Lebendige Erde 2/2003:

Portrait

Der Ziegenhof im Steigerwald

Sabine und Theo Mandel haben einen Zukunftsmarkt entdeckt

von Michael Olbrich-Majer
Schon am Eingang grüßt eine Ziege

www.ziegenhof.de - eine gut gemachte Homepage lädt zum Verweilen ein: Schöne braune Ziegen präsentieren sich, ein Bauernehepaar vor einem romantischen Häuschen, Käse so lecker, dass man gleich reinbeißen, zumindest aber bestellen will. Natürlich erfährt man auch, wie der Käse gemacht wird - schaut dem Käser bei der Arbeit mit Käseharfe und Käsekessel zu, erhält Rezepte und kann am Chat rund um die Ziege teilnehmen.
Was sich so kulinarisch, ländlich und modern zugleich zeigt, dass neulich sogar das Bayernfernsehen Bilder sandte, ist Leben und Arbeit von Sabine und Theo Mandel. Und nicht nur idyllisch: es steckt viel Arbeit und Willenskraft drin. Mit dem Haus fing es an: Die gelernte Friseuse und der Drucker kauften 1985 auf Kredit eine kleine ehemalige Schäferei in einem leerstehenden Einfirsthof im Steigerwald. Kein Wasser, kein Strom, baufällig - und die Zeit in dem kleinen Weiler wie stehen geblieben. Wie geschaffen für Einsteiger ins Landleben mit Liebe zum biologischen Gärtnern, auf der Suche nach sinnvollem Tun. Das junge Paar mit wenig Geld, aber zwei Kindern machte möglichst alles selbst: instandsetzen, selbst versorgen - daneben Erwerbsarbeit. Heute ist der Hof in Herpersdorf wohnlich mit liebevollen Details wie Naturstein und Fachwerk, Wintergarten, Pflaster und eigenem Brunnen. Statt des Gartens aber gibt es im Hinterhaus einen Stall mit 24er Melkstand: aus zwei Ziegen, die sie mitbrachten sind 70 geworden. Die Mandels leben von der Ziegenwirtschaft und haben 18 Hektar Land gepachtet. Und aus zwei Kindern wurden drei und drei Enkel.

Sind Ziegenhalter richtige Bauern?
Beide brachten etwas landwirtschaftliche Erfahrung mit: Sabine (41) vom Onkel, der am Main Wein und Kühe hatte, Theo (42) kommt von einem Hof aus der Gegend. Den bewirtschaftet heute sein Bruder - richtige Landwirtschaft, mit Schweinen, Ackern und großen Maschinen, konventionell, im Gegensatz zu Mandels, die auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise setzen. Einen anständigen Schlepper haben die Mandels zwar auch, doch als Ziegenbauern wurden sie wohl zuerst bemitleidet. Früher nannte man Ziegenhalter hier "Graswegbauern", die Ziegen grasten die Reste und Raine ab. So ähnlich fing das Paar an und pachtete Flächen, die keiner mehr wollte. Und konnte nur die trächtigen Ziegen auf eine zwei Kilometer entfernte Weide stellen. Jetzt, nach 17 Jahren erst, konnten sie endlich die Weide direkt am Hof pachten; für die Tiere freut sich Theo, aber für das Miteinander im Dorf spricht es nicht gerade. Zugezogen, alternativ, Quereinsteiger, ökologisch und dann noch Ziege, die Kuh der armen Leute: vielleicht war es zuviel des Anders-Seins, was das Paar hierher brachte. Obwohl beide im Ort eingewachsen, kontaktfreudig und engagierte Nachbarn sind, die Kinder hier groß wurden, man fühlt sich doch gelegentlich als Außenseiter, stellt Sabine Mandel fest. Und wenn es nur ein stiller Neid ist, weil sich Medien für den Ziegenkäse interessieren oder der Ökolandbau inzwischen von der Politik hochgelobt wird. Ziegenbauern sind eben keine richtigen Bauern - das ist auch woanders ein Problem.
Seit fünf Jahren ist die Herde gebeutelt vom CAE- Virus: nicht gefährlich, aber die Gelenke betroffener Tiere schwellen an, die Milchleistung sinkt bis auf die Hälfte, die Ziegen leiden, rutschen zur Schonung auf den "Knien". Medizin gibt es keine, die Herde muss saniert werden. Denn die Krankheit verbreitet sich durch Muttermilch, Speichel und Sperma. Ein Zwiespalt für Theo Mandel: die Zicklein sollen natürlich mit Muttermilch groß werden - das stärkt sie und entspricht den Demeter-Richtlinien. Zur Sanierung müssten sie aber sofort nach der Geburt von der Mutter weg, kranke Tiere müssten nach und nach ausgemerzt werden. Arbeitsaufwendig und nicht die nette Art, zudem wird der Betrieb finanziell extrem belastet durch den Ausfall im Rahmen der Maßnahme. Dennoch führt kein Weg dran vorbei: Mandels suchen daher nach Hilfe, doch Unterstützung durch die Tierseuchenkasse, wie für andere Bauern bzw. Tierarten gibt es nicht: Ziegen gehören offenbar nicht richtig dazu. Diese Ansicht vertritt auch der Deutsche Ziegenbund, in dem vor allem Hobbyhalter organisiert sind, die Beiträge für eine Kasse scheuen. Als landwirtschaftlicher Erwerbszweig ist Ziegenhaltung in Deutschland erst seit fünfzehn Jahren am Kommen - noch zu neu?
.

