hormist vor der Saat und zum Vegetationsbeginn im Frühjahr beide Präparate, später nochmal Hornkiesel, je nach Witterung. Walter Schmidt ist beim Handrühren geblieben. Bilder einer Kristallisationsanalyse, wo maschinelles Rühren nicht so gut abschnitt, haben ihn darin bestärkt "Das Ausbringen der Präparate hat schon was: Es ist ein gutes Gefühl, ob mit dem Sonnenaufgang oder zur Abendstunde. Und: man kann dazu stehen, ganz anders als bei Chemie."

 

Begeistert von schönen Ähren: Schmidt mit der Dinkel-Versuchsorte Sirion

Acker: gute Erträge und neue Sorten
Auf dem Acker fährt der Betrieb eine getreidestarke Fruchtfolge, handhabt sie aber flexibel, z.B. mal Sommerklee dazwischen. Probleme mit Fusskrankheiten gibt es keine. Auf das 3 bis 4-jährige Kleegras folgt Winterweizen, bzw. auf leichten Böden Winterroggen, dann Dinkel, Triticale und Sommerung. Das ist bei Schmidts Hafer/ Erbsen, zur Kleegrasansaat als Deckfrucht mit Gerste und Wicken, die im Frühjahr gemäht wird. Möglichst früh wird hier der Klee eingesät, auf schweren Böden auch Luzerne. Die Gülledüngung erfolgt mit Fass und Prallteller und wird dann eingestriegelt, der Weizenertrag reicht von 35 - 70 Doppelzentner. Begeistert von der schönen hellen Ähre zeigt Walter Schmidt mir eine neue Dinkelsorte - Sirion - des biodynamischen Züchters Peter Kunz, die er in Zusammenarbeit mit Sativa zur Vorbereitung der Sortenzulassung in Deutschland anbaut. Auch vom Backergebnis im ersten Test war er angetan. Daneben erprobt er noch einen Dinkel des Züchters Franck.

Den Hof öffnen für mehr Menschen: eine Perspektive?
Obwohl der Hofladen, um den sich Sigrid Schmidt kümmerte, vor drei Jahren aus arbeitswirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde, läuft der Hof finanziell rund. Die Demeter-Milch geht nach Schrozberg, Fleisch wird gleich nach der Schlachtung bei einem externen Metzger in Mischpaketen zu einem Achtel Rind verkauft. Das Speisegetreide geht zum Demeter-Bäcker in Schwäbisch Hall, der Dinkel an die Erdmannhauser Brezelbäcker. Bullenkälber verkaufen sich nur konventionell.
Mit fremden Leuten ging der Laden nicht, doch da er immerhin 15-20% zum Einkommen beitrug, ist der Ausbau der Ab-Hof-Vermarktung wieder eine Überlegung wert. Jetzt, wo mit Sohn Matthias, frischgebackener Landwirtschaftsmeister und dem künftigen Schwiegerson Tobias Gutheiß, der ebenfalls den Meister macht, tatkräftige Hilfe auf dem Hof ist, lässt sich über einiges nachdenken. Walter Schmidt hat sich immer mehr Leute auf dem Hof gewünscht. Allein schon, weil das mehr Sicherheit bedeutet - gerade bei Arbeitsspitzen, vor allem aber im Krankheitsfall. Jahrzehntelang allein, nur mit dem Vater als Hilfe - da darf man nicht lange ausfallen, sonst ist das der Ruin. Ein Betriebshelfer kann den Unternehmer nicht ersetzen. Gemeinschaftliches Wirtschaften interessiert Schmidt schon seit der Umstellung. Die Demeter-Regionalgruppe arbeitete eine Zeitlang mit dem Autor und Ökonomen Udo Hermannstorfer zu sozialen Themen, mit der Absicht, mehr Zusammenarbeit zwischen den Betrieben in Hohenlohe auf die Beine zu stellen. Aber das Vertrauen ineinander und in neue Kooperationen war dann doch zu gering, um etwas neues zu wagen. Schade, findet Schmidt und denkt daran, den eigenen Hof noch besser nutzen: vielleicht die Milch selbst verarbeiten oder eine Ferienwohnung ausbauen und so weitere Arbeitsplätze schaffen.

