Lebendige Erde 5/2003:

Portrait

Der Forscher im Betrieb

Hartmut Spieß forscht und züchtet auf dem Dottenfelderhof (Demeter)

von Michael Olbrich-Majer
Lehre und Präsentation gehören zur Forschung (hier in der Landbauschule Dottenfelderhof)

Wenn bei Demeter das Fernsehen anruft und einen Experten für Mondrhythmen und Pflanzenwachstum sucht, ist Hartmut Spieß gefragt. Sowohl in populären Sendungen wie „Die Sprechstunde” als auch in wissenschaftlichen TV-Magazinen hat der biologisch-dynamische Forscher die Ergebnisse seiner Habilitationsarbeit zur Wirksamkeit des Mondes bei der Aussaat dargelegt – er ist in Deutschland die erste wissenschaftliche Adresse zu diesem Thema. Dazu waren 18 Jahre hartnäckige Forschung nötig, Ausgangspunkt waren die Aussaattage von Maria Thun. Doch ist diese Arbeit zur Erlangung der Professorenreife schon zehn Jahre her, jährlich wieder belebt durch die Tagung zur Chronobiologie an der Landbauschule Dottenfelderhof. Inzwischen hat Spieß einen langen Weg von der Auftragsforschung über die angewandte Forschung „on Farm” zum Züchter hinter sich: erste Gurken und Tomatensorten aus seiner biologisch-dynamischen Züchtung sind zugelassen, er hat ein Mittel gegen den Steinbrandpilz bei Weizen entwickelt und er pflegt einen umfangreichen Zuchtgarten an Getreiden.
Sein Interesse an Landwirtschaft wurde durch das in der DDR übliche Betriebspraktikum geweckt. Spieß ging in die Lehre und studierte u.a. bei Prof. Rauhe in Leipzig, der mit seinen Langzeituntersuchungen zur Bodenfruchtbarkeit Argumente für die organische Düngung und den biologischen Landbau lieferte. Zwei Jahre arbeitete Spieß als Leiter der Tierproduktion einer LPG. 1970 beschlossen er und seine zwei Brüder, der geistigen Enge des Arbeiter- und Bauernstaates zu entkommen. Nur ihm glückte auf Anhieb die Flucht über Ungarn-Jugoslawien-Österreich, in einem Wagen versteckt, seine Brüder wanderten ins Gefängnis – bis sie freigekauft wurden.
Die erste Arbeit, die er im Westen als Außendienstleiter in der Futtermittelindustrie fand, schmiss er nach einem Jahr: Antibiotika und Hormone in der Tierernährung, Tiere in unzumutbaren Ställen, er erfuhr seinen persönlichen Kulturschock. Während er eine Verwalterstelle auf einem Großbetrieb suchte, wurde er über einen Onkel auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft aufmerksam. Der schickte ihm auch eine Annonce aus „Lebendige Erde”: Dr. Hans Heinze, der damalige Geschäftsführer des Forschungsrings, suchte einen Doktoranden. Zu dieser Zeit hatte eine fruchtbare Kooperation der Biodynamiker mit Professor von Boguslawski und Prof. Erhard Ahrens von der Uni Gießen begonnen. Ulf Abele forschte hier zum biologisch-dynamischen Kieselpräparat und die Saattage von Maria Thun.
Spieß sollte die Wirkung der Präparate „500” (Hornkuhmist) und „501” (Hornkiesel) – im Zusammenhang mit Fragen der Bodenfruchtbarkeit untersuchen – beraten von Frau Thun. 1974 trat er bei von Boguslawski in Rauisch-Holzhausen eine Doktorandenstelle an. Den Spott der wissenschaftlichen Kollegen „Was rührst Du da so lange? Da ist ja gar nichts drin!”, den er beim Präparaterühren oft hörte – steckte er weg, in einer Mischung aus Offenheit, Enthusiasmus und Ost- West- Erfahrung. Unbeirrt zog er die Versuche durch, für ihn eine wertvolle wissenschaftliche Erfahrung, für die biologisch-dynamische Bewegung der zweite Baustein zur wissenschaftlichen Anerkennung: Die Präparate wirkten im mehrjährigen Versuch sowohl bei Abele wie bei Spieß. Die drei Sternchen der statistischen Auswertung überzeugten Spieß, daran weiter zu forschen.
 

 

Ökolandbau braucht Forschung „on farm”.