Mit Ihren Tieren per Du: Theo und Sabine Mandel

Ziegen sind anders
Das Know How haben sich die Mandels denn auch selbst beigebracht. Viel Praxis, Fachbücher, und mit Liebe zu den Tieren. In der biologisch-dynamischen Regionalgruppe Mittelfranken gibt noch zwei größere Ziegenhalter, das fördert den fachlichen Austausch. Denn bei Ziegen ist doch einiges besonders: Auch wenn sie Herdentiere sind, so haben sie stärker individuelle Züge als die anderen Wiederkäuer und sind sehr aufgeweckt. Sie öffnen Tore und gehen über Zäune, wenn die nicht für Ziegen gesichert sind. Die Zäune sind also 1,10 m hoch, mit Strom natürlich. Ziegenhalter müssen andere Eigenschaften mitbringen als Kuhbauern, sind eigenwilliger, aber auch neugieriger, meint Theo Mandel. Ziegen geben 1-3 Liter Milch am Tag, haben nur zwei Zitzen statt wie Kühe vier. Die Melkmaschine hat zwei Becher, die sind kleiner und arbeiten mit weniger Vakuum, dafür in schnellerem Takt. Theo und Sabine melken meist zusammen, um halb sieben morgens und um halb sechs am späten Nachmittag. Zur Zeit aber stehen im Melkstand große Topfpflanzen, demnächst erst "kalben" die Ziegen, dann aber alle mehr oder weniger gleichzeitig.
Nicht umsonst bekamen Ziegen früher nur Reste: sie fressen und verwerten alles, lieben Vielfalt. Sie vertilgen Tannenreisig und den Weihnachtsbaum genauso gern wie Rinde: "Stangen brauche ich nicht schälen, das machen die Ziegen," berichtet Theo Mandel. Und bei Durchfall gibt´s Weidenzweige. Die Ziegenbauern versuchen, möglichst viel Milch aus dem Grundfutter zu melken, mit Gras in allen Formen: Weide, Heu, Ballensilage. An Kraftfutter bekommen die melkenden Ziegen 200 g Gerste und 4-500 g eigene Grascobs am Tag. Bisher stehen auf den 3 Hektar Weide die trächtigen, aber mit der hofnahen Fläche können jetzt alle täglich raus. Um den Platz im Stall für die Ziegen zu nutzen, lagert Mandel das Heu in Rundballen draußen: auf Paletten, damit rundherum Luft dran kommt. So verdirbt nur die oberste Schicht von 5 cm, die das Wasser ableitet, der Rest ist einwandfrei. Silage wird vom zweiten oder dritten Schnitt gemacht, in Ballen bleibt sie sauberer als im Fahrsilo. Für die Cobs fährt Mandel eigenes Gras zur Genossenschaft. An Zufutter zu denken ist hier wichtig, denn auf den schweren Keuperböden herrscht in der mit 560 mm im Jahr an Niederschlag armen Gegend häufig Sommertrockenheit - das Futter wird knapp. Mandels überlegen auch, mit den Ziegen Landschaftspflege zu machen: Es gibt immer weniger Schäfer in der Gegend, die früher viele Schafe kannte, Flächen verbuschen. Da bieten sich die Ziegen an.
Bunte deutsche Edelziege mit fränkischem Schlag, das ist die Ausgangsrasse der Mandels, regional verwurzelt. Um die Milchleistung zu heben, kreuzt das Paar Weiße Edelziege ein und Anglo Nubier, die mit den Schlappohren, kauft jeweils einen Bock zu. Die Mischlinge sind, so Theo Mandel, robuster. Die Ziegen sind relativ groß, die Herde für Ziegen ruhig. Die Tiere kennen ihre zwei Chefs, die häufig bei ihnen sind, Vorteil einer selbst großgezogenen Herde. Sabine ist auch bei den acht Jerseykühen bei jedem Kalben dabei. Die Mandels haben die kleine Kuhherde zur Kompensation der CAE- Ausfälle aufgebaut. Die zierlichen Jerseys, reine Milchkühe, zertreten die Narbe weniger als andere und geben gute fette Milch.