 

Matthias Schmidt (m) präsentiert  mit Demeter-Berater Reiner Schmidt (l) seine Versuchsergebnisse

Still, aber engagiert
Walter Schmidt ist keiner, der gleich im Mittelpunkt steht. Das täuscht darüber hinweg, dass er sich rührig in verschiedensten Bereichen engagiert. Die Betätigung als Ortsvorsteher ist nur eines seiner Ehrenämter, daneben ist er unter anderem im Vorstand der Biologisch-dynamischen Arbeitsgemeinschaft in Baden Würrtemberg und im Vorstand des Demeter- Bundes. Hier, findet er, hat die Erzeugung noch zuwenig Platz im Bewusstsein. Den Bauern in Baden Württemberg macht vor allem die Zunahme der Regelungen, wie die EU- Verordnung zur Öko-Tierhaltung und die von Demeter geplante IFOAM Akkreditierung Sorgen. Bei vielen Kollegen macht sich zudem Resignation breit, weil es gleichzeitig wirtschaftlich immer enger wird und die Perspektive abhanden kommt. Doch "aus passiven muss man aktive Landwirte machen", meint Schmidt und setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen zu verbessern und das Gemeinschaftsgefühl zu fördern.

Steckenpferd: die Pflege von Hecken und Wald
Obwohl auf den Flächen des Betriebes Biotope von der Feldhecke über Trockenrasen und Feuchtwiesen zu finden und damit 20 Stellen in der Nutzung beschränkt sind, macht Walter Schmidt keinen Hehl daraus, dass ihnen diese sowieso am Herzen liegen, besonders die Hecken. Im Rahmen der Flurbereinigung und Gewässerrenaturierung haben sich die Schmidts viel auf Gemeindeflächen engagiert bei der Pflanzung und Pflege. "Uns macht das Spaß", meint Schmidt dazu. Denn in vielen Bereichen droht das Grünland bereits zu verbuschen, weil es keiner mehr nutzt und pflegt. Schmidt ist in Untersontheim Ortsvorsteher und so mit der Flurbereinigung intensiv befasst. Die begreift er aber als Chance zu Gestaltung: das geht nur mit Landwirten, die daran Interesse haben, aber im Ort ziehen alle mit. Schmidt erlebt aber verordneten Naturschutz auch als kontraproduktiv: Der Naturschutz beginge oft den Fehler, den Menschen raushalten zu wollen. So verschwänden, kurz bevor entsprechende Verordnungen griffen, Hecken oder Feldgehölze, rasch beseitigt von den betroffenen Bauern. Er berichtet von einer Jungviehweide, die er pachten wollte, behördlicherseits durfte erst im August gemäht werden, keiner wollte sie haben und die Auflage fiel.
Hecken und Gehölze sind, scheint es, Übungsfeld für die Arbeit im Wald. Der ist naturnah, an Laubbäumen reich, mit Naturverjüngung angelegt. Nachdem 20 von 30 ha durch die Stürme zu Beginn der 90er Jahre verwüstet waren, musste intensiv aufgepflanzt werden. Ab und zu ein Weihnachtsbaum dazwischen, damit waren die vielen Jungpflanzen einfacher zu finanzieren. Auch das Auslichten ist viel Arbeit. Reisig und Rinde bleiben im Wald. Nutzen haben die Schmidts nur vom Pflegehieb, ansonsten ist die Arbeit im Wald eher eine Investition in künftige Generationen. Man könnte es auch als traditionelles Hobby bezeichnen. Die Leute im Betrieb haben ihre Freude daran: bis 1990 hat Walter Schmidt sogar selbst Pflanzgut gezogen. Tobias rückt das Schwachholz mit den Pferden. Auch zusammen mit Klassen der Schwäbisch Haller Waldorfschule, die die Kinder der Schmidts besuchten, wurde schon im Wald gearbeitet. Von den biologisch-dynamischen Präparaten kommt Hornmist beim Pflanzen zum Einsatz.


 

Durch den Wald hat er angefangen mit der Jagd. Der Jäger zuvor hat´s "nicht gebracht", sprich zu viele Jungbäume wurden vom zu zahlreichen Wild verbissen. Bei der Jagd schätzt Walter Schmidt die Ruhe, obwohl er nicht den Eindruck macht, dass er sie nötig hätte. Zwei Stunden anzusitzen, in aller Frühe, keine Vögel, keine Geräusche, das genießt er. Doch ihm, dem stillen Tatmenschen, fällt es, so sagt er, manchmal schwer, dann auch innerlich zur Ruhe zu kommen. Ob ihm die Aussichten der Landwirtschaft durch den Kopf gehen?

Walter, Matthias und Sigrid Schmidt GbR
Erlenhof
Gleisstraße 35
74423 Obersontheim-Hausen