Langjährige Forschung unter den Bedingungen der landwirtschaftlichen Praxis, das ist das Ideal für den Wissenschaftler Hartmut Spieß, der seit 1977 die inzwischen aktuelle Methode „On farm research” betreibt. Im biologisch-dynamischen Landbau nichts neues, aber auf dem Dottenfelderhof optimal vernetzt. Einerseits mit Ausbildung, Projektarbeiten (Landbauschule) und Züchtung (Dietrich Bauer züchtet hier Möhren und Kohl) verbunden und andererseits mit dem Betrieb und dessen umfangreicher Vermarktung – was konkrete Rückmeldung bedeutet. Durch die Einbindung in die Praxis werden leichter die richtigen Forschungsfragen gefunden. Spieß arbeitet über biologisch-dynamischen Maßnahmen, zu Düngung, Unkrautregulierung, Pflanzengesundheit bzw. biologischem Pflanzenschutz, Bodenbearbeitung, Saatgut und Züchtung. Für viele Untersuchungen ist ein entwickelter Ökobetrieb Bedingung. Wichtig ist aber auch die interdisziplinäre Vernetzung mit den Kollegen vom Institut für Biologisch-Dynamische Forschung sowie Forschungsinstitutionen Universitäten. Der Dottenfelderhof ist einer der Demonstrationsbetriebe im Bundesprogramm Ökologischer Landbau.

 
 
Inmitten seines Zuchtgartens: Spieß forscht zum biologisch-dynamischen Anbau und züchtet

Forschung on Farm
Spieß sagt von sich: „Ich wusste immer, was ich nicht wollte”. Da für ihn Forschung nur auf einem Praxisbetrieb denkbar war, griff er die Initiative von Ulf Abele auf. 1977 begannen sie mit Regine Spieß als LTA mit dem Aufbau einer Forschungsstation samt Mini-Labor auf dem Demeter-Hof der Betriebsgemeinschaft Dottenfelderhof, als Zweigstelle des Darmstädter Instituts für Biologisch-Dynamische Forschung. Forschung auf einem Hof sieht Spieß als Möglichkeit, zu einer höheren Praxisrelevanz der Ergebnisse zu kommen und an den Fragen der Landwirtschaft näher dran zu sein: „Ich bin kein Laborforscher”. Experimente innerhalb eines Hoforganismus, ob Großparzellen- oder Exaktversuch, sagen im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung mehr aus, zudem kann man Langzeitversuche über eine betriebliche Fruchtfolge hinweg machen. „Auch die Unis haben alle inzwischen ökologische Versuchsbetriebe, weil es nicht anders geht.” Klar, man braucht homogene Böden und muss flexibler bei der Versuchsanlage sein als bei separaten Versuchsfeldern. Essenziell ist für ihn daher auch die Ergänzung durch Exaktversuche im Gefäß – feinere Unterschiede lassen sich hier eindeutiger zeigen.

Biologisch-dynamische Präparate: „so intensiv wie möglich, so oft wie nötig”
Aus seinen Versuchen lässt sich ablesen: so richtig zur Wirkung kommen die biologisch-dynamischen Präparate dann, wenn sie häufig und regelmäßig angewandt werden. Mindestens je dreimal Hornmist und Hornkiesel ist Standard in seinen Versuchen, Kompostpräparate sowieso. Doch sieht er noch großen Forschungsbedarf, vor allem zu Anwendungsfragen. Immerhin ist erwiesen: die biologisch-dynamischen Präparate schaffen eine besondere Qualität: Doch wann und wie oft ausgebracht, wie kombiniert in Abhängigkeit von Pflanzenart und Sorte wirken sie optimal? Ein Ringversuch dazu, wie er ihn mit den biologisch-dynamischen Forscherkollegen in der Getreidezüchtung macht – das wäre das A&O: fünf Jahre auf mehreren Standorten. Aber – wer finanziert das? Bislang macht er sich also an Detailfragen, wie auch Dr. Uli König in Darmstadt: Mit seiner Arbeitsgruppe untersucht Spieß zur Zeit die Wirksamkeit des Schafgarbenpräparates (siehe auch LE 1 und 2-2000), des Kieselpräparates und den von Steiner empfohlenen Fingerhut und forscht an einem schnellen Wirkungsnachweis. In Sachen Präparate und Qualität arbeitet er mit weiteren Forschern zusammen.