Käsespezialitäten vom Feinsten

Ziegenkäse - lecker und regional
Ziegenmilch hat etwas weniger Trockenmasse als Kuhmilch. So wird vorsichtiger gekäst. Theo Mandel, von den beiden der Käser, verwandelt die dickgelegte Milch mit dem Durchziehen der Käseharfe aufmerksam zu Bruch. Entsteht zu viel "Staub", das heißt, ist der Bruch zu fein, geht Käse über die Molke verloren. Die Milch wird vorher pasteurisiert - für die Hygienebehörden mit einem Temperaturschreiber dokumentiert - und für Frischkäse mit drei Tropfen Lab geimpft. Fünf Sorten Frischkäsetaler, dazu Stangen, auch mal in Asche gewälzt, sowie Zubereitungen mit Kräutern, stellt Mandel her, dazu eingelegten Käse in Öl. Mit einer etwas anderen Bruchbearbeitung erhält man Feta, mit thermophilen Milchsäurebakterien beimpft, lässt sich Camembert herstellen. Zudem stellt der Hof noch einen Ziegenschnittkäse als Rotschmierkäse her und drei Sorten Hartkäse aus Kuhmilch. Von einer Biomolkerei kaufen Mandels noch etwas Kuhmilch zu. Wer Ziegen hat, muss sich auch um die Vermarktung kümmern: Dass eine Molkerei Ziegenmilch verarbeitet, ist die Ausnahme. So lag die Käseherstellung über den Eigenverbrauch hinaus nahe und traf eine Marktlücke, auch wenn der Markt erst aufgebaut werden musste. Mit einem Marktwagen verkaufen Mandels in Würzburg und Nürnberg. Ihren Käse liefern sie zudem an 15 Naturkostläden, an Demeter Hofläden der Umgebung und einige konventionelle Bauernläden. Ein Teil geht an den Biokäse Großhandel Wirth in Schwabach und auch die Gastronomie ist - eher saisonal - Abnehmer von Ziegenkäse. In diesem Rahmen handeln die beiden auch Käse von fünf weiteren Biohöfen, zur Ergänzung des Sortiments.

Ziegenwurst und Ziegenschinken sind weitere Spezialitäten.

Doch hat der Hof nicht nur Käse zu bieten: Ziegensalami und Ziegenwürstl, ja sogar Ziegenschinken und das Fleisch der Zicklein im Frühling. Ab und an wird ein Jungbulle einjährig geschlachtet und zerteilt verkauft. Die Ziegenfelle finden Abnehmer im Trommelbau. Damit die Vermarktung hygienisch läuft, sind natürlich Milchküche, Kessel, Kühl- und separate Lagerräume nötig, dazu ein Verkaufsraum - nebst der entsprechenden Gerätschaft - von Kühltheke bis Vakuumiergerät und Frischhalteboxen. Das Geschäft über´s Internet ist eher verhalten, zwei bis fünf Bestellungen pro Woche.

 

Biologisch-dynamisch: das macht Sinn
Warum biologisch-dynamisch? Das war für Theo Mandel nie eine Frage. Er war für den anthroposophische Hintergrund offen, die damals noch wenigen Öko-Landwirte in der Region waren bei Demeter. Da ist für ihn alles drin, was für Bauern auch dazugehört: Rhythmus, geschlossene Kreisläufe, kosmische Kräfte. Nie würde er Ziegen ohne Hörner halten, wie die Herdbuchzüchter es vor Jahren noch wollten. "Die Ziegen sind doch viel ästhetischer, und sie brauchen die Hörner für das wesensgemäße Gleichgewicht". Sicher sind sie auch von Bedeutung für Kräftewirkungen. Das Argument "Verletzungsgefahr" konnte er seinen Mitzüchtern jedenfalls ausreden. Auch, dass er nicht auf Hochleistung füttert, gehört dazu, der Kraftfuttereinsatz ist gering. Die biologisch-dynamischen Düngerpräparate werden gemeinsam in der regionalen Arbeitsgruppe gemacht. Dabei hat er auch schon Ziegenhörner für das Hornmistpräparat verwendet - mit Kuhdung allerdings. Die Kompostpräparate kommen zum Tiefstallmist, wenn er aufgesetzt wird, die Spritzpräparate werden jeweils nach dem Wiesenschnitt ausgebracht.