Als Forscher ist man Teil der Untersuchung
Auch Persönlichkeit ist in der biologisch-dynamischen Forschung wichtig. Man muss seine Ergebnisse vermitteln, muss seine Aufgaben finanziert bekommen und braucht Geduld, Ausdauer und Disziplin bei gleichzeitiger Begeisterung für den Forschungsgegenstand. Zumal, wenn sich Wirkungen im Feld erst nach Jahren eindeutig zeigen. „Ein guter Forscher ist vor allem unvoreingenommen” – so Spieß. Die richtige Mischung aus Bescheidenheit und Hartnäckigkeit gehört sicher dazu, sowohl bezogen auf die Möglichkeit der Erkenntnis als auch auf die Lebensumstände. Spieß sicherte sich seine Forschungsaktivitäten lange Jahre über eine halbe Stelle bei der Firma Schaette, jetzt zur Hälfte über die Landbauschule. Für Schaette entwickelte er Pflanzenstärkungsmittel für den Ökolandbau wie Myco-Sin und Tillecur.
Im anthroposophischen Verständnis von Forschung wird der Mensch als Faktor im Experiment anerkannt – anders als üblich in der Forschung, wo der Einfluss des Menschen methodisch ausgeblendet wird. Für Spieß folgt daraus ein Auftrag zur persönlichen Schulung: „Wenn ich erkenntnismäßig tätig werde, dann muss ich als ganzer Mensch erkenntnisfähig werden.” Und Verantwortung: „Ganzheitlichkeit heißt auch, einzubeziehen, was die Ideen für die soziale Wirklichkeit bedeuten”. Zum Beispiel Saatgut und die damit verbundenen Eigentumsfragen.
Spieß arbeitet mit Anthroposophie als ergänzendem Erkenntnisinstrument und zitiert dazu Steiner: „Nur darüber glaubt er (Steiner über sich) Klarheit zu haben, daß man Naturwissenschaft voll anerkennen kann und doch dadurch nicht gezwungen ist, eine Geisteswissenschaft von der Art, wie sie hier charakterisiert sein soll, abzulehnen.” (R. Steiner GA 35, 1918). Doch gilt auch andersherum für Anthroposophen: „Ich glaube auch nicht, und sage das ganz unumwunden, dass zu einem wirklichen geisteswissenschaftlichen Erleben derjenige kommen kann, der nicht im strengen Sinn des Wortes eine naturwissenschaftliche Disziplin sich erworben hat... (Steiner, GA 322, 1920).
Den Forscher interessieren auch die Gespräche des Dalai Lama mit Wissenschaftlern. Selbstschulung der Erkenntnisfähigkeit, das hat Meditation zur Grundlage – für Spieß beginnt hier die individuelle Handhabung des Rhythmischen beim Menschen. Eine meditative Stimmung empfindet er als hilfreich für die Fragen vor und nach den Versuchen, vor allem in der Züchtung.
 

 
Ganz ohne Labor geht es nicht
Der Forscher sucht das Allgemeine, der Züchter kennt das Besondere
Dass der Ökolandbau eigene Sorten braucht, ist schließlich ein typisch biologisch-dynamisches Thema, erklärbar aus dem Konzept des Hoforganismus. Noch vor zehn Jahren hieß es von Unis und Ämtern: konventionelle Sorten tun´s auch. Doch inzwischen ist es Common Sense: Die für konventionellen Anbau gezüchteten Sorten funktionieren im Öko-Landbau mehr schlecht als recht. Eher kurz geraten liefern sie kaum Stroh fürs Vieh und die Qualität orientiert sich eher an technologischen Parametern. Ohne die richtigen Sorten kann das Qualitätspotenzial der biologisch-dynamischen Maßnahmen nicht voll genutzt werden, ist das Credo von Hartmut Spieß.
Dass der Ökolandbau eigene Sorten braucht, ist schließlich ein typisch biologisch-dynamisches Thema, erklärbar aus dem Konzept des Hoforganismus. Noch vor zehn Jahren hieß es von Unis und Ämtern: konventionelle Sorten tun´s auch. Doch inzwischen ist es Common Sense: Die für konventionellen Anbau gezüchteten Sorten funktionieren im Öko-Landbau mehr schlecht als recht. Eher kurz geraten liefern sie kaum Stroh fürs Vieh und die Qualität orientiert sich eher an technologischen Parametern. Ohne die richtigen Sorten kann das Qualitätspotenzial der biologisch-dynamischen Maßnahmen nicht voll genutzt werden, ist das Credo von Hartmut Spieß.
Nach einer Führung nimmt man ihm das ohne weiteres ab, angetan von der Schönheit und Vielfalt im Zuchtgarten. Man sieht förmlich die andere Qualität in Wachstum und Gestalt der Pflanzen. Seine zwei Stämme „Lux” und „Rufus”, die der Hof schon im Anbau hat, tragen zudem ordentlich was auf dem Halm. Sie sind für eine Registrierung als „Herkunftssorten” vorgesehen. Für eine Anmeldung beim Bundessortenamt will er im nächsten Jahr weitere Zuchtstämme in die Sortenprüfung geben. Dass Ökosorten überhaupt eine Chance auf Zulassung haben, hat sich erst mit der Agrarwende und jahrelangem Druck biologisch-dynamischer Fachleute geändert. Mit anderern Züchtern arbeitet er daher in der Arbeitsgemeinschaft biologisch-dynamischer Pflanzenzüchter (abdp) zusammen.
Angefangen hat seine Begeisterung für die Züchtung vor zwanzig Jahren, als er die Hofsorte „Petkuser Normalstrohroggen” aus den Rhythmusversuchen weiter pflegte. Genau genommen noch früher, mit der Gurke, die ihm ein Kommilitone aus dem Iran mitbrachte. Die ist glattschalig, schmeckt fruchtig und heißt „Persika”, zu beziehen über die Bingenheimer Saatgut AG, ein Gemeinschaftsunternehmen von biologisch-dynamischen Gemüsezüchtern. Auch seine zwei Tomatensorten „Quadro” und „Piroka” gibt es dort. Die Gemüsezüchtung liegt inzwischen weitgehend in den Händen seines Mitarbeiters Christoph Matthes, so dass er sich zusammen mit Stefan Klause vor allem der Getreidezüchtung widmen kann. In diesem Jahr hat er mit seinen Mitarbeitern auf fast 2 Hektaren Weizen- und Roggenstämme in Beobachtung, prüft Sorten, testet als Steinbrandspezialist im Auftrag der Biologischen Bundesanstalt die Resistenz diverser Sorten sowie die Wirksamkeit von Saatgutbehandlungen bei Winterweizen. Außerdem bearbeitet er im Auftrag der BLE und in Kooperation mit Dr. K.-J. Müller die Resistenzprüfung von rund 90 Wintergersten auf Flug- und Hartbrand und testet im Langzeitdüngungsversuch Kali und die Anwendung von Fingerhut, in diesem Jahr mit Kartoffeln.
 

Biologisch-dynamische Wissenschaft: zwischen zwei Stühlen
Zur Zeit ist die Außenstelle des Darmstädter Instituts passabel ausgestattet: vier feste MitarbeiterInnen und vier PraktikantInnen. Die Frau des Forschers, Regine Spieß, packt bei Arbeitsspitzen mit an, macht die Buchhaltung und ist auch für vier Kinder da. Die Hauptarbeit aber, so Spieß, besteht im Schreiben von Anträgen und Berichten für die verschiedenen Stiftungen und Institutionen. „Darunter leidet die Veröffentlichung” – auf seinem Schreibtisch stauen sich unpublizierte Ergebnisse. Vor allem die üblichen einjährigen Laufzeiten sind ein ziemlicher Aufwand bei zwölf verschiedenen Förderungen für seine Projekte – und bedeuten stete Ungewissheit.

Biologisch- dynamisch muss sich der Diskussion stellen
Berührungsängste mit konventionellen Wissenschaftlern hat Spieß nicht. Die positiven Erfahrungen überwiegen, vor allem in der konkreten Zusammenarbeit. Dass es immer einige gibt, die Vorurteile haben und spezifisch biologisch-dynamische Wirkungen nicht für möglich halten: „Ohne Stoff keine Wirkung”, „Alles Placebo”, damit hat er sich abgefunden. Denn die Kommunikation mit anders geprägten Forschern hält er für essenziell: „Ich möchte auf die konventionellen Kollegen, mit ihrem Fachwissen, zugehen. Man muss es ihnen so einfach wie möglich machen, mit hieb- und stichfesten Ergebnissen ein offenes Angebot machen.” Und, sie über übliche Versuchsvarianten interessieren. Da haben alle Seiten etwas davon, die Förderung wird einfacher und man kann in diesem Rahmen nebenbei biologisch-dynamische Ergebnisse präsentieren. So arbeitet er erfolgreich mit der Hessischen Landwirtschaftsbehörde HDLGN, der BBA Darmstadt und Kleinmachnow und der Bundesforschungsanstalt FAL zusammen.
Dabei unterscheiden sich die Methoden eigentlich wenig – auch Biodynamiker brauchen gesicherte Statistik, um eine Aussage treffen zu können. Doch sind die Fragen andere, kommen aus anderen Quellen und die Ergebnisse stehen zum Teil in einem anderen Interpretationskontext. Spieß formuliert es so: „Aus Erfahrung gewinnen, naturwissenschaftlich begründen, durch eine geistgemäße Betrachtung einbinden.” Eigentlich gilt das für jede Wissenschaft, dass vor und nach der Untersuchung Werturteile einfließen – schon bei der Auswahl einer Fragestellung. – man lese Max Weber, und doch ist gerade das oft Anstoß von Kritik.