Die Erde und die Tiere geben uns Kraft
In den letzen zwei Jahren hat es die Familie arg gebeutelt: Mutter Sabine fiel vor zwei Jahren vom Gerüst, Sohn Julian ist gerade von einem schweren Unfall mit dem Motorroller genesen und Vater Theo steht unter Schmerzmitteln wegen einer rheumatischen Rückenerkrankung. Grund genug, um sich Gedanken über das eigene Leben zu machen. "Ich brauch mei Viecher" freut sich Sabine Mandel auf jeden Tag mit ihren Lieblingen. Trotz der Arbeit, die daraus resultiert, bedeuten die Tiere den beiden viel. "Uns gibt die Natur, die Erde und die Tiere, die ganze Kraft, sonst hätten wir das nicht auf die Beine stellen können", stimmen beide überein. Denn, freie Wochenenden oder gar Urlaub sind auf dem Ziegenhof bisher kaum möglich. Man muss eben zwischendurch darauf achten, dass auch Zeit bleibt zum Genießen: Das kann die Ruhe auf dem Land sein, das Erleben mit den Tieren oder ein nettes Gespräch mit den Kunden. "Das baut auf", findet die Bäuerin.

Jerseykühe ergänzen die Ziegenherde

Da der Ziegenhof kein Lehrbetrieb ist, gibt es keine Vertretung durch Auszubildende. Für die Kinder, die älteste Tochter Jasmin ist inzwischen 26, die Söhne Benny 21 und Julian 14, war das nicht immer einfach: "Ihr schafft ja bloß" - das muss sich wohl jeder Landwirt anhören. Doch kann man als Kind eben auch sein eigenes Pferd haben, hat immer die Eltern in der Nähe, sitzt statt im Hort im Ziegenstall oder auf dem Schlepper und hat den Nachbarskindern die Attraktion des Frühjahrs zu bieten: junge Zicklein zum Knuddeln. Da kommen dann immer alle, obwohl es in der Schule schon mal Spott für die Kinder vom Ziegenhof gibt. Die Mandels bereuen jedenfalls nichts. Das Leben muss schließlich einen Sinn machen, sagt Theo, "und der lässt sich nicht allein mit Geld aufwiegen. Wir machen gesunde, einzigartige Mittel zum Leben, und der Kreislauf stimmt", da ist sich das Paar einig. Und freuen sich, wenn die Enkel auf Besuch mit den Zicklein spielen.

 

  CAE
Caprine Arthritis Encephalitis - so heißt der Virus, der ausschließlich Ziegen befällt und sich durch die Biestmilch, Speichel und Sperma überträgt. Zur Zeit gibt es kein Mittel dagegen, gekeult wird nicht. Nicht bei jedem Tier bricht die Krankheit aus, auch wenn es den Virus trägt: Symptome sind geschwollende Karpalgelenke - das Handgelenk, das bei den Huftieren an unser Knie erinnert - und Schmerzen, die Tiere "knien" häufig, um sich zu schonen. Das gibt mehr Unruhe in der Herde, die Rangordnung kommt durcheinander - und gibt deutlich weniger Milch. In der Schweiz wurde staatlicherseits ein Sanierungsprogramm durchgezogen, in Deutschland bleibt es dem Halter überlassen - Unterstützung bei dem aufwendigen Unterfangen gibt es wenig, wenn dann nur für Untersuchungen. Vorbeugen ist durch Zucht und Bestandsergänzung aus CAE-freien Beständen möglich. (siehe auch Beitrag S. 37)
 

 

Ziegenhof im Steigerwald
Sabine und Theo Mandel
Herpersdorf 20
91483 Oberscheinfeld
Tel: 09162 - 7619, Fax: 1629
www.ziegenhof.de