Auch in Führungen vermittelt der Forscher die Ergebnisse seiner Arbeit
 

Wie erforscht man Kräftewirken?
Allerdings muss man sich, wenn man wie die Biodynamiker davon ausgeht, dass Leben nicht von Stoffen sondern von Kräften bewirkt wird, auch auf die Suche nach neuen Methoden der Wissenschaft machen. „Lebendiges erkennt Lebendiges” zitiert Spieß den Ansatz von Goethe und Steiner. Was das heißt, dämmert vielleicht am ehesten den Gen- und Zellforschern, die zur Erklärung des Kleinsten ein höheres Regulativ postulieren müssen. Für das Biologisch-Dyamische heisst es schon immer: der Untersuchungsgegenstand geht über das Stoffliche hinaus, denn: Wie geschieht Wachstum? Wer gestaltet da? Auch bei den Stoffen erkennt man zunehmend die wichtige Rolle von Gestaltphänomenen: Zum Beispiel wird harmloses Prionenprotein bei gleicher Zusammensetzung, aber etwas anders gefaltet plötzlich zum BSE-Erreger.
Spieß kann, dank anthroposophischem Kontext, sich manche Phänomene über Steiners Konzept von ätherischer, astraler und geistiger Ebene erklären – auch wenn das Schulung erfordert und dazu noch viel Forschung vonnöten ist. Auf welchem Weg kommt Steiner zu seinen – z.T. inzwischen wissenschaftlich belegten – Anregungen? Eine Daueraufgabe. Als Züchter ist er auf die Erkenntnis der gestaltenden Kräfte angewiesen, auch bei klassischen Züchtern gibt es diese Entscheidungsebene der Intuition - nach allen Zahlen. Spieß will das bewusst handhaben, nicht zufällig. „Wenn ich auf dem Versuchsfeld stehe und suche in zehntausend Einzelpflanzen, das ist wie eine meditative Tätigkeit, und die kann man schulen.”
In der Tier- und Pflanzenzüchtung sieht er vordringliche Aufgaben für die Biodynamiker – ohne die richtige Basis wirkt das Biodynamische nur eingeschränkt. Auch eine Methode, Ernährungsqualität im biologisch-dynamischen Sinne zu beschreiben, muss her. Mit Forschernachwuchs sieht es aus biodynamischer Sicht allerdings dünn aus: „Die gewinnen wir nur mit einer attraktiven Forschung, Offenheit und dem ehrlichen Beantworten aller Fragen”.

 

  Mondrhythmen und Pflanzenwachstum

Von 1977 bis 1986 untersuchte Dr. Hartmut Spieß experimentell die Wirkungen des Mondes zum Zeitpunkt der Aussaat auf das Wachstum von Kulturpflanzen. In zahlreichen z.T. über sechs Jahre andauernden Saatzeitversuchen mit verschiedenen Pflanzen konnte, abgesehen vom dominierenden jahresrhythmischen Trend in den Untersuchungen ein deutlicher Zusammenhang nachgewiesen werden. Vor allem die Mondphasen, Erdnähe und -ferne und das Auf- und Absteigen des Mondes am Himmel wirkten sich bei den Kulturpflanzen aus. Allerdings unterschiedlich, so dass Spieß auf lunare Reaktionstypen der Pflanzen hinweist. Die in Form von Trigonen durch Maria Thun beschriebene Mond-Tierkreis Wirkung auf das Pflanzenwachstum konnte – obwohl die Untersuchung darauf angelegt war – nicht bestätigt werden.